Bernhard Rutz, CEO Vivo bene

Bernhard Rutz

Bernhard Rutz, CEO Vivo bene. (Foto: Vivo bene)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Rutz, im November letzten Jahres haben Sie im Norden Thailands das «Vivo bene Village» eröffnet, ein 36’000 m2 grosses Resort für Menschen mit Pflegebedürfnissen und ihre Partner. Welche erste Bilanz ziehen Sie, wie gross ist das Interesse?

Bernhard Rutz: Unsere Besucher sind begeistert und haben mehrfach schon wieder gebucht. Wir haben mit Vivo bene ein spezialisiertes Village errichtet, das konsequent für Gäste mit Pflegebedürfnissen nicht nur gebaut ist, sondern auch mit Fachleuten entsprechend betrieben wird. Sowohl die Pflegebedürftigen wie auch ihre Begleiter entdecken sich selbst, ihre Fähigkeiten und können ihre Partnerschaft – trotz allen gesundheitlichen Einschränkungen – neu beleben. Das war für uns ein grosses Ziel. Wir sind damit auf Kurs. Das Interesse ist auch international gross. Im Moment stellen wir fest, dass unsere Besucher sich sehr umfassend informieren, bevor sie zu uns reisen. Das ist gut und richtig so. Es wirkt sich im Moment – kurz nach der Eröffnung – so aus, dass wir mit den Belegungen noch etwas unter unseren Erwartungen liegen.

Das Village wird nach dem Vivo bene-Konzept betrieben. Würden Sie uns dieses etwas genauer erläutern?

Das Vivo bene Konzept ist in dieser Form einmalig. Das macht Vivo bene aus. Jeder Mensch ist einzigartig in seiner Biographie. Daran ändert auch die Diagnose von kognitiven oder physischen Behinderungen und Einschränkungen nichts. Vivo bene überwindet ökonomische und personelle Zwänge, bauliche Hindernisse und eine rein funktionale Pflege. Der Alltag bei uns basiert auf der Aktivierung von vorhandenen Funktionen und nicht auf Defiziten. Im Zentrum stehen die Wünsche und Entscheidungen des Gastes als Basis für das Ziel, Sinn und Lebensqualität für das Dasein zu finden. Daneben soll aber auch der «gesunde» Partner möglichst viel profitieren und Kräfte tanken können. Für diese Ziele haben wir Vivo bene gebaut. Die grosszügige Anlage hat viele Spezialitäten, welche eine umfassende Pflege und auch Raum für Gelassenheit und Entspannung zulassen.

Behinderungen, ganz besonders Demenz, verbindet bei Vivo bene Partner wieder auf neuer, aktivierter Basis. Das Vivo bene Konzept ermöglicht Paaren, auch bei fortschreitender Behinderung mit situationsgerechter Pflege und spezieller Infrastruktur zusammen zu bleiben und eine erholsame Ferienzeit zu verbringen. Gäste von Vivo bene sollen möglichst so leben, wie sie im Moment möchten und können.

«Jeder Mensch ist einzigartig in seiner Biographie. Daran ändert auch die Diagnose von kognitiven oder physischen Behinderungen und Einschränkungen nichts.»
Bernhard Rutz, CEO Vivo bene

Welche baulichen Anforderungen mussten umgesetzt werden?

Wir haben von Beginn weg mit Experten zusammengearbeitet. Da wir die Chance hatten, ein ganzes Village von Grund auf für die speziellen Bedürfnisse zu konzipieren, haben wir die baulichen Anforderungen ganz besonderes evaluiert und geprüft. Die speziellen Bedürfnisse respektive deren Umsetzung haben uns immer wieder herausgefordert. Als wichtigste betriebsnotwenige Massnahmen, die sonst in keinem Ressort zu finden sind, nenne ich die durchgehende Versorgung mit Trinkwasser mit eigener Aufbereitungsanlage und Reservoir, durchgehend tageslichthelle Räume, Schlaufenwege im 36‘000 m2 grossen Park, Schweizer Küche und Bäckerei nach Hygienevorschriften der Schweiz etc. Im Village besteht damit ein hoher Standard mit Schweizer Qualität.

Wie wurde die Anlage finanziert?

