Bruno Cathomen, CEO Mikron Gruppe, im Interview
Bruno Cathomen, CEO Mikron Gruppe. (Foto: Mikron)
von Robert Jakob
Moneycab.com: Herr Cathomen, 2015 ist der langjährige Aufwärtstrend beim Gruppenumsatz gebrochen. Dafür ging es aber mit dem Bestelleingang plötzlich steil bergauf. Das muss doch zu grossen Problemen in der Produktionskette führen…
Bruno Cathomen: Der bekannte Entscheid der Schweizerischen Nationalbank hatte auf die Mikron Gruppe einen erheblichen Einfluss. Währungsbereinigt liegt unser Umsatz 2015 auf dem Vorjahresniveau. Es sind hier also einmalige Effekte zu konstatieren. In der Tat konnte die Mikron Gruppe den Bestellungseingang im zweiten Halbjahr deutlich steigern: auf rund 265 Millionen Franken. Neben dem Umfang der Bestellungen sind vor allem die Art der verkauften Projekte und die vereinbarten Lieferzeiten für das Management der Wertschöpfungskette entscheidend: Wiederholprojekte sind wesentlich sicherer plan- und ausführbar und brauchen bei den kapazitätsintensiven Konstruktions- und Softwareentwicklungen sowie bei der Inbetriebnahme wesentlich weniger Ressourcen als Projekte, die mit neuen Kunden und für neue Produkte des Kunden realisiert werden.
Aber zwischen Bestellverlauf der einzelnen Divisionen gab es doch extreme Unterschiede?
Insgesamt bin ich über den guten Bestellungseingang bei Mikron Automation weit weniger besorgt, als über das teilweise nach wie vor zögerliche Bestellverhalten der Kunden von Mikron Machining. Die Bestellungen sind ein guter Mix aus Wiederhol- und Erstprojekten. Zudem haben die Management- und Projektteams von Mikron Automation in letzter Zeit bewiesen, dass sie teilweise sehr grosse und anspruchsvolle Projekte planmässig abwickeln können. Was uns dank dem plattformbasierten Aufbau der Montageanlagen sicher auch hilft, ist die Fähigkeit, Unterprojekte und Montagetätigkeiten intern zu verlagern und gegebenenfalls Fachleute regional zu verschieben. Ich gehe also davon aus, dass wir in der Produktionskette keine unüblichen Probleme haben werden, und dass wir die anstehenden Aufgaben auch in der Konstruktion, der Softwareentwicklung und der Inbetriebnahme zur Zufriedenheit unserer Kunden meistern werden.
«Die Anzahl Anfragen aus nichteuropäischen Regionen nimmt im Moment zu und unsere Serviceorganisation geniesst sowohl in USA wie auch in Asien einen sehr guten Ruf.»
Bruno Cathomen, CEO Mikron
Machining, im Moment eben Mikron’s Sorgenkind, macht 72 Prozent seines Umsatzes in Europa. Ist das der Knackpunkt?
Sicher ist Mikron Machining stark von der Europäischen Investitionsgüterindustrie, allen voran von der Investitionsstimmung der deutschen Automobilindustrie abhängig. Damit ist die Division dem Kosten- und Währungsdruck aus dem Euroraum ausgesetzt, wo auch ein Grossteil der Konkurrenz herkommt. Das Werkzeug- und Servicegeschäft von Mikron konnte sich in diesem Umfeld gut behaupten. Auch in den USA und in Asien gewinnen wir regelmässig umfangreiche Kundenprojekte und arbeiten intensiv daran, diese Geschäfte auszubauen. Die Anzahl Anfragen aus nichteuropäischen Regionen nimmt im Moment zu und unsere Serviceorganisation geniesst sowohl in USA wie auch in Asien einen sehr guten Ruf. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass unser Werkzeuggeschäft über die letzten paar Jahre vor allem in den USA gewachsen ist.
In der Division Machining haben Sie die Verkaufsorganisation in USA und China verstärkt. Also rechnen Sie dort mit deutlich grösserem Potential als auf dem alten Kontinent…
Wir glauben weiterhin sehr an das Potential in Europa und vor allem auch an jenes in Deutschland. Unsere bisherigen Kunden werden wir auf keinen Fall vernachlässigen. Um zusätzliches Wachstum zu generieren, sehen wir kurz- aber auch langfristig vor allem Potential in China und im südasiatischen Raum. Auch in den USA wollen wir neben Automationslösungen und Werkzeugen in Zukunft wieder vermehrt spanabhebende Maschinen verkaufen. Es ist also richtig, dass wir in diesen Regionen Potential sehen; entsprechend haben wir auch die Verkaufs- und die Serviceorganisationen vor Ort ausgebaut.
