von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Stäger, das Wetter macht heuer mal wieder ordentlich Kapriolen. Was braucht es für eine gute Zuckerernte?
Guido Stäger: Durchschnittliches Schweizer Wetter, warme Tage und immer wieder einmal Regen. Probleme machen die Wetterextreme – zu heiss und vor allem lange Trockenheit im Hochsommer.
Noch vor ein paar Monaten warnten Meteorologen vor Missernten wegen der ausgetrockneten Böden. Hier kann man dann wohl fürs erste Entwarnung geben?
Im Moment leiden die Rüben unter den kühlen Temperaturen. Auch die Frostnächte hemmen das Wachstum, aber glücklicherweise hatten wir doch einigermassen genügend Niederschläge. Aber die heikle Phase kommt im Sommer.
Eine gute Schweizer Ernte ist das eine, Dumpingpreise aus dem Ausland sind das andere. Die Schweiz wird daher nie billigen Zucker produzieren können. Können Sie mit dem momentanen Preisgefüge leben?
Die Landwirtschaft kämpft in der Schweiz mit tiefen Preisen, aber auch in der EU. Sogar grosse Produzentenländer wie Brasilien und Thailand leiden unter den tiefen Zuckerpreisen. Trotzdem: die wegen der extremen Trockenheit schlechte Ernte 2018 in der EU hat zu einer gewissen Normalisierung der EU-Preise geführt. Unsere Preise sind nicht viel höher als in der EU und die Transportkosten werden langfristig steigen.
«Unsere Preise sind nicht viel höher als in der EU und die Transportkosten werden langfristig steigen.»
Guido Stäger, CEO Schweizer Zucker AG
Wie kann es angehen, dass die EU höhere Zölle für Schweizer Zucker verlangt als umgekehrt die Schweiz für Importzucker?
Beide Partner sind autonom im Festsetzen der Zölle, die EU schützt den eigenen Markt besser als die Schweiz. Die Schweiz will, dass die Lebensmittelindustrie günstigen Zucker – mit der EU vergleichbare Zuckerpreise – bekommt, deshalb haben wir tiefe Zölle. Als Konsequenz sind auch unsere Zuckerpreise kaum höher als in der EU.
Statt Quoten gibt es jetzt drei Jahre mindestens 7 Cent Zoll pro Kilo Zucker. Was geschieht nach 2021, um die Schweizer Versorgungssicherheit zu schützen?
Die 7 Cent entsprechen heute etwa der normalen Zollberechnung. Die Schweiz berechnet ja den Zoll monatlich aus der Differenz zwischen dem Weltmarktpreis und dem EU-Preis. Weil im Moment auch in der EU kein Zuckerüberschuss herrscht, ist der EU-Preis sogar mehr als 7 Cents über dem Weltmarktpreis,und die Schweiz verlangt 7 Cent Zoll. Das Bundespaket hat 7 Cent als Minimum-Zoll festgelegt bis 2021, das heisst: unabhängig von der monatlichen Zollberechnung kann der Zoll nicht unter 7 Cent fallen. Das gibt uns eine gewisse Sicherheit. Wir wollen jetzt zwei Jahre mit dieser Regelung arbeiten, beurteilen dann die Situation neu und werden schauen, ob es einen Konsens für eine Verlängerung gibt.
Edler Biozucker in grösseren Massen dürfte wohl eher ein Wunschtraum bleiben, oder?
Wir haben in den letzten Jahren die Bioproduktion jedes Jahr im zweistelligen Bereich gesteigert und letztes Jahr über 8‘000 t Tonnen Biozucker produziert. Das ist ein interessantes Geschäftsfeld, das wir intensiv bearbeiten. Die Schweizer Zucker AG (SZU) gehört zu den grössten Biozucker-Produzenten in Europa. Aber auch hier gilt: die Konkurrenz schläft nicht, es wird viel günstiger Bio-Rohrzucker importiert, und die Margen nehmen eher ab. Aber wir glauben an die Bedeutung des Biozuckers.
Seit neustem produzieren sie auch Pektin aus Rübenschnitzel zur Viehfütterung. Könnte der Rohstoff auch in grösseren Massen als Geliermittel in der Lebensmittelindustrie Abnehmer finden?
Genau das ist die Idee. Wir wissen, dass Zucker ein schwieriges Geschäftsfeld bleiben wird und suchen nach Diversifikationsprojekten im zuckernahen Umfeld. Die Pilotlinie läuft, wir produzieren die ersten Pektinmuster, Herstellungsprozess und Produktqualität sind zu stabilisieren, aber wir rechnen noch dieses Jahr mit den ersten Verkäufen. Je nach Reaktion der Kunden – hier müssen spezifische Anwendungen entwickelt werden – wollen wir die Kapazitäten in den nächsten Jahren ausbauen.
Ansonsten sind die Verwertungspfade der Zuckerrübe weitgehend ausgeschöpft. Oder gibt es eine neue revolutionäre Idee?
