Roger Vogt, CEO Valora Retail, im Interview
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Vogt, Valora treibt die Digitalisierung des Retails in der Schweiz voran. Was steht dabei im Vordergrund, welche Rolle soll die Technologie beim Einkaufserlebnis spielen?
Roger Vogt: Für uns steht Convenience im Zentrum all unserer Bestrebungen. Das bezieht sich nicht nur aufs Sortiment unserer Formate, sondern auch auf das Einkaufserlebnis. Wir möchten, dass Kunden bei uns noch einfacher, schneller und praktischer einkaufen können. Um diesem Versprechen nachzukommen, nutzen wir auch neue Technologien.
Am 6. April haben im HB Zürich mit der «avec box» und dem Future Store «avec X» die ersten kassenlosen Convenience Stores von Valora ihre Türen geöffnet. Schon bald soll die erste «k kiosk box» folgen. Wo liegen die Gemeinsamkeiten dieser Projekte?
Alle drei neuen Formate sind kassenlos und bieten den Kunden eine neues, flexibles Einkaufserlebnis. In der avec box und im avec X erhalten unsere Kunden via der avec App den Zugang zu den Stores und können ihren Einkauf und den Bezahlvorgang damit abschliessen. Die App ist quasi ein persönlicher Ladenschlüssel. Er ermöglicht es unseren Kunden, dass sie in ihrem eigenen Tempo einkaufen können und fast rund um die Uhr Zugang zum Sortiment haben, wenn andere Geschäfte geschlossen haben.
Die «k kiosk box» basiert auf dem vollautomatischen Nanostore-Konzept des Tech-Startups AiFi, mit dem Valora zusammenarbeitet. Können Sie uns das Konzept kurz erklären?
Bei der k kiosk box wollen wir noch einen Schritt weiter gehen. Während Kunden beim avec X und der avec box die Produkte mit dem Smartphone scannen und den Bezahlvorgang mittels App abschliessen, soll dies bei der k kiosk box nicht mehr nötig sein. Kunden können die k kiosk box mit der App betreten, haben die Hände anschliessend jedoch für ihren Einkauf frei. Dadurch wird das Einkaufserlebnis noch schneller und praktischer.
«Wir möchten, dass Kunden bei uns noch einfacher, schneller und praktischer einkaufen können.» Roger Vogt, CEO Valora Retail
Ist Amazon Go! für Ihre Lösung das Vorbild?
Unsere Konzepte entstanden unabhängig von Amazon Go. Wobei wir Entwicklungen und Neuheiten am Markt stets aufmerksam verfolgen und – falls für unsere Formate und Kunden sinnvoll – adaptieren.
In der Annahme einer erfolgreichen Testphase – welche Standorte werden sich für «k kiosk box» besonders eignen?
Die erste k kiosk box soll im Laufe des zweiten Halbjahrs 2019 eröffnet werden und ebenfalls erst einmal als Test konzipiert sein. Für einen weiteren Roll-out sind besonders Standorte interessant, die bislang über kein oder nur ein sehr geringes Convenience-Angebot verfügen.
Wie sieht der Fahrplan mit der «avec box» aus?
Momentan verfügen wir über drei Boxen. Eine davon steht bis zum 22. April 2019 im Zürcher Hauptbahnhof. Für eine weitere läuft derzeit das Baugenehmigungsverfahren mit dem Ziel, im Frühjahr in Wetzikon die Tore zu öffnen. Wo die dritte zum Einsatz kommt, evaluieren wir im Moment noch. Die avec box ist als Ergänzung zu unseren bestehenden Formaten konzipiert. Es geht uns momentan darum, Erfahrungen zu sammeln, bevor wir das Konzept weiter ausrollen.
Der Future Store «avec X» gilt als Innovationslabor. Welche Besonderheiten hält der Shop bereit?
Im avec X testen wir das Einkaufen von morgen in einem kleinflächigen Convenience-Format. Hier erleben die Kundinnen und Kunden laufend die neuesten Convenience-Trends im Bereich Food. Zudem werden digitale Einkaufserlebnisse getestet wie etwa neue Bezahlmöglichkeiten oder das personalisierte Einkaufen. Dazu gehört in Kürze beispielsweise die Möglichkeit des «Tapping» via NFC-Technologie. Dabei müssen Kunden keine Preisschilder mehr mit der App einscannen, sondern können diese einfach mit dem Smartphone antippen und das Produkt landet im digitalen Warenkorb. Jetzt schon im Einsatz sind unsere «Sally»-Module, die dem Kunden frischen Salat und Müesli ganz nach dessen Geschmack zusammenstellen, und unser Teabot, bei dem der Kunde sich seine eigene Teemischung zubereiten kann. Ausserdem haben Kunden die Möglichkeit, sich beim Kaffee- und Tabakautomaten ihre zuletzt getätigten Einkäufe als Einkaufsvorschlag anzeigen zu lassen. Auch andere Convenience-Trends im Bereich Food und Frische werden wir im avec X aufgreifen. Anhand der Kundenrückmeldungen entscheiden wir, welche Angebote weiterentwickelt werden und welche wir schweizweit in andere Formate integrieren.
«Im avec X testen wir das Einkaufen von morgen in einem kleinflächigen Convenience-Format. (…) Zudem werden digitale Einkaufserlebnisse getestet wie etwa neue Bezahlmöglichkeiten oder das personalisierte Einkaufen.»