Im Bereich Automation waren 2015 vor allem die Automobilbauer als Kunden zurückhaltend. Das ist eigentlich unverständlich, denn die weltweite Autokonjunktur brummt doch noch immer, und auch Asien läuft nicht wirklich schlecht…
Die weltweite Nachfrage nach Autos ist ungebrochen gut. Es deutet zurzeit auch nichts auf ein Ende dieses Trends. Das generelle Umfeld allerdings ist von grossen Unsicherheiten geprägt, was sich insbesondere auf grosse und langfristig angelegte Investitionen negativ auswirkt. In solch einem Umfeld entscheidet sich der Kunde nicht immer für die perfekte, hochproduktive Anlage von Mikron, sondern manchmal auch für eine weniger leistungsfähige, preisgünstigere Variante.
«Basierend auf den Auftragseingängen im Jahr 2015 gehe ich davon aus, dass die Mikron Gruppe im laufenden Geschäftsjahr den grössten Umsatzanteil mit Kunden aus der Pharma- und Medizinalgeräteindustrie erzielen wird.»
Sie setzen grosse Hoffnung auf die Medizinalgeräte- und Pharmaindustrie. Könnte diese bald einmal die Hälfte des Umsatzes vom Bereich Automation ausmachen?
Mikron Automation ist in den letzten Jahren vor allem mit Kunden aus der Medizinal- und Pharmaindustrie gewachsen, und der Umsatz aus dieser Branche hat die 50 Prozen bereits überschritten. Im Geschäftsjahr 2015 lag dieser Anteil bei 70. Sowohl in Europa wie auch in den USA ist es uns regelmässig gelungen, Neukunden mit grossem Potential für Folgeaufträge zu gewinnen. Das generelle Wachstum in dieser Branche scheint langfristig intakt zu sein, und ich bin überzeugt, dass wir für diese Kunden ein ausgezeichneter Partner sind.
Damit würde die Automobilindustrie als Kunde auf Platz 2 verdrängt…
Das ist richtig. Basierend auf den Auftragseingängen im Jahr 2015 gehe ich davon aus, dass die Mikron Gruppe im laufenden Geschäftsjahr den grössten Umsatzanteil mit Kunden aus der Pharma- und Medizinalgeräteindustrie erzielen wird. Die Automobilindustrie bleibt allerdings ein sehr wichtiger Markt für Mikron.
Welche weiteren Diversifizierungsschritte hat die Mikron Gruppe im Sinn?
Wir werden den Fokus auf die beiden heutigen Kerngeschäfte beibehalten: hochproduktive, präzise und applikationsspezifische Produktionsanlagen, extrem leistungsfähige Werkzeuge und zuverlässige, globale After-Sales-Services. Wir sind daran, diese Aktivitäten weltweit zu stärken, was bereits ausgleichend und diversifizierend wirken sollte, da normalerweise nicht alle Regionen die gleichen Zyklen aufweisen. Wir arbeiten bereits heute regelmässig auch für Kunden ausserhalb der Pharma- und Automobilindustrie. Neben den angestammten, aber weniger grossen Marktsegmenten mit Bedarf nach hochproduktiven Anlagen (unter anderem Schreibgeräteindustrie, Elektro- und Uhrenindustrie), wollen wir auch in anderen Bereichen, in denen höchste Präzision in Verbindung mit anspruchsvollen Materialien gefragt ist, weiterwachsen.
Wie sieht es bei Mikron Tool an der Salärfront aus? Da wurde ja der Lohn an den Eurokurs gekoppelt.
