Nicole Burth, CEO Adecco Schweiz, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Frau Burth, welchen Athleten konnte die Adecco Gruppe Schweiz dank dem neuen Label «Leistungssportfreundlicher Arbeitgeber» einen Job vermitteln?
Nicole Burth: Seit 2018 wurden bereits zehn Firmen mit dem Label «Leistungssportfreundlicher Arbeitgeber» ausgezeichnet sowie über 20 Athleten bei Leistungssportfreundlichen Arbeitgebern platziert. Mit SBB, SWISS und Sunrise konnten wir wichtige Schweizer Grossfirmen als Partner finden. Nebst den Grossfirmen machen auch verschiedene KMU’s mit. Was die Athleten anbelangt, so hat beispielsweise der Curler Benoît Schwarz, der mit seinem Team an den Olympischen Spielen in PyeongChang die Bronzemedaille gewonnen hat, bei der Swiss im 2018 ein Praktikum absolviert.
Die Zeitarbeitsbranche hat eher einen technokratischen Ruf. Helfen Programme wie Leistungssportfreundlicher Arbeitgeber oder „Win4Youth“ diesen Ruf aufzumöbeln?
Die Programme dienen dazu, die Bedeutung und Vorteile von flexiblen Arbeitsmodelle sowie einer guten Work-Life-Balance zu unterstreichen. Die Temporärbranche ist ein wichtiger Treiber der Schweizer Wirtschaft. Sie stellt sicher, dass Unternehmen Auftragsvolatilitäten abfedern können und sie somit international kompetitiv bleiben. Zudem fördert Temporärarbeit die Arbeitsmarktintegration: Jeder zweite Temporärarbeitende auf Feststellensuche hat diese innerhalb von 24 Monaten nach Beginn seines ersten Einsatzes gefunden. Im Rahmen der heutigen „Gig Economy“ stellt die Temporärarbeit zudem eine vorbildliche und durch den GAV-Personalverleih sozial gut abgesicherte, flexible Arbeitsform dar, da Beiträge an die Sozialversicherungen fliessen und Mindestlöhne gelten.
Welche Ihrer Marken Adecco Staffing, Spring Professional, Badenoch & Clark, Pontoon und Lee Hecht Harrison ist denn am konjunktursensibelsten?
Unsere «rote» Marke Adecco, da grosse Teile des Temporärgeschäfts über Adecco abgewickelt werden. Unerwartete Zusatzaufträge werden zunächst mit Temporärpersonal bewältigt. Daher ist die Temporärbranche ein Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung.
«Ausländische Personalvermittler dürfen in der Schweiz nicht tätig sein, wenn sie nicht mindestens eine schweizerische Zweigniederlassung haben und über die entsprechenden Bewilligungen verfügen.»
Nicole Burth, CEO Adecco Schweiz
Wie grenzen sich Ihre Highend-Anbieter Badenoch & Clark und Pontoon voneinander ab?
Unsere Marken umfassen die Rekrutierung von Personal in verschiedenen Arbeitsverhältnissen (Feststellen, Temporär, Projektbasis) und Qualifikationen (Führungskräfte, Fachkräfte, Hilfskräfte), aber auch die Auslagerung von gesamten HR-Dienstleistungen und -Prozessen. Pontoon Solutions erlaubt Unternehmen, die gesamte Beschaffung oder Teilbereiche der Beschaffung von internen oder externen Mitarbeitenden auszulagern. Badenoch & Clark rekrutiert und vermittelt hingegen hoch qualifizierte Senior-Fachkräfte sowie Führungspersonen im mittleren und oberen Management.
Das aus dem Weiterbildungsfonds für Temporärarbeitende geförderte „temptraining“ ist eine Erfolgsgeschichte. Von wem ging eigentlich die Initiative ursprünglich aus?
Der Weiterbildungsfonds temptraining besteht seit Inkrafttreten des allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsvertrages Personalverleih und ist ein wichtiger Bestandteil davon. Geäufnet wird der Fonds durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Beiträge aus dem GAV Personalverleih. Früher, vor dem eigenen GAV, zahlte man Weiterbildungsbeiträge an andere allgemeinverbindlich erklärte GAV von anderen Branchen. Die Programme haben aber oft nicht wirklich für die Temporärarbeitenden gepasst. Mit temptraining entstand ein eigener Fonds mit sehr grosszügigen Regelungen.
Wie ist er ausgestaltet?
Wer temporär arbeitet und dem Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih (GAVP) untersteht, hat Anspruch auf Weiterbildungsleistungen, unterstützt durch den Weiterbildungsfonds temptraining. Der Weiterbildungsfonds soll die Arbeitsmarktfähigkeit der Temporärarbeitenden in der Schweiz zu erhalten und fördern. Deshalb lässt temptraining – als einziger GAV-Weiterbildungsfonds in der Schweiz – auch branchen- und berufsübergreifende Weiterbildungen zu.
Ich bekam einmal persönlich ein Schreiben von einer amerikanischen Firma namens MBA in der man einen toll bezahlten Job anbot, aber das Dossier nur weiterreichen wollte, falls ich eine wage definierte „Bearbeitungsgebühr“ bezahlen würde. Wie soll man auf solche Angebote reagieren?