In der Digitalisierung des Retails spielt die Analyse der Daten und des Einkaufsverhaltens der Kunden eine entscheidende Rolle. Wie umfangreich sind die Daten, die Valora mit den neuen Verkaufsformaten erheben kann?
Durch das Herunterladen der avec App erhält der Kunde seinen persönlichen Ladenschlüssel. Auf Basis der Ausweisdaten, die er hinterlegt, können die Einhaltung des erlaubten Zutrittsalters zum Store (14 Jahre) und der Kauf von Tabakprodukten am Automaten (18 Jahre) kontrolliert werden. Valora erfasst nur die für das Einkaufserlebnis notwendige Daten. Der Kunde hat zudem Kontrolle über die eigenen Daten und Transparenz über deren Nutzung. Sämtliche personenbezogenen Daten werden nur im Einklang mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben verarbeitet.
Wenn keine Mitarbeiter mehr in den Verkaufsstellen sind – oder nur zu gewissen Zeiten – steigt auch die Gefahr von Diebstahl und Vandalismus. Haben Sie ein Sicherheitskonzept entwickelt – und welche Rolle spielt die Technologie hierbei?
Es ist zwar nur zu gewissen Zeiten Personal vor Ort, wir verfügen aber selbstverständlich über ein Sicherheitskonzept. Es gehören zum Beispiel Kameras in den Stores dazu und auch Stichproben. Weiter detaillieren wir das Konzept nicht aus. Die in der Regel am häufigsten entwendeten Produkte – Zigaretten – sind sicher im Tabakautomaten verwahrt.
Welche Bedeutung hat bei all den Innovationen, die Valora an den Start bringt, das Valora Lab?
Das Valora Lab in der Schweiz und unser Outpost im Silicon Valley sind dazu da, die Entwicklungen und Trends im Retail-Markt zu beobachten. Das Team unterstützt uns unter anderem dabei abzuschätzen, welche Technologien für den Schweizer Markt geeignet sind, um unseren Kunden neue Einkaufserlebnisse oder die Nutzung von neuen Services zu ermöglichen. Bei der Ausarbeitung und Weiterentwicklung unserer neuen Konzepte avec X, avec box und k kiosk box ist das Valora Lab stark involviert.
«Die Kundenrückmeldungen aus unserem Innovationslabor avec X werden massgeblich Einfluss darauf haben, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln.»
An welchen weiteren Formaten, Produkten und Dienstleistungen wird getüftelt? Mit dem avec X und der avec box haben wir einen Meilenstein unserer Produktentwicklung erreicht und uns im Schweizer Markt als Vorreiterin positioniert. Natürlich werden wir uns nicht darauf ausruhen, sondern Trends auch künftig vorausschauend aufgreifen sowie unsere Formate und Angebote weiterentwickeln, um optimal auf neue Kundenbedürfnisse reagieren zu können. Die Kundenrückmeldungen aus unserem Innovationslabor avec X werden massgeblich Einfluss darauf haben, in welche Richtung wir uns weiterentwickeln.
Wagen wir einen Blick nach vorne: Wie werden wir im Jahr 2030 einkaufen?
Das kann ich heute nicht sagen. Im Moment beobachten wir aber eine starke Tendenz zu flexiblem Einkaufen – auch ausserhalb der gängigen Öffnungszeiten. Zudem wird die online bereits stark präsente Personalisierung auch im stationären Handel an Bedeutung gewinnen. Das Thema Frische unterwegs wird weiterhin sehr wichtig sein. Gleichzeitig werden die Ansprüche der Kunden an gesunden, qualitativ hochwertigen, nachhaltig produzierten Produkten zunehmen.
Herr Vogt, besten Dank für das Interview. Zur Person:
Roger Vogt
(Jahrgang 1977/Schweiz/ Executive Master of Business-Administration EMBA der Hochschule für Wirtschaft, Zürich) ist seit dem 1. Januar 2019 CEO von Valora Retail und Mitglied der Konzernleitung. Zuvor war CEO Valora Retail Schweiz, Leiter Verkaufsregion Nordwestschweiz, Zentralschweiz und Zürich bei Coop, Leiter Verkaufsregion Zentralschweiz und Zürich bei Coop, Geschäftsführer diverser Coop-Verkaufsstellen und Metzger bei Coop.
Über Valora Tagtäglich engagieren sich rund 15‘000 Mitarbeitende im Netzwerk von Valora, um ihren Kunden mit einem umfassenden Convenience- und Food-Angebot ein kleines Stück Glück zu bringen – nah, schnell, praktisch und frisch. Die rund 2‘800 kleinflächigen Verkaufsstellen von Valora befinden sich an Hochfrequenzlagen in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Luxemburg und den Niederlanden. Zum Unternehmen gehören unter anderem k kiosk, Brezelkönig, BackWerk, Ditsch, Press & Books, avec, Caffè Spettacolo und die beliebte Eigenmarke ok.– sowie ein stetig wachsendes Angebot an digitalen Services. Ebenso betreibt Valora eine der weltweit führenden Produktionen von Laugengebäck und profitiert im Bereich Backwaren von einer stark integrierten Wertschöpfungskette. Valora erzielt jährlich einen Aussenumsatz von über CHF 2.7 Mrd. Der Hauptsitz der Gruppe befindet sich in Muttenz, Schweiz. Die Namenaktien der Valora Holding AG (VALN) werden an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange AG gehandelt. Valora