Die Anlage wurde privat finanziert. Dank der Sondergenehmigung durch den Staat Thailand mit dem Board of Investment (BOI) ist Land und Gebäude legal und vollständig in Schweizer Besitz. Wir arbeiten sehr eng mit der Bevölkerung vor Ort zusammen.

Sie waren in der Reise-, Sport und Freizeitbranche aktiv, haben «Rent a Bike» an den Bahnhöfen lanciert, beim damaligen Bankverein den heutigen «UBS Key Club» geschaffen oder nach der Gründung der Swiss im Auftrag deren Abteilung Sponsoring und Events geleitet. Wie kamen Sie auf die Idee von «Vivo bene»?

Alle meine beruflichen Tätigkeiten basieren meist auf eigenen Ideen. Treiber dabei war immer, möglichst vielen Leuten Tätigkeiten, Aktivitäten, Erlebnisse und Freude zu ermöglichen, für die sie ohne meine Konzepte keine Möglichkeiten gehabt hätten. Vivo bene ist nur die logische Fortsetzung meiner bisherigen Projekte. Immer mehr meiner Trekking- und Expeditionsgäste und Aktive an sportlichen Aktivitäten konnten altersbedingt oder wegen weiteren Behinderungen nicht mehr teilnehmen. Die Paare mussten sich trennen um einzelne Ferientage zu verbringen. Hier setzte meine erste Idee an. Wie ermögliche ich Ferien für Menschen, welche vereinzelt auf Pflege angewiesen – aber als Paar den Urlaub gemeinsam verbringen möchten? Zudem wollte ich eine Oase der Erholung für die Menschen schaffen, welche im Alltag ihren Partner pflegen und sich dabei selbst nichts mehr Gutes tun. Damit war die Idee von Vivo bene entstanden.

«Besonders der hohe Respekt der Thailänderinnen und Thailänder vor älteren Menschen und ihre Wertschätzung für sie haben mich angespornt.»

Wieso haben Sie das Projekt in Thailand umgesetzt?

Seit 36 Jahren bin ich als Gast in den Norden von Thailand unterwegs. Zu Fuss, auf Elefantenrücken, mit Booten und verschiedensten Fahrzeugen habe ich Land, ganz besonders die Leute kennen gelernt. Thailand bot mir nun die Möglichkeit, in einem sehr angenehmen Klima mit wunderbaren Menschen zu vernünftigen Kosten thailändische Herzlichkeit und Respekt vor dem Alter mit schweizerischer Qualität zu verbinden. Besonders der hohe Respekt der Thailänderinnen und Thailänder vor älteren Menschen und ihre Wertschätzung für sie haben mich angespornt.

Verbringen Ihre Gäste einige Wochen zur Erholung im Resort oder wollen sie tatsächlich ihren Lebensabend vor Ort verbringen?

Wir haben in kurzer Zeit viele gute Erfahrungen gesammelt. Die Gäste verbringen einige Wochen in unserem Village zur Erholung und testen dabei sich selbst und unser Vivo bene-Angebot. Sie machen sich dabei Gedanken, ob sie eventuell für längere Zeit bei uns bleiben wollen. Gäste und ihre Hausärzte bestätigen bereits, dass 11 Monate Heimpflege und 1 Monat Vivo bene nicht nur beste Erholung für Pflegende und Gepflegte sind, sondern dass dank diesem Monat die Heimpflege wesentlich verlängert werden kann. Selbstverständlich sind wir aber auch offen für Menschen, die länger bleiben wollen.

Die Pflege und Betreuung ist für den Erfolg des Projekts elementar. Wie ist diese organisiert, welche Ausbildung haben die Pflegenden genossen? Und wie präsentiert sich die medizinische Versorgung?

Pflege und Betreuung standen am Anfang unserer Planung und sind stets die wichtigsten, sich dauernd entwickelnden Elemente bei Vivo bene. Unser Fachbeirat mit Doris Ermini-Fünfschilling, Germaine Eze, Dr. med. Christoph Held, Prof. Andreas Monsch und Dr. med. Irene Bopp-Kistler entwirft nicht nur Konzepte, sondern ist monateweise im Vivo bene Village zur Aus- und Weiterbildung nicht nur der diplomierten Schweizerischen und thailändischen Pflegefachleuten, sondern auch für alle, vom Hotelmanager, über den Koch zum Fahrer und Gärtner. Sie alle sind ein integrierter Teil von Pflege und Betreuung.

