Interview von Karin Bosshard
Moneycab: Herr Dr. Müller, Sie sind am 1. Januar in Ihre neue Funktion als CEO gestartet. Wie geht es Ihnen heute, nach zwei Monaten?
Roger R. Müller: Mit meinem Wechsel zum Posten des CEO kommen die Benefits von alt und neu zusammen: Als ehemaliger CFO kenne ich Balluun wie meine eigene Westentasche und in meiner neuen Funktion kann ich unser Produkt aus einer anderen Perspektive betrachten. Meine Motivation ist es, das Produkt weiterzubringen – von der Entwicklung über Investitionen bis hin zum Vertrieb. Mein persönlicher Background als Mathematiker kann da sicher nicht schaden. Ich habe ausserdem ein tolles, junges Team hinter mir und der Teamspirit könnte nicht besser sein – wir kennen uns aus der langjährigen Zusammenarbeit schon sehr gut, können uns aufeinander verlassen und blicken positiv in die Zukunft.
«Unsere Idee ist es, digitale B2B-Communities zu schaffen, auf denen eine gesamte Branche zusammenkommt, sich vernetzt und Geschäfte abschliesst – ein bisschen wie LinkedIn, Facebook und Alibaba zusammen.» Dr. Roger R. Müller, CEO, Balluun AG
Erklären Sie unseren Lesern kurz, was Ihr Unternehmen anbietet. Und wie sind Sie ursprünglich auf diese Geschäftsidee gekommen?
Balluun bietet die Infrastruktur für branchenübergreifende B2B-Market-Networks, wir verkaufen also Software-as-a-Service. Die Idee hinter Balluun war es, digitale B2B-Communities zu schaffen, auf denen eine gesamte Branche zusammenkommt, sich vernetzt und Geschäfte abschliesst – ein bisschen wie LinkedIn, Facebook und Alibaba zusammen. Ausgangspunkt war, dass die Digitalisierung Messegesellschaften und Unternehmen zunehmend vor Herausforderungen stellt – mit Balluun geben wir darauf eine Antwort. Durch die Cloud-Architektur können Messeveranstalter und Unternehmen ihren eigenen digitalen Online-Marketplace mit einem integrierten, sozialen Netzwerk einrichten und somit vor, während und nach der Messe ihre Anbieter und Facheinkäufer vernetzen und unterstützen.
Sie sprechen gerade die Messeveranstalter an. In der letzten Zeit häuften sich die Meldungen, dass Messen ihre Tore für immer schliessen. Was haben diese «falsch» gemacht?
Um dauerhaft im Markt bestehen zu können und um das physische Messegeschäft zu stärken, müssen Messen in die digitale Welt expandieren und sich neue, digitale Geschäftsfelder erschliessen. Die Messegesellschaften fürchten hier aber grosse Investitionen und eine Verschiebung der Ressourcen weg von ihrem Kerngeschäft. Daher sind sie auf der Suche nach einer kostengünstigeren State-of-the-Art-Standardlösung. Und die bieten wir. Unsere Software eignet sich aber fernab der Messebranche genauso für Sales-basierte Unternehmen. Damit können Neuheiten präsentiert, Vertriebsstrukturen gepflegt und Verkaufsprozesse abgewickelt werden – ohne dass das Medium gewechselt werden muss.
«Um dauerhaft im Markt bestehen zu können müssen Messen in die digitale Welt expandieren und sich neue, digitale Geschäftsfelder erschliessen.»
Bleiben wir bei den Messen. Welche Entwicklung dürfen wir in den nächsten drei bis fünf Jahren erwarten?
Eine allumfassende Digitalisierung ist unumgänglich. Der physischen Messe wird in Zukunft vermehrt ein Eventcharakter zukommen. Kontakte persönlich zu treffen und zu pflegen sowie das sensorische Erlebnis der Messe werden hier im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zum bereits gut etablierten B2C-E-Commerce schlummert in B2B-Bereich noch ein weitgehend ungenutztes Umsatzpotenzial. Nicht ohne Grund wird B2B-E-Commerce auch als „Sleeping Giant“ bezeichnet. Ich erwarte von B2B-Transaktionen, dass sie sich in den kommenden Jahren nochmals beschleunigen – denn Geschäfte werden mobiler, globaler und flexibler abgeschlossen.
Verstehe ich richtig, dass Sie also die Art und Weise, wie Geschäfte gemacht werden, fundamental verändern wollen?
Die Veränderungen finden schon statt – den Wandel haben wir im B2C-Bereich schon alle mitgemacht. Im B2B-Bereich wird das Potential dieser veränderten Strukturen von Unternehmen aber noch nicht zu deren Gunsten genutzt. Ich sehe B2B-Market-Networks als notwendige und geschäftserhaltende Reaktion auf die Veränderungen, die auf dem globalen Markt passieren. Moderne Lösungen sparen Unternehmen Ressourcen und vereinfachen die Branchenvernetzung sowie den Vertrieb der eigenen Produkte.
«Im Gegensatz zum bereits gut etablierten B2C-E-Commerce schlummert im B2B-Bereich noch ein weitgehend ungenutztes Umsatzpotenzial.»
Wie werden demnach in Zukunft Unternehmensnetzwerke konkret aussehen resp. welchen Mehrwert bieten diese?
