Bruno Richle, CEO Crealogix. (Foto: Crealogix)
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Richle, wäre Edward Snowden nicht ein perfekter Werbeträger für Crealogix?
Bruno Richle: Sicherheit und Transparenz haben bei Crealogix einen hohen Stellenwert. Nicht Personen, sondern die Qualität unserer Produkte und zufriedene Kunden sind unsere besten Werbeträger.
Datendiebstal ist seit der NSA-Schnüffelaffaire schon fast hoffähig. Kann Ihre Firma auch was gegen die Geheimdienste anbieten?
Ja, mit unseren Sicherheitsprodukten schützen wir die Daten unserer Kunden vor unbefugtem Zugriff und Manipulationen – und dies sowohl zu Hause auf dem PC als auch unterwegs auf den mobilen Geräten.
Als E-Banking-Sicherheitslösung beim Endkunden setzt Ihre Firma auf das Sentinel-System. Kann ein Hacker das klassische PIN/TAN-Verfahren einfach aushebeln?
Nein. Dank dem gehärteten Browser, welcher ein Kernstück des Sentinels darstellt, ist auch das Authentisierungsverfahren mit PIN/TAN nach wie vor sicher.
«Dass es Betrugsfälle oder Betrugsversuche gab, ist uns bewusst. Die Frage bezüglich betrügerisch fehlgeleiteten Zahlungen können nur die Banken selber im Detail beantworten.»
Bruno Richle, CEO Crealogix
Die meisten Hackerattacken kommen mittlerweile aus dem Browser, sind aber oft noch ziemlich primitiv. Kennen Sie in der Schweiz schon Fälle, wo Hacker eine scheinbar ordnungsgemässe Überweisung auf ein Gaunerkonto umgeleitet haben?
Es ist richtig, dass viele Attacken heute die normalen Browser angreifen. Diese Schädlinge sind sehr professionell und weit entwickelt. Und genau darum empfiehlt Crealogix den Einsatz eines gehärteten Browsers. Dass es Betrugsfälle oder Betrugsversuche gab, ist uns bewusst. Die Frage bezüglich betrügerisch fehlgeleiteten Zahlungen können nur die Banken selber im Detail beantworten.
Sie haben sich mittlerweile vom Softwaredienstleister zum Produktentwickler gemausert. Das gibt Ihnen sicherlich eine grössere Preisfestsetzungskraft und Margenstabilität, richtig?
Der Hauptgrund für die Entwicklung zum Produktentwickler liegt in der Skalierbarkeit. Wenn man international wachsen möchte, ist dies als Produkthaus besser möglich. Die grössere Margenstabilität ist dabei ein willkommener Nebeneffekt.
EBIT-Marge und vor allem EKQ von Crealogix sind sehr solide. Sie nannten aber einmal 100 Millionen Franken Umsatz als Ziel. Davon ist man weit entfernt. Wo können Sie dieses Volumen im Ausland reinholen?
Durch unsere Fokussierung auf die Finanzindustrie sehen wir grosses Potenzial, einen Teil des Umsatzwachstums ausserhalb der Schweiz zu erzielen. Alleine Deutschland – der aktuelle Konjunkturmotor Europas – ist zehn Mal grösser als die Schweiz. Wir machen aber noch nicht einmal ein Viertel von unserem gesamten Umsatz dort. Deutschland ist also im Kontext unserer Wachstumsziele sehr wichtig.
In den letzten Jahren haben Sie einige Kooperationen in Deutschland aufgebaut. Im Nordkanton ist man ja sehr vorschriftslastig. Das müsste ja auch sehr umsatztreibend sein…
Ich sehe unser Umsatzwachstum nicht primär im regulativen Umfeld sondern darin, dass es in Deutschland viel mehr Direktbanken gibt, die zu 100 Prozent auf die digitalen Bankkanäle setzen und diese stark ausbauen. Genau in diesem Bereich sind wir heute führender Anbieter von Produkten.
«Ich sehe unser Umsatzwachstum nicht primär im regulativen Umfeld sondern darin, dass es in Deutschland viel mehr Direktbanken gibt.»
Sicherheitstechnisch gehärtete mobile Apps, die den sicheren Zugang zum Mobile Banking ermöglichen, werden sicherlich in den nächsten Jahren sehr gut laufen. Welche Wachstumsraten planen sie für diese Produkte ein?
Das Interesse für diese Produkte ist tatsächlich stark gestiegen. Wir erwarten in diesem spezialisierten Markt auch weiterhin positive Wachstumsraten.
Wie wird es bei den Beleglesern und Scannern aussehen?
Solange es in der Schweiz den Einzahlungsschein gibt und sich die elektronische Rechnung nicht zum Standard durchsetzt, wird es für unsere Belegleser, Maus- und Mobile-Scanner einen interessanten Markt geben.
Qontis, die mit der NZZ zusammen zu entwickelnde persönliche Finanzplanungsplattform, soll jetzt im Herbst lanciert werden. Aber erst am 20. August wurde dazu eine gemeinsame Gesellschaft gegründet. Wie soll denn das gehen?
Crealogix muss als Technologiepartner von Qontis das Rad nicht erst erfinden, sondern kann bezüglich technischer Lösungen auf einen guten Fundus zurückgreifen.
Welche Wachstumserwartungen hegen Sie für Ihre mobile Lernsoftware?
Wir gehen von einem Wachstum im zweistelligen Prozentbereich aus.
Träumen Sie eigentlich nachts von der Killer App?
Nein, ich habe einen guten Schlaf.
Zur Person:
Bruno Richle, geb. 25.Jan. 1957. Nach seinem Studium der Elektrotechnik mit Vertiefung in Informatik und Nachrichtentechnik an der Hochschule für Technik (HSR) in Rapperswil war Bruno Richle von 1985 bis 1989 im Bührle Konzern tätig. Dabei war er ab 1986 als Leiter der Abteilung Electronic Engineering bei der Oerlikon Aerospace in Montreal (Kanada) für die Elektronik des Lenkwaffensystems ADATS zuständig. Von 1990 bis 1996 wirkte er als Mitglied der Geschäftsleitung und Technischer Direktor bei der Teleinform AG in Bubikon. 1996 war er Gründungsmitglied der Crealogix, die im Jahr 2000 unter seiner Führung an die Schweizer Börse ging. Weitere Verwaltungsratsmandate: Yachtwerft Portier AG; Elektrizitätswerk Jona-Rapperswil AG (EWJR). Stiftungsratsmandate: Stiftung FUTUR und Innovationsstiftung der Schwyzer Kantonalbank sowie Mitglied des Hochschulrates der Hochschule für Technik in Rapperswil (HSR).
Zum Unternehmen:
Die CREALOGIX Gruppe ist ein führendes unabhängiges Softwarehaus in Europa und Schweizer Marktleader für E-Banking, E-Payment und Education. Unter dem Begriff „Bank 2.0“ entwickelt und implementiert Crealogix Lösungen für die digitale Bank von morgen. Im Fokus stehen dabei die veränderten Kundenbedürfnisse nach Mobilität, Sicherheit, personalisierter Beratung .Die Aktien der Crealogix Holding AG (CLXN) werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. Gegründet im 1996, erzielt die Gruppe mit über 250 Mitarbeitenden einen Jahresumsatz von rund 50 Millionen Franken.