In unserem Carehaus mit Beauty- und Coiffeursalon, medizinischer und thailändischer Massage befinden sich sowohl eine Arztpraxis wie Krankenzimmer. Unser Partnerspital, das Rajavej Chiang Mai Hospital mit der bekannten Ärztin Prof. Dr. Kannika ist zuständig für die medizinische Versorgung im Notfall. Sie werden unterstützt von einem im Nachbardorf lebenden, pensionierten Schweizer Hausarzt. In jedem der sechs  Pavillons ist eine deutschsprechende Pflegekraft.

Die tieferen Kosten als in der Schweiz werden immer wieder als Grund für die Pflege und Betreuung von Menschen mit Einschränkungen im Ausland genannt. Aber auch 5800 Franken exkl. einer Begleitperson für das günstigste Domizil-Angebot sind ein stolzer Preis…

Ferien und Pflege mit der erwähnten Formel von 11 Monaten Heimpflege und 1 Monat Pflege soll über das Verschreiben von Hausärzten krankenkassenpflichtig werden. Deutschland hat uns hier bereits überholt und bezahlt dafür einmal jährlich bei diagnostizierten Pflegestufen ca. EUR 1‘600.-. Sobald sie Preis und Leistung vergleichen, sind CHF 4‘300.- pro Monat für Vollpension, Pflegebereitschaft und vielen Extraleistungen kostengünstig. Da der Partner im gleichen Zimmer für gleiche Leistungen lediglich CHF 1‘500.- bezahlt, kann ein Paar für weniger als CHF 200.- pro Tag gepflegt werden und sehr angenehm leben. Für die Vollpflege, die wir unabhängig von Pflegestufen anbieten, sind nur CHF 50.- pro Tag zusätzlich zu bezahlen. Und dies trotz individueller Pflege und Aktivitäten über täglich 24 Stunden. Fazit: Wir sind sehr kostengünstig und bieten eine professionelle Pflege kombiniert mit tollen Erholungsmöglichkeiten für den gesunden Partner und das alles eingebettet in einem top modernen Village.

Rechnen Sie damit, dass zumindest Teile dieser Aufwände künftig von den Krankenkassen oder Gesundheitsdiensten übernommen werden könnten?

Wir glauben, dass sich die Gesellschaft noch nicht bewusst ist, welche Kosten und Heimplatzprobleme die stets älter werdende Bevölkerung verursachen wird. Krankenkassen und die Öffentliche Hand werden sehr bald dort ihre Beiträge leisten, wo die Heimpflege durch monatliche „Pflegeoasen“ wie Vivo bene verlängert werden kann oder kostengünstigere, aber fachlich hochwertige Institutionen, unabhängig ihres Standortes, beste Pflege und Betreuung anbieten.

«Wir glauben, dass sich die Gesellschaft noch nicht bewusst ist, welche Kosten und Heimplatzprobleme die stets älter werdende Bevölkerung verursachen wird.»

Es gibt viele Projekte für die Betreuung von demenzkranken Menschen aus Europa in Thailand. Schnell sehen sich Angehörige dem Vorwurf ausgesetzt, die Patienten «abzuschieben». Verstehen Sie solche Vorbehalte?

Ja, es gibt viele geplante, aber wenig realisierte und auch funktionierende Projekte, nicht nur in Thailand. Leider ist die Pflege von Menschen mit Behinderungen, besonders für Menschen mit Demenz, oft zum Rettungsanker für schlecht ausgelastete Resorts geworden. Es empfiehlt sich daher dringend, bei der Wahl einer Institution im Ausland vorsichtig zu sein und dringend auch die Ausbildung und Diplome des Pflegepersonals zu prüfen. Wichtig sind auch Stimmen von ehemaligen Gästen, welche das Setting vor Ort beurteilen können.  Vorbehalte basieren oft auf Unkenntnis der wirklichen Situation. Vivo bene wird keinen Gast aufnehmen, der nicht freiwillig und gerne zu uns kommt. Jeder Gast durchläuft ein bewährtes Aufnahmeverfahren in einer anerkannten Memory-Klinik in der Schweiz. Wir wählen unsere Gäste sehr sorgfältig und bewusst aus.

Den Erfolg des «Vivo bene Village» vorausgesetzt – planen Sie den Bau weiterer Anlagen?