Ausgeschöpft? Überhaupt nicht. Wir haben noch viele Ideen, aber beschränkte Ressourcen. Wir produzieren zum Beispiel zusammen mit einer Partnerfirma Nahrungsfasern, das heisst Ballaststoffe aus Rübenschnitzeln. Auch das ist ein interessanter Markt. Wir müssen den Herstellungsprozess noch optimieren und auch den Markt intensiver bearbeiten. Aber die ersten Resultate sind durchaus vielversprechend. Unsere Partner haben bereits grössere Mengen Nahrungsfasern aus Rübenschnitzel verkauft.
«Wir setzen stark auf Nachhaltigkeit; eine diesbezügliche Studie zeigt auf, dass die Schweizer Produktion auch gegenüber der EU deutlich besser dasteht.»
Für die Rohzuckerkristallisation wird Heizkraft benötigt. Wie schwer schlägt dies kostenseitig zu Buche?
Die Energiekosten sind in der Rübenverarbeitung ein grosser Kostenblock. Sie sind wieder am Steigen, und das schlägt direkt auf unsere Herstellungskosten durch. Wir haben ein grosses Holzkraftwerk in Aarberg im Bau, es wird Ende 2020 in Betrieb gehen und zwei Drittel unseres Energiebedarfs decken. Es produziert Ökostrom und Ökowärme. Letztere brauchen wir für die Zuckerproduktion. Wir setzen stark auf Nachhaltigkeit; eine diesbezügliche Studie zeigt auf, dass die Schweizer Produktion auch gegenüber der EU deutlich besser dasteht.
Die Anbaufläche ist in der Schweiz Jahr für Jahr gefallen und beträgt noch rund 18’000 Hektare. Wie kann man die Bauern überhaupt noch für die weissen Riesen gewinnen?
Der Zucker ist einem starken Importdruck ausgesetzt, und das hat zu tieferen Rübenpreisen geführt. Die Preise der anderen Ackerfrüchte sind meist besser durch Zölle geschützt, das macht den Rübenanbau weniger attraktiv für die Bauern. Wir versuchen den Rübenpreis auch dank der erhöhten Anbaubaubeiträge möglichst attraktiv zu halten. Unser Ziel ist es, in der Schweiz einen nachhaltigen Rübenanbau zu betreiben und einen Selbstversorgungsgrad von wenigstens 70 Prozent zu sichern.
«Wir rechnen mit leicht ansteigenden Preisen und sehen erste Erfolge unsere Diversifikationsstrategie.»
Mit der Tochtergesellschaft Landwirtschaft AG betreibt die ZAF auch sechs Landwirtschaftsbetriebe. Dienen die als Showcase?
Das ist eine historische Verbindung; die SZU hält etwa 60 Prozent der Aktien. Der Rübenanbau ist unter Druck, es gibt neue Pflanzenkrankheiten und immer weniger erlaubte Pflanzenschutz-Mittel. Es ist für die ganze Branche wertvoll, wenn wir neue Sorten und Bearbeitungsmethoden auf den Betrieben der LAG ausprobieren können. Die Betriebe sind übrigens auch sehr aktiv in der Vermehrung von neuen Getreidesorten.
Auf Stufe EBIT rutschte die Schweizer Zucker AG letztes Geschäftsjahr ins Minus. Für wie lange?
Generell rechnen wir nicht mit einer schnellen Verbesserung unserer wirtschaftlichen Lage. Wir sind gezwungen die Rübenpreise stabil zu halten, oder besser noch leicht anzuheben. Auch bei leicht steigendem Zuckerpreis wird sich unsere Situation nur langsam verbessern, da wir zum Teil mehrjährige Verträge mit unseren Kunden haben. Trotzdem sind wir zuversichtlich: wir rechnen mit leicht ansteigenden Preisen und sehen erste Erfolge unsere Diversifikationsstrategie. Konkret zum Beispiel mit dem Biozucker, und wir glauben an eine nachhaltige Schweizer Zuckerproduktion. Wir sind überzeugt, dass es im Interesse aller Beteiligten ist, einen vernünftigen Selbstversorgungsgrad mit nachhaltig produziertem CH- Zucker zu erhalten, und das zu durchaus vernünftigen Preisen in der Grössenordnung von 60 Rappen/Kilo.
Zum Gesprächspartner:
Dr. Guido Stäger, geb. 2.12.1959 in Steinach, Lebensmittel-Ing. ETH, wohnt in Studen, ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er war Produktionsleiter von Nescafé – Nestlé Südkorea, Projektleiter im Nestlé R&D Center in Orbe, Directeur production Nespresso und Technical Advisor bei Nestec Vevey. Anschliessend war er noch 12 Jahre Betriebsleiter Chocolats Camille Bloch, ehe er am 1.5.2011 als CEO zu den Zuckerfabriken stiess.
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