Bernhard Kuster, Direktor GastroSuisse
Bernhard Kuster, Direktor GastroSuisse.
Von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Kuster, Sie sind seit Anfang Februar Direktor von GastroSuisse. Mit welcher Zielsetzung haben Sie Ihr Amt angetreten?
Bernhard Kuster: Mein Ziel ist, dass unsere Mitglieder sich wieder vermehrt auf ihre Hauptaufgabe konzentrieren können, nämlich gute Gastgeberinnen und Gastgeber zu sein. Begriffe wie unternehmerische Freiheit und Eigenverantwortung sind für mich dabei zentral. Ich kämpfe für gute Rahmenbedingungen für die Branche und wehre mich gegen den fortschreitenden Hang zur Regulierung und Normierung.
Für das vergangene Jahr konnten Sie gute Zahlen präsentieren. Schweizerinnen und Schweizer haben 2010 über 26 Mrd. Franken für Essen und Trinken ausser Haus ausgegeben, 3,3 Mrd. Franken mehr als im Vorjahr. Welches waren die Faktoren für dieses Resultat?
Entscheidend war, dass die Konsumentenstimmung Anfang des letzten Jahres gekehrt hat. Die Steigerung beruht aber nicht nur darauf, sondern hat auch noch andere Gründe. Zum Wachstum beigetragen haben zum Beispiel ebenfalls die Zunahme der Beschäftigung um rund 0,8 Prozent, die Teuerung von 0,7 Prozent und die Zunahme der ständigen Wohnbevölkerung auf 7,8 Millionen.
Wie setzt sich das Resultat hinsichtlich der Alterssegmente zusammen?
Zur Umsatzsteigerung haben alle Alterssegmente beigetragen, aber nicht im gleichen Ausmass. Personen im Alter zwischen 30 und 49 Jahre haben dabei überdurchschnittlich zum guten Resultat beigetragen. Einerseits sind sie häufiger ins Restaurant gegangen, anderseits haben sie durchschnittlich pro Besuch auch mehr ausgegeben. Bei den 15- bis 29-Jährigen haben wir hingegen ein etwas anderes Muster beobachtet. Zwar ging diese Altersgruppe häufiger auswärts essen, die Durchschnittsausgaben pro Besuch sind aber sogar leicht gesunken.
«Ich kämpfe für gute Rahmenbedingungen für die Branche und wehre mich gegen den fortschreitenden Hang zur Regulierung und Normierung.»
Bernhard Kuster, Direktor GastroSuisse
Welchen Einfluss hat das Alter auf die Verpflegungsgewohnheiten?
Das Alter hat einen grossen Einfluss auf die Verpflegungsgewohnheiten. Bei den jüngeren Gästen steht aber nicht etwa die Fastfood-Restauration an erster Stelle, sondern die Betriebs- und Gemeinschaftsverpflegung. Das ändert sich mit zunehmendem Alter. Bereits ab 25 Jahren steht die herkömmliche Gastronomie an erster Stelle. Man kann auch sagen: Mit zunehmendem Alter werden mehr Suppen, Süssspeisen und Kartoffelgerichte gegessen, dafür sinkt der Konsum von Pastagerichten und Sandwichs.
«Man soll in unseren Restaurants das essen dürfen, was man gern hat. Und das sind halt oft Pommes und Rindfleisch.»
Des Schweizers liebstes Gericht ist ein Stück Rindfleisch, dazu Pommes Frites und Salat. Das hört sich einerseits nicht sehr fantasievoll und innovativ an. Andererseits gibt es punkto Speisen sicherlich auch Veränderungen. Welche?
Das Konsumverhalten ist tatsächlich relativ stabil. Dies ist aber nicht etwas Schlechtes. Man soll in unseren Restaurants das essen dürfen, was man gern hat. Und das sind halt oft Pommes und Rindfleisch. Aber auch wenn die Verpflegungsgewohnheiten insgesamt recht stabil sind, gibt es interessante Verschiebungen. Im Vergleich zum Jahre 2009 wurden weniger Würste und etwas mehr Geflügelfleisch konsumiert. Interessant ist auch die Entwicklung des Brotkonsums: So wurden 2010 beispielsweise mehr Gipfeli und mehr Zopf gegessen als im Vorjahr, dafür wurde weniger anderes Brot verzehrt. Gerade der Anstieg des Zopfkonsums bestätigt denn auch sehr schön den seit vielen Jahren beobachtbaren Trend zum Frühstück ausser Haus.
Wie unterscheiden sich die Verpflegungsgewohnheiten der Geschlechter?
