von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Stiegeler, die WIR Bank hat wieder ausgesprochen solide Zahlen fürs vergangene Jahr geliefert. Im Hypothekargeschäft gab es aber überraschenderweise 2020 kein Wachstum. Worauf führen Sie das zurück?
Bruno Stiegeler: Die Aussage, dass kein Wachstum stattgefunden hat, muss ich korrigieren. Hier müssen wir zunächst einen Einmaleffekt berücksichtigen: Ein Grosskunde unserer Bank hat Immobilien an einen Anlagefonds veräussert – und so wurden Hypotheken von deut-lich über 100 Millionen Schweizer Franken zurückgeführt. Und trotzdem hat die WIR Bank hat im Hypothekargeschäft in Schweizer Franken im vergangenen Jahr ein Wachstum von 1,4 Prozent verzeichnet.
Es ist aber richtig, dass die gesamten Hypothekarforderungen praktisch auf dem Vorjahreswert stagnierten…
Deshalb, weil WIR-Hypotheken auf Grund des weggefallenen Zinsvorteils im historischen Tiefzinsumfeld amortisiert worden sind und das Wachstum bei den Franken-Krediten «eliminierten». Wie wir ferner mit dem Jahresergebnis bekanntgegeben haben, verzeichneten wir im Ausserbilanzgeschäft Ende 2020 ein Volumen von 186 Millionen unwiderruflichen Zahlungsversprechen für neue Kreditgeschäfte, was einer Zunahme von 60 Millionen oder 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Und «last but not least» sind im Wachstum von 9,5 Prozent bei den «Forderungen gegenüber Kunden» etliche Baukredite enthalten, die 2021 in Hypotheken gewandelt werden.
Spätestens Ende 2021 ist der Libor Geschichte; neu basieren Finanzierungen auf dem Referenzzinssatz SARON. Die WIR-Bank wendet für die Berechnung den «Period Shift» an, will heissen, der Kunde weiss seinen Hypothekensatz bis zu einem halben Jahr im Voraus. Kostet das die WIR-Bank Geld? Die Zinsen werden ja irgendwann einmal steigen müssen.
Ganz wichtig: Wir haben uns für die kundenfreundlichste Variante entschieden. Uns ist es wichtig, dass die Kunden stets volle Transparenz haben und jederzeit wissen, wieviel Zinsen sie zahlen müssen. Kundinnen und Kunden ermöglichen wir – im Falle eines Zinsanstiegs – auch den Wechsel von der Geldmarkthypothek in eine Festzinshypothek. Ja, einverstanden, das könnte die WIR Bank bei steigenden Zinsen etwas kosten. Aber wir erachten das Handling von Zinsschwankungsrisiken – und wir sprechen hier von drei Monaten – als absolute Kernkompetenz einer Bank. Deshalb arbeiten wir entsprechend mit Risikolimiten und Absicherungen.
«Wir erachten das Handling von Zinsschwankungsrisiken – und wir sprechen hier von drei Monaten – als absolute Kernkompetenz einer Bank.»
Bruno Stiegeler, CEO WIR Bank Genossenschaft
Wissen Sie schon, wie die ersten SARON-Produkte ab Sommer 2021 aussehen werden?
An den Produkten per se ändert sich nichts: Die WIR Bank bietet für Privat- und Firmenkunden weiterhin Geldmarkthypotheken mit Laufzeiten von drei und fünf Jahren an. Einzig der Referenzzinssatz heisst nicht mehr LIBOR, sondern SARON. Und noch einmal zu betonen: Die Geldmarkthypothek der WIR Bank kann jederzeit in eine Festzinshypothek gewandelt werden.
Die Mehrwert-Hypothek in WIR zahlt dem Kunden sogar Geld aus. Eigentlich müsste das doch zu einem Run auf Ihre Hypotheken führen?