Ich bin nun 69 Jahre alt. Vivo bene in Doi Saket in Chiang Mai ist mein Herzensprojekt. Ein Herz lässt sich nicht teilen. Mögen es meine Partner tun, ich bleibe und betreue das Original.

Herr Rutz, besten Dank für das Interview.

Das Haupthaus der Vivo bene-Anlage in Thailand. (Foto: Vivo bene)

Zur Person:
Hinter dem Vivo bene Village steckt der Basler Unternehmer Bernhard Rutz. Der 68jährige Macher hat eine faszinierende Lebensgeschichte. Vom Behindertenbetreuer zum Entwickler innovativer Konzepte für die Wirtschaft bis hin zum Vermittler zu fremden Kulturen. Heute konzentriert Rutz seine Kräfte voll auf seine Stiftung für Kinder in Nepal und auf das einzigartige Vivo bene Village.

Ausgebildet als Primarlehrer und diplomierter Heilpädagoge engagierte sich Bernhard Rutz in den 60er und 70er Jahren für verschiedene Institutionen, die sich um die Schulung und Eingliederung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen kümmerten.

„Menschen unterschiedlicher Kulturen faszinieren mich“
Ende der 70er Jahre wechselte er in die Reise-, Sport- und Freizeitbranche und gründete 1979 „Bernhard Trekking“ sowie 1980 seine Agentur BRO AG. Er organisierte über Jahrzehnte weltweit Trekking- und Abenteuerreisen – zu Fuss quer durch Papua-Neuguinea, von der Quelle bis zur Mündung des Amazonas oder Touren in den Anden und im Himalaya. „Menschen aus unterschiedlichen, fremden Kulturen zusammenzubringen hat mich immer fasziniert“, sagt Bernhard Rutz. „Sehr wichtig war für mich deshalb auf meinen Reisen immer der direkte Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung.“

Erfinder des „UBS Key Clubs“ und von „Rent a Bike“
Mit seiner Agentur war Rutz auch in anderen Bereichen höchst innovativ und erfolgreich: Er entwickelte und realisierte die „Ski open“-Rennen des Bankvereins. 1987 lancierte er das damals weltweit neue System „Rent a Bike“ an den Bahnhöfen der Schweiz mit über 100’000 Velo-Vermietungen jährlich. Dann gründete er zusammen mit den SBB die Firma „Bahn aktiv AG“, die Vorläuferin der heutigen „Railaway“.

1995 schuf er für den damaligen Bankverein den heutigen „UBS Key Club“ zur Kundenbindung. Im Auftrag von Bundesrat Adolf Ogi und für Schweizer Unternehmen war die BRO AG für die Kandidaturen von Sion für die Winterolympiade für Kommunikation, Eventorganisation und Sponsoring tätig. Nach der Gründung der Swiss leitet er bis 2005 im Auftrag die Abteilung Sponsoring und Events weltweit.

Engagements in Nepal und Thailand
Durch seine Trekkingtouren hatte Rutz seit den 70er Jahren eine intensive Beziehung zu Nepal entwickelt. Das Elend von Kindern und Jugendlichen in dieser Region hat ihn zunehmend beschäftigt. 1982 gründete er deshalb zusammen mit seiner Frau Ruth Rutz die Prabina-Stiftung in Nepal. Sie bietet heute 80 Kindern und Jugendlichen eine Ersatzfamilie, sorgt für ihre Ausbildung, einen Arbeitsplatz und damit eine sichere eigene Existenz.

In den letzten Jahren hat sich Bernhard Rutz zunehmend mit dem Leben im Alter und chronischen Alterskrankheiten beschäftigt. Es entstand für ihn ein neues Ziel. Er wollte ein neue und einzigartige Institution bauen und betreiben, die Dementen das Leben als Persönlichkeit ermöglicht. Gleichzeitig soll sie Ferien und Pflege kombinieren. Eine Grundlagenstudie, die Rutz mit der Fachhochschule Nordwestschweiz erstellt hat, zeigte klare Bedürfnisse in diesem Bereich. „Das Ergebnis ist Vivo bene in Thailand“, sagt Rutz mit etwas Stolz. „Gebaut nach neusten Erkenntnissen von Medizin und Pflege.“ Bernhard Rutz verbringt inzwischen einen grossen Teil seiner Zeit in Thailand, wo er den Aufbau des Village persönlich geleitet hat.

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