Männer und Frauen konsumieren in der Tat unterschiedlich. Männer essen «währschafter», das heisst zum Beispiel mehr Pizza, mehr Fleisch, mehr Teigwaren. Frauen essen mehr Fisch, Süssspeisen und Salate. Auch frühstücken Frauen viel häufiger als Männer. Aber auch bei den Getränken gibt es Differenzen: Frauen trinken häufiger Mineralwasser als Männer, vornehmlich ohne Kohlensäure. Diese wiederum konsumieren mehr Bier und Süssgetränke. Wenn Frauen aber Bier trinken, so ist es überdurchschnittlich häufig eine ausländische Marke.
Für viele Restaurants steht und fällt die Bilanz beim Mittagessen. Über die Hälfte des Umsatzes in der Gastronomie wird zwischen 11 und 15 Uhr erwirtschaftet. Gleichzeitig geht der Trend dahin, die Mittagspause immer kürzer zu gestalten und früher Feierabend zu machen. Wie reagieren die Restaurationsbetriebe auf diese gesellschaftlichen Veränderungen?
Gastwirte mit langjähriger Erfahrung bestätigen mir immer wieder, dass die Gäste heute über Mittag weniger Zeit haben. Unsere Mitglieder haben sich aber auf diesen gesellschaftlichen Wandel gut eingestellt: Die Tagesmenüs werden heute so ausgewählt und vorbereitet, dass die Wartezeiten für die Kunden minimiert werden.
Es gibt aber natürlich auch Arbeitnehmende, die am Mittag aufgrund des Zeitdrucks ein Sandwich vor dem Bildschirm essen. Dies bringt keine Erholung. Man muss über Mittag einfach einmal aus dem Büro herauskommen, um den Kopf zu lüften. Persönlich glaube ich auch, dass das Pendel wieder zurückschlagen und man sich wieder mehr Zeit für die Erholung über Mittag nehmen wird. Unsere Arbeit wird nämlich immer komplexer. In Folge braucht es Mitarbeitende, die den Kopf bei der Sache haben. Das wird schwierig, wenn man keine Pause macht und über Mittag mit einem Sandwich essend vor dem Bildschirm kleben bleibt.
«Persönlich glaube ich auch, dass das Pendel wieder zurückschlagen und man sich wieder mehr Zeit für die Erholung über Mittag nehmen wird.»
Das Rauchverbot hatte auf das Gesamtresultat nicht die befürchteten Auswirkungen. Es gibt aber sicherlich auch Betriebe, die Einbussen in Kauf nehmen mussten. Was für Rückmeldungen haben Sie?
Die Umsatzeinbussen sind in etwa wie erwartet eingetroffen. Speiserestrestaurants spüren wenig bis nichts, Betriebe mit einem hohen Umsatzanteil mit Getränken leiden, vor allem wenn sie klein und auf dem Land sind. Im Rahmen unserer Mitgliederbefragung beklagten volle 41,8 Prozent der Antwortenden einen Umsatzrückgang. Nur gerade 3,1 Prozent verzeichneten einen Umsatzanstieg. 55,1 Prozent der Befragten stellten keinen Einfluss des Passivrauchschutzes auf den Umsatz fest.
Welchen Einfluss hatte das Rauchverbot auf den Aus- oder Umbau der Infrastruktur?
Hier zeigt sich die Bereitschaft des Gastgewerbes sehr deutlich, in das Wohlbefinden der Gäste zu investieren. Die Betriebe mussten sich auf die neue Situation ausrichten. Gesamtschweizerisch verfügen 10,9 Prozent über ein bedientes und 5,7 Prozent über ein unbedientes Fumoir. Wenn man aber ein Fumoir einrichten will, so muss man aufgrund der strikten gesetzlichen Vorgaben viel Geld in die Hand nehmen. Dies kann sich nicht jedermann leisten.
In den Innenstädten reiht sich mittlerweile ein Take-Away-Betrieb an den nächsten. Welche „Bedrohung“ stellen sie für die traditionelle Gastronomie dar?
Es geht nicht darum, ob Take-Away Betriebe eine Bedrohung sind oder nicht. Es ist der Gast, der bestimmt, was er essen möchte. Das Gastgewerbe muss sich den Wünschen der Konsumenten anpassen. Gerade die traditionelle Gastronomie hat hier sehr viel Engagement gezeigt, um innert Kürze schmackhafte und preisgünstige Menü auf die Tische zu zaubern.
Hinsichtlich des Kampfes um bessere Rahmenbedingungen für die Branche steht für GastroSuisse die eidgenössische Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» im Fokus. Wie sehen Sie die Chancen des Gastgewerbes in der Mehrwertsteuer-Frage?
