Chris Plüss, Country Manager Fressnapf Schweiz. (Foto: Fressnapf)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Plüss, welche Beziehung haben Sie zu Tieren – muss man Hunde und Katzen mögen, um bei Fressnapf arbeiten zu können?
Chris Plüss: Ja, die Liebe zum Tier ist eine Grundvoraussetzung um unser emotionales Geschäft verstehen zu können. Ich selbst habe zuhause einen Tiger-Dackel als Haustier, aber auch der Schutz von Wildtieren liegt mir sehr am Herzen. Bei uns darf z.B. jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter ihr/sein Tier zur Arbeit mitbringen, was ein wichtiger Faktor für die Mitarbeiter Zufriedenheit und die Beratungsqualität ist. Unser Ziel ist, alles anzubieten um Haustiere tiergerecht und somit glücklich zu halten. So können wir einen wichtigen Beitrag leisten, dass der Haustierhalter, unser Kunde, auch eine nachhaltig glückliche Beziehung zu seinem Tier aufbauen kann.
Sie kamen Anfang 2011 vom Konsumgüterkonzern Unilever zu Fressnapf. Von Nahrungsmittel und Bodylotions zu Hundefutter und Katzenstreu – was hat Sie am Fressnapf-Konzept fasziniert?
In den letzten Jahren haben die internationalen Konsumgüter Konzerne ihr Geschäft regional harmonisiert und somit sehr viele Entscheide auf eine DACH oder Europa Ebene verschoben. Ich suchte daher eine neue unternehmerische Herausforderung mit grossem Potenzial. Dass es sich zudem noch um ein sehr emotionales, eigentümergeführtes Geschäft handelte, hat meinen Entscheid perfekt gemacht.
Tierliebe hat offenbar immer Konjunktur. Inmitten von Euro- und Schuldenkrise steigt der Fressnapf-Umsatz, im Geschäft ausserhalb Deutschlands im vergangenen Jahr um 9 %. Stellen Sie das Phänomen, dass die Menschen in der Krise auf ihr Heim inklusive Tiere besonderen Wert legen, auch in der Schweiz fest?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Fressnapf ist mittlerweile 22 Jahre alt und konnte durch eine in Europa einmalige Positionierung praktisch Jahr für Jahr doppelstellig wachsen. Der schweizerische Tierbedarfsumsatz im Detailhandel hat bis Mitte Jahr über 7% verloren. Einerseits wurden die Preise massiv gesenkt, aber andererseits sehen wir auch bei gewissen Kundensegmenten eine Verschiebung hin, im Ausland, Internet oder bei Discountern einzukaufen. Wir entwickeln uns weit über dem Markt, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass unsere Kunden sich durch eine sehr enge Beziehung zum Tier auszeichnen und Wert auf gute Qualität und Beratung legen.
Welchen Anteil am Gesamtmarkt des Heimtierbedarfs hat Fressnapf in der Schweiz?
Mittlerweile haben wir rund 10% Marktanteil. Die Schweiz wurde bis Ende 2010 als Masterfranchise-Geschäft betrieben und vom damaligen Franchise-Nehmer für Fressnapf-Verhältnisse konservativ entwickelt. In Österreich haben wir zum Beispiel einen Marktanteil von über 25% mit 110 Filialen. Unser längerfristiges Ziel in der Schweiz ist die Marktführerschaft mit rund 20% Marktanteil zu erreichen. Mittelfristig peilen wir 15% Marktanteil an, was ca. 100 Millionen Umsatz entspricht.
«Unser längerfristiges Ziel in der Schweiz ist die Marktführerschaft mit rund 20% Marktanteil zu erreichen.»
Chris Plüss, CEO Fressnapf Schweiz
Derzeit gibt es europaweit über 1200 Fressnapf-Fachmärkte, 43 davon in der Schweiz. Wie präsentiert sich die Expansionsstrategie des Konzerns für die Schweiz?
Dieses Jahr haben wir den Online-Shop und bereits vier neue Filialen eröffnet. Eine weitere wird bis Ende Jahr dazu kommen. Der Fokus liegt 2012 auf dem Umbau aller bestehenden Filialen in ein einheitliches Format. Ab 2013 werden wir die Expansion beschleunigen um unser Ziel von rund 75 Filialen in der Schweiz bald zu erreichen.
Worauf achten Sie bei der Standortsuche?
Wichtig ist ein ausreichendes Einzugsgebiet und ein gut frequentierter Standort mit hoher Visibilität und ausreichend Parkplätzen vor der Filiale, damit der Kunde die schweren Futter- und Katzensandsäcke bequem ins Auto verladen kann. Ein idealer Standort stellt zum Beispiel unsere letzte Eröffnung vom 23. August in Rümlang dar, wo wir gemeinsam mit Migros und Aldi in einem Fachmarktzentrum eröffnen konnten.
Alle Neueröffnungen folgen dem Konzept „Future Store“. Wie unterscheiden sich die Filialen von schon länger bestehenden Standorten?
Bis heute sind bereits 21 von 43 Filialen im neuen „Future Store“ Konzept realisiert oder umgebaut worden. Bis Ende 2013 werden alle Filialen als „Future Stores“ umgebaut sein. Nebst Farben und emotionalen Bildern, haben die „Future Stores“ ein viel bessere Kundenführung, bieten mehr Services und erlauben uns jeden Monat eine neue, saisonale „Welt“ umfassend zu präsentieren. Das „Future Store“ Konzept hilft uns dem Kunden insgesamt ein besseres Einkaufserlebnis zu bieten und uns noch stärker von der Konkurrenz abzugrenzen.
