Bernd Hartmann, Chefstratege VP Bank
Bernd Hartmann, Chefstratege VP Bank. (Foto: VP Bank)
von Patrick Gunti
Herr Hartmann, der Bundesrat will einer Immobilienblase präventiv entgegenwirken und hat am Mittwoch auf Antrag der Nationalbank den antizyklischen Kapitalpuffer für Banken ausgelöst. Es wurde in den letzten Wochen viel spekuliert – haben Sie den Schritt des Bundesrates erwartet?
Die Entscheidung kam nicht ganz unerwartet. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) warnt ja schon seit längerer Zeit vor einer drohenden Immobilienblase. Seit Bundesrat Schneider-Amman dieser Meinung Mitte Dezember explizit widersprochen hat, wurde die Diskussion intensiviert.
Ist der Schritt Ihrer Meinung nach gerechtfertigt oder hätte man noch abwarten können?
Der Immobilienmarkt hat sich regional unterschiedlich entwickelt, der Kapitalpuffer gilt aber für alle Hypotheken. Das neue Instrument des antizyklischen Kapitalpuffers wurde erst im Juli 2012 eingeführt. Es liegen daher noch keine Erfahrungswerte über dessen Auswirkungen vor. Wir erwarten keine starken Auswirkungen und betrachten den Entschluss als erstes Abtasten dieses neuen Instruments. Es bleibt damit genug Zeit für die Feinjustierung.
Die Banken müssen Ende September zusätzliche Eigenmittel von 1 Prozent der ausgegebenen Hypothekarkredite halten. Viele Banken haben schon heute höhere Reserven als vom Gesetz verlangt. Was bedeutet die Aktivierung des Puffers für die Banken, bei denen dies nicht der Fall ist?
Für Banken mit geringer Eigenkapitaldecke bedeutet dies, dass sie entweder neues Eigenkapital beschaffen, oder ihre Bilanzen schrumpfen. Sie sind dabei frei in der Entscheidung, ob sie das Kreditportfolio verkleinern oder andere eigenkapitalintensive Geschäfte reduzieren.
Wie wird sich die Aktivierung des Kapitalpuffers auf Neuhypotheken auswirken? Lässt sich beziffern, wie stark die Hypothekarzinsen steigen werden?
Das zusätzliche Eigenkapital muss nicht auf der ganzen Hypothek, sondern nur auf den Risk-weighted Assets (RWA) hinterlegt werden. Je nach Kapitalausstattung und Eigenkapitalkostensatz der Bank dürften sich die Kosten um 1/8% bis 1/4% erhöhen. Je nach Wettbewerbssituation können die Zinsen aber auch davon variieren.
«Es kann daher durchaus sein, dass die Preise in den „Hot-Spots“ leicht nachgeben und in den Einzugsregionen weiter steigen.»
Bernd Hartmann, Chefstratege VP Bank
Könnten auch bestehende Hypotheken vom Aufschlag betroffen sein?
Betroffen sind grundsätzliche alle Hypothekarkredite für Wohnimmobilien. Mehrheitlich ist der Hypothekarbestand jedoch mit festen Laufzeiten und Zinssätzen fixiert. In diesen Fällen greifen die höheren Sätze erst bei der Erneuerung der Festsatzhypothek.
Von Überhitzungen des Immobilienmarktes wurde vor allem in den Ballungszentren wie Zürich, Zug, Genf oder einzelnen Ferienregionen gesprochen. Nun wird die Massnahme aber flächendeckend eingeführt. Welche Auswirkungen hat das auf die Regionen, die bisher nicht als «Hot-Spots» gehandelt wurden?
Diese Regionen dienen bereits heute als Ausgleichsbecken für die Ballungszentren. Mit steigendem Risiko dürfte sich dieser Trend verstärken. Es kann daher durchaus sein, dass die Preise in den „Hot-Spots“ leicht nachgeben und in den Einzugsregionen weiter steigen.
Der Hauseigentümer-Verband befürchtet, dass die Wohnkosten für alle steigen, auch für die Mieter. Unterstützen Sie diese Aussage?
Die Mietkosten sind in der Schweiz an den hypothekarischen Referenzzinssatz gekoppelt. Sobald die Festsatzhypotheken auslaufen, können Hauseigentümer die höheren Kosten an ihre Mieter weitergeben. Falls die Anpassung nach unten aber nicht weitergegeben wurde, dürfte eine Mietzinserhöhung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
«Einen Einbruch der Bauaktivität erwarten wir jedenfalls nicht. Neben den Instandhaltungsarbeiten sorgt die weiterhin hohe Zuwanderung für konstante Bauaktivitäten.»
Was für eine Entwicklung erwarten Sie hinsichtlich der Bauaktivitäten?
Eine Beruhigung der Auftragseingänge zeichnet sich auch ohne diese Massnahme bereits ab. Es wird also schwierig sein zu eruieren, wie gross der Effekt vom Kapitalpuffer sein wird. Einen Einbruch der Bauaktivität erwarten wir jedenfalls nicht. Neben den Instandhaltungsarbeiten sorgt die weiterhin hohe Zuwanderung für konstante Bauaktivitäten.
Und was geschieht an der Immobilien-Preisfront?
Wahrscheinlich nicht allzu viel. Die Zinssätze bleiben trotz der Massnahme auf extrem tiefem Niveau. Für Mieter bleibt der Kauf einer Immobilie daher weiterhin eine finanzierbare Variante. Segmente wie Luxusimmobilien sind ja heute schon weniger gesucht und haben entsprechend die grossen Preissteigerungen hinter sich. Entscheidend für die künftigen Preise bleiben die Anlagealternativen. Sollten die makroökonomischen Risiken in der Eurozone weiter abnehmen, bilden Aktien längerfristig eine echte Alternative zu Immobilien. Dieses Risiko ist bedeutend grösser als die Anhebung des Zinssatzes um ein Viertel Prozent.
Welche Folgen hat der Schritt für die Konjunkturentwicklung in der Schweiz? Müssen die Wachstumsprognosen revidiert werden?
Von der Idee eines Hausbaus bis zur Ausführung können Jahre vergehen. Die Konjunkturentwicklung in der Eurozone, der Wechselkurs oder Migrantenströme sind von wesentlich grösserer Bedeutung. Wir belassen daher unsere Wachstumsprognosen unverändert.
Herr Hartmann, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Bernd Hartmann ist Chefstratege und Leiter des Investment Research der VP Bank Gruppe. Er ist verantwortlich für makroökonomische Analysen, das Research von Währungen, Anleihen, Aktien und Alternative Anlagen sowie die strategische Asset Allocation. Als Vorsitzender des Anlagetaktikausschusses ist er zudem verantwortlich für die taktische Positionierung der Vermögensverwaltungsmandate. Vor seinem Wechsel zur VP Bank war Bernd Hartmann als Aktien-Fondsmanager bei der Liechtensteinischen Landesbank tätig. Er hält einen MBA (Financial Services) und einen Bachelor of Business Administration in Wirtschaftswissenschaften der Universität Liechtenstein.