Bei diesem wichtigen Geschäft stehen die Weichen momentan richtig. Mit rund 115’000 bescheinigten Unterschriften haben wir die nötige Unterschriftenzahl schon seit einiger Zeit beisammen und werden die Initiative voraussichtlich im Herbst einreichen. Gleichzeitig haben sich die eidgenössischen Räte im Rahmen der Revision des Mehrwertsteuergesetzes der heutigen Satzdifferenzierung angenommen. Die Chancen stehen somit gut, dass die bestehende Diskriminierung der Gastronomie bei der Mehrwertsteuer mittelfristig beseitigt wird.
GastroSuisse wehrt sich gegen die Revision des neuen Lebensmittelgesetzes, dessen Zweckartikel erweitert werden soll mit Fokussierung auf eine so genannte «sachkundige Wahl» und das die Abschaffung der Schweigepflicht der Vollzugsbehörden ermöglichen würde. Könnte das Gesetz nicht zu einer Verminderung der regelmässigen Beanstandungen durch die Lebensmittelinspektoren führen?
Eine Beanstandung hat nicht unbedingt etwas mit schlechter Hygiene zu tun. Oft geht es um kleine administrative Fehler. Ist das Organigramm in der Betriebsbeschreibung des gesetzlich vorgeschriebenen Selbstkontrollkonzeptes nicht aktuell, so kann dies ein Kontrolleur beanstanden. Ein deswegen beanstandeter Betrieb arbeitet deswegen aber noch lange nicht unhygienisch. Auch wenn ein Kontrolleur einen Haarriss in einer Wandkachel findet, ist dies kein ernstes hygienisches Problem. Man darf ebenfalls nicht vergessen: Die Anforderungen an die Restaurants sind enorm hoch. Kein Privathaushalt würde eine Lebensmittelkontrolle nur annähernd bestehen. Ich mache Ihnen ein Beispiel: Im Privathaushalt werden Früchte und gekochtes Fleisch im gleichen Kühlschrank nebeneinander gelagert. In einem Restaurant wäre diese Vermischung unreiner und reiner Lebensmittel undenkbar und würde zu einer ernsten Beanstandung führen.
Im Januar hat ein Bundesgerichtsurteil Gastrosuisse die Verwendung einer eigenen Hotelklassifikation mit Sternen ermöglicht. Wie ist der Stand heute und was bringt die Klassifikation einerseits den Gästen, andererseits den Betrieben?
Der bisherige Sterne-Monopolist klagte an drei Gerichten und verlor jedes Mal, zum Schluss vor Bundesgericht. Seit Januar 2011 steht nun fest: Auch GastroSuisse darf Sterne verwenden. Unsere über 3000 Hotel-Mitglieder haben nun endlich die Möglichkeit, sich entsprechend im Markt zu präsentieren. Da die Kriterien der beiden Verbände praktisch identisch sind, wird der Gast keine relevanten Unterschiede merken. Ausser natürlich, dass die Zahl der klassifizierten Betriebe zunehmen wird. In Folge profitiert der Gast von diesem Wettbewerb, da die Angebotstransparenz vielfältiger wird.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Im Gastgewerbe ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ausgezeichnet. Dies kommt aber nicht von ungefähr. Die Grundbasis für den Erfolg legt das duale Bildungssystem, das nicht übertrieben verschult ist. Praxis und Theorie gehen Hand in Hand. Aufbauend darauf, besucht unser Führungsnachwuchs eine der guten Schweizer Hotelfachschulen wie zum Beispiel die Belvoirpark Hotelfachschule Zürich oder die Ecole Hôtelière in Genf. Diese sind bezüglich Qualität selbst im internationalen Vergleich absolute Spitze.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
In der akademischen Welt wird Diversity ja heiss diskutiert. Bestrebungen zu Diversity dürfen aber nicht aufgesetzt sein oder aufgezwungen werden. Dies schadet der Sache nachhaltig. Vielmehr geht es darum, der Vielfalt in der Kundschaft mit einer ebenso interessanten Vielfalt innerhalb der eigenen Unternehmung gerecht zu werden.
Herr Kuster, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person
Dr. oec. publ. Bernhard Kuster (Jahrgang 1974) ist seit 1. Oktober 2007 für GastroSuisse tätig. Seit dem 1. Februar 2011 ist Direktor der Branchenorganisation.
Zu GastroSuisse
GastroSuisse ist der Verband für Hotellerie und Restauration in der Schweiz. Gegen 21’000 Mitglieder (über 3000 Hotel-Mitglieder), organisiert in 26 Kantonalsektionen und vier Fachgruppen, gehören dem grössten gastgewerblichen Arbeitgeberverband an.