Das Konzept der Online-B2B-Market-Networks wird zum Schlüsselelement werden. Sie sind die effizienteste und vor allem „schlüssige“ Reaktion auf die Veränderungen am Markt: Sie kombinieren die Vorteile von Communities und digitalen Marketplaces und sind daher die Lösung für alle vertikalen Märkte. Alle Herausforderungen, mit denen Unternehmen im B2B-Online-Bereich konfrontiert sind, werden damit gezielt beantwortet: B2B-Market-Networks reduzieren die Fragmentierung der Customer Journey und rücken den Kunden weiter in den Mittelpunkt. Alle Daten fliessen auf einer Plattform zusammen, sodass ein gezieltes CSM möglich wird. Diese eine Plattform befähigt also Grosshändler, Einzelhändler, Zulieferer, internationale Marken und Käufer, miteinander zu kommunizieren, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen sowie jederzeit effizient Geschäfte zu tätigen.
Man kann lesen, dass Ihr Unternehmen stark wachsen will. Wie wichtig ist dabei die internationale Geschäfts- und Technologieerfahrung Ihres mit bekannten Managementgrössen, wie zum Beispiel Ex-Bär-CEO Walter Knabenhans, besetzten Board of Directors?
Unser Verwaltungsrat ist hinsichtlich der Kompetenzen und Erfahrungen breit aufgestellt. Die Expertise reicht vom internationalen Messewesen, Venture Capital, über die Themenfelder Marketing und Business Development und den Finanzbereich bis hin zum Segment E-Commerce oder auch B2B-Technologien. Die Möglichkeit, uns jederzeit mit diesen Spezialisten im Verwaltungsrat austauschen zu können, ist uns als Managementteam sehr viel wert.
«Teilweise habe ich den Eindruck, dass das Thema Digitalisierung von vielen Unternehmen unterschätzt und gleichzeitig zu komplex gedacht wird.»
Kommen wir zu den KMUs. Fehlt den KMUs in der Schweiz eine Vision für das E-Commerce-Geschäft?
Pauschal kann man das nicht sagen, aber teilweise habe ich den Eindruck, dass das Thema Digitalisierung von vielen Unternehmen unterschätzt und gleichzeitig zu komplex gedacht wird. Es ist ja schon fast ein Modewort, aber was bedeutet es denn tatsächlich? Fakt ist, dass die Kunden ihre Aktivitäten ins Digitale verschieben und der Einkauf zunehmend digital stattfindet. KMUs werden also von aussen unter Zugzwang gebracht. Am besten beraten sind sie, wenn sie den „Schritt in die Digitalisierung“ mit einem Tech-Partner gehen, der schon Erfahrung in dem Bereich hat – statt teurer Investitionen können sie so eine ausgereifte Omnichannel-Strategie erwarten, die individuell an ihre Bedürfnisse angepasst ist.
Wie lauten Ihre konkreten Handlungsempfehlungen an die Adresse dieser KMUs?
Ohne eine intelligente digitale Lösung wird der Wettbewerb für KMUs in den nächsten Jahren immer schwieriger. KMUs profitieren enorm von B2B-Market-Networks, auf denen die gesamte Branchen-Community versammelt ist. Denn hier erreichen auch kleinere Unternehmen mit einem geringen Invest grosse Zielgruppen. Eine Software-as-a-Service-Lösung, ermöglicht kleinen Unternehmen auch mit geringen Ressourcen die Erweiterung ihrer Kundenansprache über die zeitlichen und physischen Grenzen einer Messe oder auch über bestehende physische Vertriebsstrukturen hinaus. 24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im Jahr. Sie schafft einen interaktiven Onlinedialog zwischen Verkäufern und Käufern. Sie erreicht zusätzliche Marktteilnehmer, und gerade das ist für KMUs von Vorteil: Auch ohne grosse Vertriebs-Power können so viele Leads generiert werden.
Zum Gesprächspartner
Dr. Roger René Müller ist seit Januar 2019 CEO der Balluun AG. Seine Laufbahn in dem Zürcher Softwareunternehmen mit Sitz im Silicon Valley begann er 2016 in der Rolle des CFO. Er besitzt Abschlüsse der Universitäten in Zürich, Winterthur und Fribourg sowie der University of California, Berkeley und der UEPA in Charkow, Ukraine in den Bereichen Mathematik, Finance and Controlling. Der siebensprachige Schweizer (Wahltessiner) konnte im Laufe seiner Karriere in verschiedenen Branchen beachtliche Erfolge erbringen und sich unter anderem als Gründer, Business Consultant und Manager beweisen. Von 2012 bis 2016 war er ausserdem als Teammanager des Schweizer Frauen-Eishockey-Nationalteams tätig.
Roger René Müller auf LinkedIn
Zum Unternehmen
Balluun ist ein weltweit führender Anbieter von Lösungen für Social E-Commerce im B2B-Markt. Mit flexiblen Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) unterstützt Balluun den weltweiten B2B-Handel rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr mit branchenspezifischen digitalen Marktplätzen. Balluun ermöglicht es Grosshändlern, Einzelhändlern, Lieferanten, internationalen Brands und Einkäufern jederzeit miteinander zu kommunizieren und effizient Geschäfte zu tätigen. Mit Hauptsitz in Zürich und eigenen Niederlassungen in den USA, im Silicon Valley und in New York, Hongkong und London arbeitet Balluun eng mit der internationalen B2B-Community zusammen. www.balluun.com