Christian Kryenbühl, Inhaber und Geschäftsleiter swissbiomechanics, im Interview
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Kryenbühl, das ETH Spin-Off swissbiomechanics kombiniert die Handwerkskunst des von Ihrem Vater gegründeten Betriebes mit den neuesten technologischen Innovationen rund um den Bewegungsapparat. Da jedes einzelne Produkt von Ihnen eine Massanfertigung aufgrund einer individuellen Analyse ist, wie lässt sich das Geschäft skalieren und an weiteren Standorten etablieren?
Christian Kryenbühl: In der Tat werden bei uns sämtliche Produkte basierend auf den individuellen biomechanischen Daten nach Mass gefertigt. Aktuell sind wir an 10 Standorten in der Schweiz präsent und bieten unsere biomechanischen Abklärungen und Analysen an.
«Die Entwicklung von mobilen Devices und Wearables wird es uns in Zukunft, in Kombination mit Machine Learning und künstlicher Intelligenz (KI), ermöglichen, unser Geschäftsmodell noch skalierbarer zu machen.» Christian Kryenbühl, Inhaber und Geschäftsleiter swissbiomechanics
Hier werden über neueste technologische Innovationen die Bewegung, sowie der Bewegungsapparat vermessen und die Ursache von Beschwerden am Bewegungsapparat eruiert. In Einsiedeln in unserem neuen Firmenhauptsitz werden nach detaillierten Auswertungen und Analysen dann die Mass-Produkte zentral gefertigt und hergestellt, bevor diese dann wieder an den Aussenstandort ausgeliefert werden.
Insbesondere die rasante technische Entwicklung, die Entwicklung von mobilen Devices und Wearables, wird es uns in Zukunft, in Kombination mit Machine Learning und künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichen, unser Geschäftsmodell noch skalierbarer zu machen.
Sportfachhändler wie Stöckli bieten zur Erweiterung der Dienstleistungen ebenfalls Analysen und angepasste Skischuhe an. Wie unterscheiden Sie sich von diesen Mitbewerbern?
Damit ein Mass-Skischuh wirklich passt, bedarf es verschiedener Komponenten. Zum einen ist handwerkliches Können und Erfahrung, zum anderen sind umfassende anatomische Kenntnisse gefragt. Wir verfügen über 60-jährige Erfahrung im Handwerk und in der Anpassung von Skischuhen. Zudem werden die Analysen von Bewegungs- und Sportwissenschaftern durchgeführt, welche über einen Hochschulabschluss verfügen und das nötige Know-how rund um den Bewegungsapparat mitbringen.
Im Sportfachhandel werden diese Analysen durch Sportartikel-Verkäufer und Verkäuferinnen durchgeführt, die zudem über geringe Erfahrung verfügen. Der Unterschied besteht folglich in der handwerklichen Erfahrung, sowie im Wissen rund um den Bewegungsapparat und die Fussanatomie. Ferner verwenden wir Eigenprodukte wie zum Beispiel einen eigens entwickelten Innenschuh, den wir für Massanpassungen optimiert haben.
2019 haben Sie am neuen Hauptsitz in Einsiedeln mit dem “Motion Innovation Center” das wohl modernste Lauf- und Ganganalysen-Labor Europas eröffnet. Wie hat sich das Labor auf die Entwicklung der verschiedenen Geschäftsbereiche ausgewirkt, welche Rolle kommt ihm für die zukünftige Entwicklung von swissbiomechanics zu?
Unser Motion Innovation Center haben wir mit einer klaren Vision und einem klaren Ziel über mehrere Jahre hinweg geplant und sind sehr stolz, dies nun als unseren neuen Firmenhauptsitz zu bezeichnen. Unser Ziel war es, Dienstleistungen und Produkte auf einem ganz neuen Level anzubieten.
Für den Kunden soll der Besuch vor Ort als unvergleichliches Erlebnis in Erinnerung bleiben. Daher findet unser Kunde im Motion Innovation Center jene Dienstleistungen und Produkte vor, die es an keinem anderen unserer Standorte hat. Das Gebäude verfügt unter anderem über einen 40 Meter Lauftrack mit den neuesten biomechanischen Messausstattungen, die so nur in renommierten Forschungseinrichtungen anzutreffen sind.
«Wir haben ein Labor, welches uns ermöglicht, auf allerhöchstem, wissenschaftlichem Niveau Analysen durchzuführen und somit unsere Produkte ständig weiter zu entwickeln.»