Die Mehrwert-Hypothek WIR ist in der Tat in ihrer Konstruktion einzigartig: Auf den WIR-Anteil einer Neufinanzierung erhält der Kunde während fünf Jahren einen Zins von 1,5 Prozent ausbezahlt – und nicht umgekehrt. Das Produkt, das insbesondere unseren WIR-Kunden, also KMU oder Geschäftsinhaberinnen und -inhabern zur Verfügung steht, haben wir deshalb konzipiert, um unseren WIR-KMU den historischen Zinsvorteil bei Finanzierungen in der WIR-Währung offerieren zu können. Auch wenn wir nicht von einem «Run» sprechen können, so ist das Produkt doch durchaus beliebt.
Was kann man noch machen, um die WIR-Währung durchzusetzen? Gibt es Lehren von den Kryptos?
Die ganze Diskussion rund um Kryptowährungen hilft in der Wahrnehmung auch der WIR-Währung. Trotzdem grenzt diese sich von ihrem Charakter komplett ab: Wir reden bei WIR von einer Komplementärwährung, die in aller Regel zusammen mit einem Schweizer-Franken-Anteil zum Zug kommt. Und hinter der WIR-Währung steht – im Gegensatz zu den Kryptoanbietern – eine Schweizer Bank mit Banklizenz seit 1936; sprich ein Unternehmen, das strengstens reguliert ist. Die WIR Bank ist auf Grund ihrer erfolgreichen Diversifikations- und Digitalisierungsstrategie Genossenschaftsbank für Firmen- und Privatkunden. Die WIR-Währung als ein Produkt unseres vielfältigen Angebots macht noch etwa 15 Prozent des Umsatzes aus – daneben sind wir mit Spar-, Vorsorge- und Finanzierungsangeboten sehr erfolgreich unterwegs. Die Beteiligung an VIAC, der ersten volldigitalen Wertschriftenvorsorgelösung der Schweiz, ist dafür nur ein Beispiel.
«Die ganze Diskussion rund um Kryptowährungen hilft in der Wahrnehmung auch der WIR-Währung. Trotzdem grenzt diese sich von ihrem Charakter komplett ab.»
Das Handelsgeschäft betreibt die WIR Bank nicht selbst, sondern über Partner wie die gerade erwähnte VIAC oder Amnis für den online-Devisenhandel. Ihre e-Strategie ist sehr breit aufgestellt und reicht mit CredEx bis zur digitalen Hypotheken-Plattform. Was versprechen Sie sich von der Vermando, die digitale Lösungen für die Vermittlung zwischen Immobilienbesitzern und KMU-Handwerksbetrieben anbietet?
Die Beispiele, die Sie nennen, stehen für unsere sorgfältige Diversifikationsstrategie. Die WIR Bank packt Chancen, wenn sich für unsere Kunden ein Mehrwert ergibt. Bei Vermando mit der Plattform «HausHeld.ch» sind die Gemeinsamkeiten frappant: KMU werden mit Wohneigentümern vernetzt, die Renovationsbedarf haben. Genau dieser Aspekt entspricht 1:1 unserer Vision, wonach wir Menschen, Geld und KMU in der Schweiz vernetzen.
Welche weiteren Kooperationen sind angedacht?
Es sind einige Ideen auf dem Tisch, da sich die WIR Bank durch die bereits erwähnten Beispiele in den vergangenen Jahren einen sehr guten Ruf erarbeitet hat, wenn es ums Thema digitale Innovationen geht. Kommt hinzu, dass wir als bodenständige Genossenschaftsbank kurze Wege haben und entsprechend schnell zu einer Entscheidung kommen. Soviel kann bereits erwähnt werden: Es sind nicht nur neue Kooperationsideen, die uns 2021 beschäftigen werden, sondern auch der Ausbau bereits bestehender Schulterschlüsse mit neuen innovativen Ideen. Man darf gespannt sein.
Die Bilanzsumme stieg um 3,1 Prozent auf 5,7 Milliarden Franken – ein neuer Rekordwert in der gut 86-jährigen Geschichte der WIR Bank. Profitiert die WIR Bank in diesen Zeiten von einem Trend zur Regionalisierung statt Globalisierung?