In Absprache mit unseren Mitarbeitern haben wir den Lohn bei Mikron Tool im Tessin für eine gewisse Zeit tatsächlich an den Eurokurs gekoppelt, oder es wurde Mehrarbeit vereinbart. Dank erfolgreicher Umsetzung effizienzsteigernder Massnahmen konnten wir die Lohnanbindung und die zusätzlichen Arbeitsstunden bereits im Herbst 2015 wieder aufheben. Dazu beigetragen haben die in den Vorjahren getätigten Investitionen in neue, produktivere Maschinen und Logistiksysteme. Zudem wurden unsere überzeugenden Werkzeuge das ganze Jahr hindurch gut verkauft, was für eine gute Auslastung sorgte: Es ist uns im Tessin gelungen, wesentlich mehr und anspruchsvollere Werkzeuge mit gleich vielen Mitarbeitenden herzustellen. Allerdings bleibt der Kostendruck in der Schweiz enorm. Wir werden daher unsere Strategie fortführen und die Produktionskapazität für Werkzeuge vor allem in Deutschland ausbauen, um das angestrebte Wachstum abzustützen.
«Die Ausgangslage ist für Mikron Automation derzeit günstiger als bei Mikron Machining.»
Wo wünschen Sie sich als leidgeprüfter Schweizer Maschinenbauer den Eurokurs, wenn Sie zaubern könnten?
Da ich nicht zaubern kann, möchte ich hier auch keine unrealistischen Wünsche äussern. Wir planen im Moment mit einem Eurokurs zwischen 1.05 und 1.10.
Was hat im 2. Halbjahr 2015 bei Automation in Europa zum ungewöhnlich grossen Bestelleingang geführt?
Wachstum in diesem Aussmass ist immer ein Resultat verschiedener Effekte. Sicherlich ist der Bedarf nach Pharmazeutika und Medizinalgeräten generell gestiegen und wird voraussichtlich auch weiter zunehmen. Davon profitierten nicht nur wir bei Mikron. Dank unserer äusserst starken Marktstellung in Europa, vorbildlicher Leistung in der Vergangenheit und einer guten Reputation bei unserer Stammkunden konnten wir überproportional vom positiven Trend profitieren. Erfreulich ist auch, dass wir in dieser Branche in den USA ebenfalls gut Fuss fassen und diverse grosse Neukunden dazugewinnen konnten.
Wann kann Mikron wieder eine EBIT-Marge über 4 Prozent schaffen?
Bei Mikron Automation haben wir diesen Wert 2015 beinahe erreicht. Leider war Mikron Machining davon weit entfernt. Die Profitabilität der Mikron Gruppe ist neben der Qualität des Auftragsbestandes – sprich Erst- oder Wiederholprojekte – von einer soliden Projektabwicklung und auch sehr stark von der Kapazitätsauslastung der einzelnen Standorte abhängig. Hier ist die Ausgangslage für Mikron Automation derzeit günstiger als bei Mikron Machining. Wie bei der Veröffentlichung unserer Jahreszahlen erläutert, erwarte ich für das 2016 eine klare Steigerung des Umsatzes und eine Verbesserung des EBIT.
Die Beteiligungsgesellschaft Veraison hält mittlerweile über ein Zehntel der Mikron-Aktien. Haben Sie die Leute schon einmal getroffen?
Ja, ich habe die Vertreter von Veraison bereits kennengelernt, und sie haben auch die beiden Standorte in der Schweiz besichtigt. Wir pflegen mit Veraison wie mit allen unseren Aktionären eine gute Beziehung.
Zur Person
Bruno Cathomen übernahm per 1. Oktober 2011 die operative Führung der Mikron Gruppe als CEO, zusätzlich zu seiner Funktion als Leiter der Division Mikron Machining. Er ist seit dem Jahr 2009 bei der Mikron Gruppe tätig. Davor war er von 2001 bis 2009 bei der Firma Elcoteq Network Corporation. Von 1994 bis 2001 arbeitete Cathomen in verschiedenen Führungsfunktionen bei ABB, wo er zuletzt für das strategische Outsourcing der Elektronik-Produktion in der Schweiz zuständig war.
Zum Unternehmen
Die Mikron Gruppe entwickelt und vertreibt seit über 100 JahrenFertigungs- und Automatisierungslösungen für hochpräzise Herstellungsprozesse und ist ein weltweit tätiger, führender Partner von Unternehmen in der Automobil-, der Medizinalgeräte- und Pharma-, der Konsumgüter-, der Schreibgeräte- und der Uhrenindustrie. Die beiden Divisionen Mikron Automation und Mikron Machining mit Zusammen 1200 Mitarbeitenden haben ihren Hauptstandort in der Schweiz (Boudry und Agno). Zusätzliche Produktionswerke befinden sich in Deutschland, Singapur, China und den USA. Die Aktien der Mikron Holding AG werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt (MIKN).