Interview von Karin Bosshard
Moneycab.com: Das Motto von Crealogix lautet «We create digital leaders». Was kennzeichnet Ihrer Ansicht nach erfolgreiche Finanzinstitute in Zeiten der digital economy?
Bruno Richle: Ab dem 14. März 2019 wird mit der Payment Services Directive «PSD2» die Anforderung zur Öffnung der Banken in der EU Gesetz. Das bedeutet, Finanzinstitute müssen auf Wunsch eines Kunden dessen persönlichen Bankdaten an Drittanbieter wie andere Finanzinstitute, Fintech-Unternehmen oder Versicherungen zugänglich machen. Nun kann dies für Finanzinstitute, die das lediglich passiv zulassen, zu einem Nachteil führen, weil sie die direkte Kundenbeziehung verlieren können. Oder aber die Banken gehen das Thema aktiv an und nutzen die neuen Open-Banking-Möglichkeiten selber. Sie können Leistungen von Dritten für die eigene Kundschaft bündeln und orchestrieren. Die Kunden bekommen alles aus einer Hand, denn die Bank stellt ihnen ein attraktives finanzielles Ökosystem zusammen, welches alle ihre Bedürfnisse abdeckt.
«Die Payment Services Directive «PSD2» kann für passive Banken zu einem Nachteil führen.» Bruno Richle, VR-Präsident und Gründungsaktionär, Crealogix Gruppe
Verglichen mit den USA befinden sich hiesige Finanzinstitute im Rückstand bei der digitalen Transformation. Womit bremsen sich die Banken aus und wie lässt sich die Geschwindigkeit bei der Digitalisierung erhöhen?
Ich denke nicht, dass die Banken in den USA da weiter sind als diejenigen in Europa. Es ist allerdings richtig, dass sich die Schweizer Banken mit dem Thema Open Banking noch schwertun. PSD2 ist hierzulande auch nicht gesetzlich verankert. Dennoch bietet die Richtlinie auch hiesigen Banken die Möglichkeit, an der eigenen Wettbewerbsstärke für die digitale Zukunft zu arbeiten.
Innerhalb welcher Zeitspanne sind Effekte der digitalen Transformation auf die Marktanteile oder den Umsatz zu erwarten?
Ich denke, das ist bereits im Gange, sowohl bei den Banken wie auch bei den Softwareanbietern.
«Die Effekte der digitalen Transformation auf die Marktanteile sind im Gange.»
Was kommt nach der Digitalisierung?
Meiner Ansicht nach wird es die smarte Nutzung der digitalen Daten mittels künstlicher Intelligenz sein. Sie wird mit dem Fortschreiten der Digitalisierung immer mehr ins Zentrum rücken. Die Bankendigitalisierung ist noch längst nicht abgeschlossen.
Wie steht es um Ihre eigene digitale Führungskompetenz?
Ich arbeite dran und muss mich auch selber tagtäglich wieder neuen Anforderungen stellen und Trends beurteilen. Sicherlich habe ich den Vorteil als Verwaltungsratspräsident eines der führenden Software-Häuser, mich täglich mit vielen Top-Cracks auszutauschen.
Kommen wir zu Ihrem Unternehmen. Herr Richle, wie ist es Ihnen gelungen aus einem Softwaredienstleister einen Produktentwickler zu formen?
Drei Punkte sind dazu nötig: Erstens wollten wir ein international tätiges Produkthaus werden. Zweitens richteten wir unsere Strategie konsequent darauf aus und nahmen dafür auch finanzielle Rückschläge in Kauf. Und drittens fokussierten wir uns auf das Thema Digital Banking, verkleinerten das Produkteportfolio und richteten die Organisation auf die Produktentwicklung und -vermarktung aus.
«Als Produkthaus können wir höhere Margen erzielen und international schneller wachsen.»
Weshalb haben Sie diese Veränderung überhaupt angestrebt?
Ich bin überzeugt davon, dass wir als erfolgreiches Produkthaus höhere Margen erzielen und international schneller wachsen können. Zudem ist das Thema «Digital Banking» ein globales, welches wir nicht allein aus einer Schweizer Perspektive angehen wollen.
Ihr Unternehmen ist börsenkotiert. Was ist Ihr persönlich wichtigster Rat an andere Unternehmer in Bezug auf die Unternehmensfinanzierung?
- Nicht zu viel Fremdkapital: Eine gesunde Bilanz mit einer soliden Eigenkapitalquote ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche eigenständige Unternehmensentwicklung.
