Simon Michel, CEO Ypsomed, im Interview

Simon Michel

Ypsomed-Konzernchef Simon Michel. (Foto: Ypsomed)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Michel, Sie zeigen sich im Jahr 1 nach Wegfall des Omnipod-Vertriebs von Insulet bemerkenswert optimistisch. Was sind die Gründe?

Simon Michel: Ypsomed ist einer Übergangsphase. Wir fokussieren nun noch stärker auf unsere Eigenprodukte. Dadurch steigern wir unsere Profitabilität nachhaltig und machen uns unabhängig von Zulieferanten.
Im vergangenen Geschäftsjahr haben wir dabei wichtige Etappenziele erreicht. Unsere Insulinpumpe mylife YpsoPump ist nun in 20 Märkten eingeführt und neben Europa auch in Indien, Australien und Kanada erhältlich. Wir haben zudem eine neue Produktfamilie mit Autoinjektoren kommerziell auf den Markt gebracht und erarbeiten im Bereich mit Injektionssystemen komplett neue Geschäftsfelder. Wir bauen alle Schweizer Standorte voll aus und eröffnen diesen Sommer planmässig die modernste Fabrik für Medizintechnik in Europa im norddeutschen Schwerin.

Ypsomed hat im vergangenen Geschäftsjahr ein Betriebsergebnis EBIT von 11,4 Mio Franken erzielt, mittelfristig sollen es über 100 Millionen sein. Wie wollen Sie diese hohe Messlatte überspringen?

Wichtig ist, das Ypsomed mit zwei unabhängigen Geschäftsfeldern breit aufgestellt ist. Hinzu kommt, dass in beiden Bereichen ein äussert günstiges Marktumfeld vorliegt. Der Markt für Insulinpumpen wächst jährlich um fast 10%. Ausserdem haben sich grosse Mitbewerber aus dem Segment zurückgezogen. Wir kennen den Markt und haben mit YpsoPump ein äusserst kompetitives Produkt. Im Geschäftsfeld mit Injektionssystemen haben wir mit den Autoinjektoren gerade erst eine neue Produktfamilie auf den Markt gebracht, die es erlaubt, die Therapie von chronischen Krankheiten zu vereinfachen und – besonders wichtig – vermehrt zuhause anstatt im Spital durchzuführen.

In den vergangenen fünf Jahren ist es uns zudem gelungen, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, so dass Pharma- und Biotech-Unternehmen heute nicht mehr um Ypsomed herum kommen und wir entsprechend hohe Margen durchsetzen können. Entsprechend gross sehen wir das Potenzial.

«Unsere Insulinpumpe mylife YpsoPump ist nun in 20 Märkten eingeführt und neben Europa auch in Indien, Australien und Kanada erhältlich.»

Simon Michel, CEO Ypsomed

Sie haben es angesprochen, zu den neuen Produkten gehört das letztes Jahr eingeführte Insulinpumpen-System YpsoPump. Rund 10’000 Patienten in gut 20 Märkten benutzen dieses bis jetzt. Wie schätzen Sie die Wachstumsaussichten ein?

Erst 10% aller Menschen mit Typ 1 Diabetes verwenden eine Insulinpumpe. Aus medizinischen Studien wissen wir, dass die Verwendung einer Insulinpumpe das Risiko von Folgeerkrankungen deutlich reduziert. Das heisst ein höherer Anteil von Insulinpumpen-Trägern senkt die Kosten für das Gesundheitssystem deutlich und nachhaltig. Mit unserer mylife YpsoPump sind wir bestens dafür positioniert. Durch Einfachheit, Kleinheit und Qualität können wir mehr Menschen auf eine Insulinpumpe bringen.

Ein grosser Wachstumsschub könnte durch die FDA-Zulassung in den USA erfolgen. Wieso kam es dort bei der Marktzulassung zu Verzögerungen?

Hintergrund ist eine zusätzlich geforderte Studie zur Bio-Kompatibilität unserer Insulinpumpe. Aufgrund der Verkettung verschiedener Umstände konnten wir diese nicht zeitgerecht einreichen. Wir haben immer gesagt, wir werden den Markteintritt USA sehr dosiert und vorsichtig gestalten. Insofern ist diese Verzögerung für uns eine Chance, den Markteintritt noch genauer vorzubereiten. Die Verzögerung hat keine negative finanzielle Auswirkung für das laufende Geschäftsjahr.

Ypsomed hat im vergangenen Jahr über 100 Mio Franken in Sachanlagen investiert, fast die Hälfte davon ging in den Bau des neuen Produktionswerks in Schwerin im Nordosten Deutschlands. Was spricht für diesen Standort?