Dieses Höchstmass an Genauigkeit in der biomechanischen Analyse können wir erstmals auch „Otto Normalverbraucher“ zugänglich machen. Durch die neuen Messeinrichtungen haben wir bereits in den verschiedenen Geschäftsbereichen profitiert, da wir täglich neue Erkenntnisse gewinnen, die nur dank dieser hohen Messgenauigkeit möglich sind. Dies zeigt sich auch in der Produktentwicklung. Wir konnten unsere Mass-Einlagen und Schuhe noch effektiver und passgenauer konzipieren, sowie unsere Materialien weiterentwickeln.
Das zeigt das grosse Potential auf, welches diesem Labor in der zukünftigen Entwicklung unserer Firma zukommt. Wir haben ein Labor, welches uns ermöglicht, auf allerhöchstem, wissenschaftlichem Niveau Analysen durchzuführen und somit unsere Produkte ständig weiter zu entwickeln. Im Weiteren haben wir auch schon Forschungs- und Entwicklungsaufträge von Schuh- und Sportfirmen erhalten, was durchaus auch in Zukunft ein weiterer Geschäftszweig werden könnte.
Neben dem Hauptsitz in Einsiedeln haben Sie einige Standorte in der ganzen Schweiz, bald auch einen neuen in Chur. Da Sie auf der Forschungsseite viele Kontakte mit ausländischen Hochschulen haben, gibt es Pläne zu einer Expansion ins Ausland?
Pläne für eine Expansion ins Ausland gibt es bereits. Diese Pläne hängen jedoch noch mit einigen Weiterentwicklungen im Bereich Messtechnik und Software zusammen, die es uns erlauben werden, unser Geschäftsmodell entsprechend skalierbarer zu gestalten.
Bis anhin wurden aufgrund eingehender Gang- und Laufanalysen individuelle Einlagen und Schuhe gefertigt. Aktuell erlaubt die Sensortechnologie aktive Rückmeldungen, zum Beispiel über die Schuhsohlen und Einlagen, zur Verbesserung von Bewegungen und Abläufen, wie zum Beispiel beim Skifahren, Golfen, Fahrradfahren. Eine Entwicklung, in die Sie ebenfalls investieren?
Ja, diese Entwicklungen verfolgen wir sehr intensiv, begleiten diese, gestalten diese aber auch selbst mit. Die Sensortechnologien werden je länger, je kleiner und leichter. Dies ergibt künftig sehr spannende Möglichkeiten. Nicht zuletzt auch im Bereich „predictive medicine“. Je früher wir Beschwerden oder Erkrankungen künftig erkennen, desto früher können wir auch etwas dagegen unternehmen. Hier werden wir in den nächsten Jahren einige spannende Projekte umsetzen und unseren Kunden innovative Lösungen anbieten können.
Über die verschiedenen Analysen, die Sie bei Kunden durchführen (Lauf-, Haltungs-, Rücken-, Fahrrad-Analysen), gewinnen Sie eine Menge an Daten zur Erstellung einer so genannten Biomechanischen ID. Diese könnte zu vielen weiteren Produkten verwendet werden. Gibt es dazu schon weitere Entwicklungen oder Kooperations-Ideen mit anderen Herstellern?
Die biomechanische ID eines Menschen liefert uns viele spannende Informationen über anthropometrische Messdaten, Proportionen, Belastungen und individuelle Bewegungsmuster. Diese Daten können helfen, hoch individualisierte Produkte zu fertigen, die den Menschen gesunde Bewegung ermöglichen. Die additive Fertigung kann hier in Zukunft ebenfalls helfen, die Produkte noch individueller und vor allem hoch funktionell zu fertigen.
«Wir erkennen vieles in der Bewegung, das für Arzt und Therapeut so nicht sichtbar wäre.»
Ihre Analysen ermöglichen sowohl Prävention als auch Korrekturen an Bewegungsabläufen und können so viele schwerere Krankheitsbilder mildern oder gleich verhindern. Inwieweit machen davon Therapeuten, Ärzte und Krankenkassen Gebrauch?
Wir sehen uns als zentrale Schaltstelle in der interdisziplinären Zusammenarbeit. Für Fachleute rund um den Bewegungsapparat sind wir Anlaufstelle für detaillierte und mit objektiven Messdaten belegte Abklärungen. Die Erkenntnisse aus der Analyse fliessen einerseits in unsere Produkte ein, andererseits stellen wir diese Erkenntnisse dem betreuenden Umfeld (Arzt, Therapeut) zur Verfügung, um die weiteren Massnahmen (wie z.B. Training und Übungen) darauf abzustimmen. Gerade funktionelle, beziehungsweise muskuläre Defizite sind für die Physiotherapie extrem wichtig, um die Therapie individueller zu gestalten. Wir erkennen vieles in der Bewegung, das für Arzt und Therapeut so nicht sichtbar wäre.