Wir spüren auf jeden Fall, dass wir als wohltuend positive Alternative zu den «Big Playern» wahrgenommen werden. Nach wie vor sind wir aber in der Schweizer Finanzbranche ein Nischenplayer, der punkto allgemeiner Bekanntheit Luft nach oben hat. Und genau deshalb dürfen wir uns nichts vormachen: Als WIR Bank können wir nur durch starke Leistung und Top-Angebote weiter vorwärtskommen – sei es für Geschäfts-, aber auch für Privatkunden. Und was ganz wichtig ist: Die WIR Bank ist eben nicht gleich WIR-Währung; wir reden hier nur von einem Produkt unter vielen.
Weit wichtiger als die Bilanzsumme ist ohnehin die sehr starke Kapitalisierung: Mit der ungewichteten Eigenmittelquote, dem sogenannten «Leverage Ratio» übertreffen wir mit 9,1 Prozent die gesetzlich geforderten drei Prozent um ein Mehrfaches. Gleiches gilt für die Gesamtkapitalquote, die bei 16,4 Prozent liegt. Das signalisiert unseren Kunden Sicherheit und Stabilität, was gerade in der aktuellen Zeit wichtiger denn je erscheint. Das dies von unseren Kapitalgebenden honoriert wird, zeigt sich in einem seit Längerem kontinuierlich steigenden Kurs des Stammanteils: Dieser hat alleine im vergangenen Jahr 8,4 Prozent an Wert zugelegt, die zusätzliche Dividendenrendite von damals 2,8 Prozent noch nicht berücksichtigt. Und der Kursanstieg geht 2021 weiter. Deshalb an dieser Stelle der Dank an alle Kapitalgebenden für das Vertrauen in die WIR Bank.
«Als WIR Bank können wir nur durch starke Leistung und Top-Angebote weiter vorwärtskommen – sei es für Geschäfts-, aber auch für Privatkunden.»
2020 mussten Sie bei bei den betreuten KMU noch keine Ausfälle verzeichnen. Gibt es Wolken am Horizont 2021?
Die WIR Bank hatte 2020 in der Tat keine Corona-bedingten Ausfälle zu verzeichnen. Ein genaues Szenario 2021 käme dem Blick in die Glaskugel gleich. Selbstverständlich haben wir als Bank aber sorgfältig Rückstellungen für mögliche Kreditausfälle gebildet, denn niemand weiss heute, wie lange die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen noch andauern. Und niemand weiss, wie die finanzielle Hilfe letztlich im Gesamten aussehen wird. Ich habe trotz der anhaltenden Massnahmen aber grosses Vertrauen in die Schweizer Wirtschaft – eine Bereinigung wird aber wohl unumgänglich sein. Aber dadurch entstehen neue Angebote und damit verbunden neue Chancen.
Wie passt die Beteiligung an Cargo sous terrain, einem logistischen Pionierprojekt für die Schweiz, zu einer Bank wie der Ihren?
Die kurze Antwort? Perfekt! Und etwas ausführlicher: Cargo sous terrain ist eines der wichtigsten und grössten Projekte, das die Schweiz in den nächsten Jahren stemmen wird. Privatwirtschaftlich getrieben und finanziert ist es eine Gesamtlogistiklösung für das ganze Land. Sie kann vom kleinsten Floristen ebenso genutzt werden wie von den Grossverteilern. Die WIR Bank engagiert sich hier, weil es eine zukunftsweisende Lösung für die Logistik unseres Landes ist und wir hier der nächsten Generation nicht weitere Probleme, sondern vielmehr eben eine Lösung übergeben können. Denn bis 2040 werden die Kapazitäten auf unseren Strassen und Autobahnen nicht mehr ausreichen, um den Verkehr aufzunehmen. Die WIR Bank ist einer von über 30 Hauptaktionären. Unsere Rolle wird es sein, hier die Interessen und vor allem auch die Sichtweise – sprich: die Stimme der KMU einzubringen. Ausserdem können wir uns auch vorstellen, in der Projektfinanzierung das Thema günstiger WIR-Kredite einzubringen. So würde wieder WIR in Umlauf kommen.