Wir bekennen uns zum Wirtschaftsstandort Schweiz. Leider steht aber hier kein ausreichendes Bauland mehr zur Verfügung. In Schwerin haben wir nun den Raum und damit die Kapazitäten für die nächsten Jahrzehnte, um unser Wachstum sichern zu können. Zudem können wir so mehr Kosten im Euro-Raum generieren, was uns unabhängiger vom starken Schweizer Franken macht. Hinzu kommen eine gute logistische Lage, gut ausgebildete, verfügbare Mitarbeitende und die gemeinsame Sprache. Die ersten 30 Kolleginnen und Kollegen aus Schwerin waren bereits ein halbes Jahr bei uns, um unsere Kultur und Arbeitsweise kennen zu lernen.

In Schwerin sollen auch Komponenten für eine schlauchlose Pumpe für die Verabreichung von Insulin hergestellt werden. Wie weit sind Sie mit der Entwicklung des «YpsoPod»?

Das Entwicklungsprogramm ist auf Kurs. In den kommenden Monaten werden wir das Konzept finalisieren. Danach starten wir umgehend mit der Designrealisierung. Eine Einführung des Produktes ist Anfangs 2023 realistisch.

«In Schwerin haben wir nun den Raum und damit die Kapazitäten für die nächsten Jahrzehnte, um unser Wachstum sichern zu können.»

Und wie schätzen Sie hier das Potenzial ein? Wie gross ist der Anteil der schlauchlosen Pumpen an den jährlich verkauften Insulinpumpen?

Von den weltweit rund 1.4 Mio. Menschen mit Insulinpumpe verwenden aktuell rund 10% eine schlauchlose Pumpe. Wir sehen aber ein deutlich grösseres Potenzial von bis zu 30%. Daher verfolgen wir auch sehr konsequent die Entwicklung unserer eigenen schlauchlosen Insulinpumpe, die in der Herstellung deutlich günstiger sein wird als die bestehende Lösung.

Wie verlief das Geschäft mit Pens und Autoinjektoren im vergangenen Geschäftsjahr?

Erstmals wurden Medikamente in unserem Autoinjektor YpsoMate auf den Markt gebracht. Das war ein Meilenstein für uns. Ein Produkt war ein Biosimiliar zum umsatzstärksten Medikament auf dem Markt (Adalimumab von Abbvie). Ein anderes ein Medikament, das bisher nur in einer Spritze verfügbar war. In einem Autoinjektor ist es nun einfacher zu injizieren und erlaubt die bequemere Selbstmedikation durch den Patienten. Im laufenden Geschäftsjahr erwarten wir mehrere weitere kommerzielle Produkteinführungen.

Sie investieren in smarte Systeme, die die digitale Anbindung Ihrer Injektionsgeräte an Therapiemanagement-Lösungen und somit die Übertragung von Daten an Dritte ermöglicht. Die Kontrolle der Medikamenteneinnahme mag für Angehörige praktisch sein, aber ist es nicht heikel, wenn diese Daten zum Beispiel an die Krankenkasse gehen?

Therapietreue ist ein wichtiges Thema im Gesundheitssystem. Bei chronischen Krankheiten nehmen mehr als 50% der Patienten die Medikamente nicht oder nicht korrekt ein. Dies führt zu enormen Folgekosten. Smarte Injektionsgeräte sind eine Lösung für diese Herausforderung. Dem Arzt oder der Krankenkasse wird mitgeteilt, ob die Therapie korrekt geführt wird. Wir arbeiten mit dem etablierten Anbieter Philips zusammen. Alle internationalen Datenschutzbestimmungen werden selbstverständlich strengstens eingehalten.

Letzte Frage: Obwohl auch der Kanton Solothurn Nein zu tieferen Unternehmenssteuern gesagt hat, halten Sie an der Verlagerung von 110 Arbeitsplätzen von Burgdorf nach Solothurn fest. Weshalb?

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen nach Solothurn hat primär organisatorische Gründe. Wir verfolgen eine Wachstumsstrategie und haben allein in den vergangenen 18 Monaten rund 200 neue Stellen in der Schweiz geschaffen. Die Frage war nun, wie wir die weitere Expansion organisatorisch ausgestalten. In Solothurn stehen uns ausreichend Büroflächen zur Verfügung. Unsere bereichsübergreifenden Arbeitsabläufe lassen sich so agiler und effizienter gestalten. Dadurch können wir unser Wachstum nachhaltig sicherstellen. Zudem sind wir zuversichtlich, dass die Solothurnerinnen und Solothurner im dritten Anlauf der Steuervorlage einer wirtschaftsfreundlichen Vorlage zustimmen werden.

Herr Michel, besten Dank für das Interview.

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