Ausländische Personalvermittler dürfen in der Schweiz nicht tätig sein, wenn sie nicht mindestens eine schweizerische Zweigniederlassung haben und über die entsprechenden Bewilligungen verfügen. Solche Angebote sollte man also ignorieren und sich an einen in der Schweiz registrierten Personalvermittler wenden. Diese erbringen ihre Dienstleistungen gegenüber den Kandidaten in der Regel kostenlos.
Es ist grundsätzlich zulässig, im Bereich der Personalvermittlung vom Kandidaten eine Vergütung zu verlangen. In diesem Falle muss der Vermittler mit dem Kandidaten aber einen schriftlichen Vertrag abschliessen. Aufgrund der Marktumstände, Stichwort Fachkräftemangel, ist es allerdings unüblich, vom Kandidaten eine Vergütung zu verlangen.
Welche Zuwachsraten hat Ihre Recruiting App Adia?
Die digitale Rekrutierung entwickelt sich gut, Kunden und Mitarbeitende freuen sich über die schnellere und unkompliziertere Abwicklung, Flexibilität, gesteigerte Benutzerfreundlichkeit sowie die 24h-Verfügbarkeit von Adia. Was die Zuwachsraten anbelangt, so liefern wir diese Statistiken zum jetzigen Zeitpunkt nicht, aber wir können sagen, dass das Wachstum hoch geblieben ist.
Für Arbeitgeber übernimmt Adecco auch gleich die Gehaltsabrechnungen und die Fakturierung. Wieviel kostet so eine Dienstleistung?
Die Erstellung der Gehaltsabrechnungen sowie die Fakturierung der geleisteten Arbeitsstunden durch die von der Adecco Gruppe vermittelten Arbeitskräfte ist Teil des Servicepakets, das wir unseren Kunden bieten. Die Kosten für diesen Service variieren je nach Service-Level, das vom Kunden gewünscht wird. Ebenso spielt eine Rolle, ob ein Kunde uns einen Mitarbeitenden direkt in das so genannte «Payrolling» übergibt, oder ob Adecco den Mitarbeitenden rekrutiert. Im ersten Fall fallen weniger Kosten an, da kein Rekrutierungsaufwand für Adecco entsteht und wir somit «nur» die administrativen Arbeiten übernehmen.
Bei Lee Hecht Harrison zahlen die Firmen für Beratungsleistungen. Hat Adecco dort die beste Marge?
Lee Hecht Harrison ist innerhalb der weltweiten Gruppe das margenträchtigste Geschäft. Die Kosten der Beratungsdienstleistungen verhalten sich entsprechend dem Aufwand, der hinter dem geleisteten Service steckt.
Welche zusätzlichen Belastungen brachte die seit Mitte Jahr 2018 gültige Stellenmeldepflicht für Ihr Business oder wirkt sich das eher positiv auf den Gewinn aus?
Wir arbeiten seit der Stellenmeldepflicht sehr eng und gut mit den kantonalen RAVs zusammen. Besonders positiv ist die elektronische Schnittstelle zum RAV-Jobroom, auf die wir zugreifen können. Die lokale Zusammenarbeit hängt aber immer noch von den für uns zuständigen Personen beim RAV ab.
Aber wie steht es da mit dem Verwaltungsaufwand?
Der administrative Aufwand ist natürlich stark gestiegen, und die fast mehrtägige Wartefrist sorgt bei vielen Stellen für unnötige Verzögerungen – dies vor allem bei qualifizierten Fachkräften. Bedauerlicherweise sind Bewerber und Kunden sind die leidtragenden dieser Situation.
«Eine Betrachtung der aktuellsten Entwicklungen bei den Stellenanzeigen zeigt eine weitgehende Stagnation in fast allen Berufsgruppen im Vergleich zum Vorquartal.»
Spüren Sie den Schwund bei den Stellenanzeigen in der Schweiz?
Gemäss unserem in Kooperation mit dem Stellenmarkt-Monitor der Universität Zürich erhobenen Adecco Group Swiss Job Markt Index, schrieben Schweizer Unternehmen im ersten Quartal 2019 knapp 7 Prozent mehr Stellen aus als noch im Vorjahr. Eine Betrachtung der aktuellsten Entwicklungen zeigt allerdings eine weitgehende Stagnation in fast allen Berufsgruppen im Vergleich zum Vorquartal. Es bleibt abzuwarten, wie sich die nächsten Quartale dieses Jahr entwickeln, um abschätzen zu können, ob sich die gedämpften Konjunkturprognosen im Stellenmarkt abbilden.
Genf und die Ostschweiz hatten sich im letzten Jahr von ihren Tauchern erholt. Wie präsentieren sich jetzt die regionalen Unterschiede in der Schweiz?
Wie der Adecco Group Swiss Job Market Index für die Regionen zeigt, verzeichnet die Ostschweiz mit einem Plus von 19% die stärkste Zunahme in der Anzahl Stelleninserate im Q1 2019. Damit setzt sich eine seit 2016 positive Entwicklung in dieser Region fort. Ebenfalls etwas zulegen konnte, wenn auch weniger stark, der Espace Mittelland mit einem Plus von 10%. In den anderen Regionen beträgt die Zunahme weniger als 10% im Jahresvergleich, auch in Genf (+7% im Vergleich zum Vorjahr). Im Quartalsvergleich können in allen Regionen lediglich kleinere Veränderungen beobachtet werden, was auch hier auf eine Stagnation des Stellenmarktes hindeutet.