Auf der Hardware-Seite kann die Entwicklung von 3D-Scannern (inzwischen mit Mobiltelefon möglich), Sensoren und 3D-Druckern die Zeit und die Kosten für die Herstellung von Mass-Einlagen signifikant reduzieren und die Einlagen “intelligenter” machen. Wie setzen Sie diese Technologien ein, welche technologischen Entwicklungen haben aus Ihrer Sicht das grösste Potential, Ihr Geschäft in der nahen Zukunft zu prägen?
Scanlösungen über Mobiltelefone sind schon ziemlich gut, jedoch besteht hier noch Optimierungspotential. Sensoren werden immer besser, kleiner und leichter.
«In der Früherkennung von Krankheiten und Beschwerden sehen wir grosses Potential. Wer früher erkennt, kann früher agieren und muss nicht später oder zu spät reagieren.»
Hier sehe ich grosses Potential, da wir sehr viele Messdaten künftig im Feld (also Outdoor) erheben können. Dies ermöglicht noch realere Bedingungen und noch mehr Daten, als bei Messungen im Labor. 3D-Drucker, beziehungsweise die additive Fertigung, sind ebenfalls in „Siebenmeilenstiefeln“ unterwegs. Hier sehe ich den Vorteil, dass noch nachhaltiger produziert werden kann. Es wird nur die Menge an Material verbraucht, die wirklich benötigt wird.
Die in der Analyse anfallende Datenflut schreit geradezu nach Auswertungen mit “künstlicher Intelligenz”. Inwieweit ist das bei swissbiomechanics ein Thema und welche weiteren Geschäftsfelder könnten sich damit eröffnen, zum Beispiel in der präventiven Medizin oder im Sport?
In der Tat ist das Thema AI – künstliche Intelligenz – bei uns seit einiger Zeit ein Thema und wir bereiten die Daten entsprechend auf. Datenschutz, sowie Datenmenge und der Umgang mit den Daten sind grosse Herausforderungen, die wir aber gerne annehmen und lösen.
Wir sehen hier grosses Potential, unseren Kunden und Patienten noch besser helfen zu können. Gerade auch in der Früherkennung von Krankheiten und Beschwerden sehen wir grosses Potential. Wer früher erkennt, kann früher agieren und muss nicht später oder zu spät reagieren. Wir wollen ein Problem erst gar nicht aufkommen lassen, anstatt dieses dann lösen zu müssen.
In allen Produktionsbereichen ist das Thema der Kreislaufwirtschaft aktuell unumgänglich. Welchen Stellenwert hat das Thema bei swissbiomechanics, wo gibt es schon konkrete Ansätze bei der Umsetzung?
Wir befassen uns seit einigen Jahren intensiv mit diesem Thema. Aktuell fertigen wir unsere Mass-Einlagen über CNC Fräsen und aus Kunststoffblöcken. Die Fräsabfälle sind leider nicht rezyklierbar. Hierzu wurden diverse Untersuchungen an der OST (Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil – IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung) durchgeführt. Daher gingen wir über ein Innosuisse-Projekt verschiedene Ansätze im Bereich der additiven Fertigung an, da diese Fertigung ressourcenschonender ist.
Letztes Jahr konnten wir einen ersten Meilenstein erreichen und einen Kreislauf bei uns schliessen. Unsere Kunden können ihre alten Skischuhe bei uns abgeben. Die Argo (Behinderten-Werkstatt in Davos) entfernt Schnallen und Bändel. Anschliessend werden die Schalen geschreddert und über eine hoch technische Anlage am IWK/OST in ein Kunststoff-Filament zurückgeführt, welches wir für den 3D Druck von Schuhleisten (benötigen wir für die Fertigung von Mass-Produkten bei uns) wieder verwenden können. Diese Anlage wird an der OST betrieben. Solche Kreislaufwirtschaft möchten wir bei uns vermehrt umsetzen, damit das Material möglichst lange seinen Nutzen erfüllen kann.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Gesundheit und eine friedlichere Welt.
swissbiomechanics Als führende Anbieterin von diversen klinischen Analysen, die in renommierten Kliniken der Schweiz durchgeführt werden, sieht sich swissbiomechanics seinen Patienten und Kunden gegenüber verpflichtet. swissbiomechanics zeichnet sich durch ein innovatives Konzept klinischer Lauf- und Ganganalysen, welches weltweit eingesetzt wird, aus. Die Herstellung unserer Mass-Produkte, wie zum Beispiel Schuhe oder Einlagen, sind in dieser Qualität und Art einmalig. Um unsere hohen Qualitätsstandards gewährleisten zu können, werden Produktionsorte und Zulieferer in der Schweiz bevorzugt berücksichtigt. https://www.swissbiomechanics.ch/ |
Dieses Interview wurde mit der freundlichen Unterstützung des Amts für Wirtschaft des Kantons Schwyz ermöglicht