Sind XXL-Märkte wie in Deutschland geplant, wo neben Tieren und Zubehör zusätzliche Services wie Hundefriseure angeboten werden?
Bis anhin verkaufen wir in der Schweiz keine Haustiere. Mittelfristig ist geplant, in grösseren Agglomerationen einen XXL-Markt zu eröffnen. Das Ziel ist den Kunden in der Schweiz noch konsequenter, tiergerecht aufgezogene und gehaltene Tiere zu verkaufen, als unsere Mitbewerber dies heute tun. Welche zusätzlichen Services angeboten werden, ist noch offen.
«Bis Ende Jahr werden wir zum Beispiel unser Sortiment flächendeckend um über 30% vergrössern und die Preise um mehr als 10% gesenkt haben.»
Das Geschäft mit Haustieren ist stark umkämpft. Wie will Fressnapf seine Marktposition über das Ladenkonzept hinaus behaupten respektive ausbauen?
Unser „Pfötchen-Eid“-Versprechen ist, dem Kunden das beste Sortiment, mit der besten Beratung und den besten Preisen anzubieten. Dafür arbeiten wir jeden Tag sehr hart. Bis Ende Jahr werden wir zum Beispiel unser Sortiment flächendeckend um über 30% vergrössern und die Preise um mehr als 10% gesenkt haben. Unsere unübertroffene Beratungsqualität sichern wir mit viel Investitionen in Ausbildung und überprüfen sie in regelmässigen Abständen mit qualitativen und quantitativen Instrumenten.
Sie haben den Online-Shop angesprochen. Wie ist das Online-Geschäft angelaufen?
Wir wurden regelrecht überrascht vom riesigen Erfolg unseres Online Shops, ohne dass wir bis heute grössere Beträge in die Online-Werbung gesteckt haben. Der Mix von unserem „Pfötchen-Eid“, dem gratis Versand ab 35 Franken und der Möglichkeit, Produkte mit denen der Kunde nicht zufrieden ist, auch in unseren Filialen zu retournieren, ist einmalig und kommt bei unseren Kunden offensichtlich sehr gut an.
Warum hat es bis 2012 gedauert, bis Fressnapf hierzulande das Online-Geschäft in Angriff genommen hat?
Das hatten wir schlicht und einfach verschlafen. Wir waren in ganz Europa Jahr für Jahr so erfolgreich mit dem stationären Handel und haben den Online-Handel zu wenig ernst genommen. Dies werden wir jetzt möglichst rasch aufholen, um mittelfristig auch in jedem Land Marktführer im Online Handel zu werden.
«Wir waren in ganz Europa Jahr für Jahr so erfolgreich mit dem stationären Handel und haben den Online-Handel zu wenig ernst genommen.»
In der Schweiz leben über 1,3 Mio Katzen und über eine halbe Million Hunde. Welchen Anteil des Umsatzes generiert Fressnapf mit Hunden und Katzen?
Hunde und Katzen machen bei uns über 90% des Umsatzes aus und werden auch in Zukunft die beiden wichtigsten Kategorien bleiben. Allerdings werden wir bis Ende Jahr die Kompetenz in den Kategorien Nager, Aquaristik und Vogel massiv ausbauen. Ganz neu werden wir Futter und Zubehör für die wachsende Kategorie Terraristik einführen.
Wie wichtig sind die Eigenmarken von Fressnapf?
Im Zentrum stehen für uns die führenden Fachhandelsmarken wie Royal Canin, Hill’s oder ProPlan. Allerdings bieten wir sowohl im Food- wie auch Non-Food Eigenmarken auf praktisch jeder Qualitätsstufe an, jeweils zu mindestens 10% unter dem Preis der Markenartikel. Der Kunde profitiert auf Eigenmarken überproportional, weil wir die Exklusiv-Importeure der Markenproduzenten und die Zwischenhändler der Non-Food Artikel ausschalten können und direkt bei den Produzenten mit einem europäischen Volumen einkaufen können. Auf jeden Fall erhalten unsere Kunden bei den Eigenmarken immer das beste Preis-Leistungsverhältnis.
Auch die Haustierhaltung ist immer neuen Trends unterworfen. Welche sind im Moment festzustellen?
Erstens ist es Qualität, insbesondere im Bereich Futter. Die Kunden denken immer mehr an die langfristige Gesundheit ihres Tieres und sind bereit für ein natürliches, tiergerechtes Futter mehr zu bezahlen. Zweitens ist es Design. Wir sehen z.B. ein grosses Bedürfnis an hochwertigen Betten und Kratzbäumen, welche auch in das Interior-Design der Kunden passen. Drittens wird auch im Heimtiermarkt die Technologie immer mehr Einzug halten. Ich gehe z.B. davon aus, dass bereits in kurzer Zeit ein GPS-Tracker am Halsband eines Tieres ganz normal sein, so dass der Tierhalter jederzeit weiss wo sich z.B. seine Katze aufhält.
Herr Plüss, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
44 jährig, verheiratet, zwei Söhne und ein Dackel, MBA an der Uni Bern und General Management Executive Abschluss an der Harvard Business School.