- Ich empfehle auch immer, die Liquidität nicht aus den Augen zu lassen. Sonst wird das Unternehmen schnell mal zum Spielball fremder Kräfte.
«Eine solide Eigenkapitalquote ist Voraussetzung für eine erfolgreiche eigenständige Unternehmensentwicklung.»
Wie unterscheidet sich die Crealogix Gruppe von Mitbewerbern?
Wir sind unabhängig, fokussiert auf Digital Banking und mit einem umfangreichen Angebot, um alle Bedürfnisse in diesem Bereich zu decken. Unsere Produkte sind innovativ, funktionieren sicher und stehen international tagtäglich bei mehreren Millionen Benutzern im Einsatz.
Sehen Sie noch Raum für Expansion?
Ja, natürlich. David M. Brear, CEO des Beratungsunternehmens für digitale Transformation von Banken 11:FS, sagt, dass die Bankendigitalisierung erst 1 Prozent vorangeschritten sei. Auch wenn sie mittlerweile bei 10 Prozent stehen würde, bietet der Markt immer noch hervorragende Expansionsmöglichkeiten.
Was war der Durchbruch in der Firmenentwicklung von Crealogix?
Wir liessen uns immer vom Markt leiten, blieben im engen Austausch mit Kunden und griffen mit unseren Produkten Trends vor. So konnten wir Kunden und uns weiterentwickeln. Heute ist Crealogix eines der Top 100 Fintech-Unternehmen global und gemäss neustem Report des internationalen Marktforschungsinstituts Forrester einer der vier grössten globalen Anbieter von Digital-Banking-Engagement-Plattformen.
An die Erfolge erinnert man sich immer, aber an die Misserfolge? Was war Ihr grösster Rückschlag?
Ich denke, unser damaliges Engagement im Bereich ERP Systeme in den Jahren 2001 bis 2008 hat uns nicht wirklich weitergebracht und ich würde es heute als Misserfolg bezeichnen.
«Die Bankendigitalisierung ist noch längst nicht abgeschlossen; der Markt bietet immer noch hervorragende Expansionsmöglichkeiten.»
Gerne noch einige persönliche Fragen. Hinter jedem Erfolg steckt eine Vision. Wie sind Sie vor über 20 Jahren auf Ihre Idee gestossen?
In meinem Fall war es eher ein glücklicher Zufall als eine grossartige Vision. Den Wunsch, einmal eine Firma zu gründen, hatte ich zwar bereits während meinem Studium als Elektroingenieur. Eine konkrete Vorstellung respektive Geschäftsidee hatte ich damals allerdings nicht. Als ich 1995 meinen heutigen Geschäftspartner und Kollegen, Dr. Richard Dratva, kennenlernte, kam das Ganze ins Rollen. Gemeinsam haben wir Crealogix als Internetunternehmen der ersten Generation gegründet, welches aber mehr als nur einfache Homepages herstellen konnte.
Gibt es ein grosses Vorbild für Sie oder haben Sie ein Lebensmotto?
Ich denke, es sind drei Lebensmottos:
- Ehrlichkeit/Fairness: Am morgen in den Spiegel sehen können, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
- Entwicklung: Verbessern kannst du dich nur, wenn du in deinem Umfeld starke Persönlichkeiten zulässt, deren spezifische Fähigkeiten deine auch übersteigen dürfen.
- Humor: Lache täglich mindestens einmal herzlich.
Zum Gesprächspartner
Bruno Richle, Mitgründer und Verwaltungsratspräsident, steht seit 1996 an der strategischen Spitze der Crealogix Gruppe. Als Gründungsaktionär ist er im Besitz von 23 Prozent der Aktien. Nach seinem Studium in Elektrotechnik an der Hochschule in Rapperswil leitete er unter anderem die Abteilung Electronic Engineering bei der Oerlikon Aerospace in Montreal. Vor der Gründung von Crealogix arbeitete Bruno Richle als Technischer Direktor bei der Teleinform AG, einer führenden Telematic Firma mit Sitz in der Schweiz. Bruno Richle bei Linkedin
Zum Unternehmen
Die Crealogix Gruppe ist ein Schweizer Fintech-Top-100-Unternehmen und gehört weltweit zu den Marktführern im Digital Banking. Sie entwickelt und implementiert innovative Fintech-Lösungen für die digitale Bank von morgen. Die 1996 gegründete Gruppe beschäftigt weltweit rund 700 Mitarbeitende. Die Aktien der Crealogix Holding AG (CLXN) werden an der SIX Swiss Exchange gehandelt. www.crealogix.com
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