Berno Stoffel, Direktor Seilbahnen Schweiz, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Stoffel, der Sommer ist vorbei und Sie können ein positives Fazit ziehen. Die Umsatz- und Ersteintritts-Zahlen liegen nicht nur zum Vorjahr deutlich höher, sondern auch im 5-Jahres-Vergleich. Welches Fazit ziehen Sie?
Berno Stoffel: Wir können ein positives Fazit ziehen. Die sehr guten Wetterverhältnisse besonders vom Mai bis anfangs September haben durchgehend für gute Frequenzen gesorgt. Wir liegen im 5-jährigen Durschnitt aktuell mit 5% im Plus. Dies ist besonders dem Zuwachs an internationalen Gästen zu verdanken. Die internationalen Märkte beginnen sich zu erholen, auch wenn die chinesischen Gäste wegen der Corona-Politik weiterhin fehlen.
Nach den Corona-Saison warten nun bereits wieder grosse Herausforderungen hinsichtlich der Wintersaison. Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die hohe Inflation in Europa und der entsprechend geringeren Kaufkraft?
Neueste Marktuntersuchungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zeigen, dass die Buchungssituation für den kommenden Winter sehr gut ist. Daraus lässt sich schliessen, dass die Gäste (noch) nicht auf die Winterferien verzichten wollen. Es ist jedoch gut möglich, dass die Ausgaben in den Winterferien weniger hoch sein werden als in den vorherigen Jahren und dadurch weniger Wertschöpfung generiert wird.
Die Corona-Situation ist schwierig vorherzusagen, aber die Schweiz dürfte diesen Winter kein weisser Fleck inmitten geschlossener Skigebiete in Europa sein. Welche Entwicklung erwarten Sie?
Wir erwarten hier eine Stabilisierung der Situation und hoffen auf Planungssicherheit in ganz Europa. Im Umgang mit diesem Thema sollten alle Entscheidungsträger jetzt vom Krisen-Modus in einen Management-Modus wechseln. Dies hat die Schweiz bereits im vergangenen Winter geschafft, trotz starken medialen Drucks.
«Es sind wenige Bahnen, die mit einer Vervielfachung des Preises im nächsten Jahr leben müssen.»
Berno Stoffel, Direktor Seilbahnen Schweiz
Die Stromkosten sind massiv gestiegen und davon sind die Bergbahnen stark betroffen. Haben Sie einen Überblick, wer mit langfristigen Verträgen noch abgesichert ist, und wer jetzt Strom zu zum Teil verzehnfachten Preisen einkaufen muss?
Dank unserer Nähe zu den Bergbahnen kennen wir die Situation der verschiedenen Bahnen. Die allermeisten Bahnen haben den Ernst der Lage frühzeitig erkannt und Lösungen mit den Stromlieferanten gefunden. Es sind wenige Bahnen, die mit einer Vervielfachung des Preises im nächsten Jahr leben müssen.
Wie existenzbedrohend sind diese Preise gerade für kleine und mittlere Bahnen?
In der Schweiz können nur Grossverbraucher (>100’000 kWh) den Strom auf dem freien Markt beziehen, wo die Preise bekanntlich markant gestiegen sind. Die meisten kleinen und mittleren Bergbahnen sind in der Grundversorgung, dh beziehen ihren Strom gemäss den Tarifen der öffentlichen Versorgung. In dieser Kategorie sind die Preiserhöhungen viel weniger massiv. Die Planungssicherheit ist hier auch viel höher. Dadurch sind die kleinen Bahnen viel weniger von diesen Preiserhöhungen betroffen.
Inwieweit lassen sich die steigenden Beschaffungskosten auf die Ticketpreise abwälzen?
Inwiefern jetzt die Preise angepasst werden müssen, bleibt jedem Bergbahnunternehmen selbst überlassen. Aktuell lässt sich keine eindeutige Tendenz feststellen. Bergbahnen mit massiv höheren Stromkosten haben ihre Preise angepasst, andere sind hier zurückhaltender. Wir stellen allgemein eine sehr hohe Sensibilität und Sorgfalt fest, wenn es um Preiserhöhungen geht.
«Aktuell lässt sich keine eindeutige Tendenz feststellen. Bergbahnen mit massiv höheren Stromkosten haben ihre Preise angepasst, andere sind hier zurückhaltender.»
Im Fall einer Strommangellage könnte der Bund den Betrieb der Bergbahnen einstellen. Können Sie sich das Szenario vorstellen?
Wir haben in der Corona-Krise gelernt, dass jedes Szenario geplant werden muss, auch wenn wir dies aktuell als nicht realistisch betrachten. In diesem Sinne bereiten wir uns auch auf dieses Szenario vor.
Stehen Sie in Kontakt mit den Behörden?
Wir stehen seit Juli in Kontakt mit den verschiedenen Behörden, und versuchen auch hier, wiederum gute Rahmenbedingungen für die Branche zu schaffen. Dabei gehen wir pragmatisch und konstruktiv mit dem Thema um. Unsere Meinung wird gehört, unsere Argumentationen werden aufgenommen und unsere Lösungsvorschläge diskutiert. Es ist für uns selbstverständlich, dass wir auch im Rahmen der freiwilligen Sparmassnahmen als Branche unseren Beitrag leisten wolle. Rein aus ökonomischen Gründen ist dies bereits angezeigt.
«Wir setzen uns ein, dass der unternehmerische Spielraum für die Senkung des Stromverbrauchs gewahrt bleibt, und so möchten wir verhindern, für alle Unternehmen die gleichen Massnahmen zu definieren.»
Welche Möglichkeiten prüfen Sie, den Stromverbrauch zu senken?
Wir setzen uns ein, dass der unternehmerische Spielraum für die Senkung des Stromverbrauchs gewahrt bleibt, und so möchten wir verhindern, für alle Unternehmen die gleichen Massnahmen zu definieren. Die Unternehmen sind sehr heterogen aufgestellt. Wir haben ein Simulationstool für die Messung der Einsparungen eingeführt, mit dem die Unternehmen ihre Massnahmen planen und die Einsparung simulieren können. Es liegen 91 Massnahmen in verschiedenen Kategorien (Gebäude, Transport, IT, Marketing, Beschneiung etc.) zur Auswahl vor. Wir planen, nach der Analyse der Wirksamkeit und Durchführbarkeit aller Massnahmen ein Bergbahn-Energie Sparprogramm 2022-23 zu kommunizieren und umzusetzen.
Die Beschneiungs-Technologie hat grosse Fortschritte gemacht und die Anlagen verbrauchen viel weniger Energie als früher. Wo stehen wir heute bezüglich Energieeffizienz des technisch produzierten Schnees?
In der Tat hat sich die Energieeffizienz bei der Beschneiung in den letzten massiv verbessert, dh. für die gleiche Menge Schnee wird heute die Hälfte der Energie benötigt wie vor 20 Jahren. Mittlerweile gibt es sogar Beschneiungsgeräte, welche gänzlich ohne Strom funktionieren. Abgesehen von der Verdunstung geht das Wasser nicht verloren, sondern wird in einem anderen Aggregatszustand gelagert und mit der Schneeschmelze wiederum in den Kreislauf zurückgeführt. Es kommt auch vor, dass Beschneiungsanlagen multifunktional zur Stromproduktion verwendet werden. Diese Entwicklung wird sich noch weiter fortsetzen.
«Allein mit natürlichem Schnee kann heute weder das Angebot noch die Qualität der Pisten garantiert werden.»
Wäre es bei viel natürlichem Schnee eine Möglichkeit, die Beschneiungsanlagen weniger oder gar nicht einzusetzen?
Der Anspruch an top präparierte Skipisten, vom ersten bis zum letzten Tag inkl. Talabfahrt und die technologische Entwicklung der Skier und Snowboards haben die Anforderungen an die Pistenpräparation verändert. Schneesportpisten müssen sehr kompakt präpariert werden, um der Beanspruchung durch WintersportlerInnen gerecht zu werden. Allein mit natürlichem Schnee kann heute weder das Angebot noch die Qualität der Pisten garantiert werden. Und dazu braucht es technischen Schnee, dessen Dichte um ein Mehrfaches höher liegt als natürlicher Schnee
Wenn wir über die aktuelle Lage hinausschauen: Mit dem Klimawandel, höheren Temperaturen und schneearmen Wintern steht dem Wintertourismus und damit den Bergbahnen wohl die grösste Herausforderung überhaupt noch bevor. Mit welchen Gedanken blicken Sie in die Zukunft?
Der Klimawandel findet seit Jahrzehnten statt. Diese Entwicklung ist den Bergregionen besonders spürbar, und die Bergbahnen passen ihre Strategien und Produkte dementsprechend an. Dank der Höhenlage der Skigebiete ist die Schweiz zwar in einer etwas privilegierten Lage, sodass der Wintersport noch lange möglich sein wird. Es ist aber davon auszugehen, dass sich der Prozess des Klimawandels weiter fortsetzen wird. Darauf wird die Branche reagieren müssen.
Als Verband setzen wir beim Thema Nachhaltigkeit einen strategischen Schwerpunkt mit besonderem Fokus auf die Themen Energie und Wasser. Wir wollen begleiten und beraten. Ich bin zuversichtlich, dass die Bergbahnen diese Herausforderungen annehmen und positiv umsetzen werden.
Herr Stoffel, wir bedanken uns für das Interview.