Christian Schmid, CEO St.Galler Kantonalbank SGKB, im Interview
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von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Schmid, die St.Galler Kantonalbank leidet wie andere Finanzinstitute unter dem schwierigen Zinsgeschäft. Der Zinserfolg lag 2024 mit 332 Millionen Franken rund 10 Prozent unter dem Vorjahr. Von welcher Entwicklung gehen Sie in den nächsten Monaten aus?
Christian Schmid: 2023 war ein ausserordentliches Jahr, da sich die Zinsen in der Schweiz im ersten Halbjahr aus dem Negativbereich heraus lösten und stark anstiegen. Damals lag der Bruttozinsertrag fast 20% über dem Vorjahr und somit weit über dem Durchschnitt. Der Bruttozinsertrag 2024 reiht sich hingegen wieder in den angestrebten nachhaltigen, langjährigen Wachstumspfad ein.
Prognosen zur Zinsentwicklung sind aktuell mit sehr grosser Unsicherheit behaftet. Die Schweizerische Nationalbank hat zuletzt unterstrichen, dass Zinssenkungen zurzeit ihr Hauptinstrument zur Bekämpfung des starken Frankens sind. Wir erwarten deshalb im März eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte. Wie sich der Zinspfad danach entwickelt, hängt massgeblich von der weiteren Entwicklung des Frankens und der Inflation ab. Wir erwarten jedoch, dass das Zinsniveau im positiven Bereich verbleibt.
Bereiten Sie sich auch auf allfällige Negativzinsen vor?
Es gehört zur unternehmerischen Aufgabe, sich mit Szenarien zu befassen. Dies gilt auch für mögliche Negativzinsen. Aber wie gesagt: Wir gehen davon aus, dass das Zinsniveau im positiven Bereich verbleibt.
«Prognosen zur Zinsentwicklung sind aktuell mit sehr grosser Unsicherheit behaftet.»
Christian Schmid, CEO St.Galler Kantonalbank SGKB
Ob Donald Trumps Zollpolitik, der Krieg gegen die Ukraine, die schwache Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und China – inwieweit lassen sich die verschiedenen Szenarien in die Risikopolitik der SGKB integrieren?
Wir bewerten geopolitische oder politische Risiken laufend auf ihre potenziellen Auswirkungen auf die weltweite Realwirtschaft -und davon abgeleitet, auf die Ostschweizer Wirtschaft. Entsprechend fliessen sie auch individuell und unterschiedlich in die Risikobeurteilung der Bank ein.
Wie sieht es mit der Konjunkturentwicklung im SGKB-Kerngebiet aus?
Die Ostschweizer Wirtschaft zeigt derzeit ein gemischtes Bild: Die Binnenmarkt-orientierten Sektoren bleiben eine Stütze für die hiesige Wirtschaft, während die Industrie weiterhin unter Druck steht. Der Auftragsbestand in der Industrie hat sich aufgrund der schwachen Auslandsnachfrage, vor allem aus Deutschland, weiter verschlechtert. Für zusätzliche Unsicherheit sorgen die protektionistischen Absichten der neuen US-Administration. Die binnenmarktorientierten Sektoren, wie das Baugewerbe und der Detailhandel, entwickeln sich hingegen nach wie vor solide. Das tiefe Zinsniveau und die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt wirken hier stützend.
«Die Ostschweizer Wirtschaft zeigt derzeit ein gemischtes Bild: Die Binnenmarkt-orientierten Sektoren bleiben eine Stütze für die hiesige Wirtschaft, während die Industrie weiterhin unter Druck steht.»
Die SGKB hat 3,1 Milliarden Franken an Neugeldern gewonnen und betreut mit 64,5 Milliarden Franken fast 10 Prozent mehr Vermögen. Wie werten Sie diese starke Zunahme?
Basis dieses Wachstums ist immer das Vertrauen unserer Kundinnen und Kunden. Zudem sind wir betreffend Wachstumsquellen sehr gut diversifiziert: Im Heimmarkt, in der Deutschschweiz und in Deutschland sind wir mit verschiedenen Geschäftsfeldern tätig. Diese Strategie ergibt über die Jahre hinweg in der Summe ein sehr gutes Wachstum.
War weiterhin ein gewisser «CS-Effekt» zu spüren?
Eindeutig weniger stark als noch im Jahr 2023. Aber gerade das überdurchschnittliche Wachstum der Kundenausleihungen bei den Gewerbe- und Firmenkunden sowie den Immobilieninvestoren ist weiterhin zu einem Teil auf den Konsolidierungseffekt UBS/CS zurückzuführen.
Das Geschäftsvolumen ist wie schon im Vorjahr um über 8 Prozent gestiegen. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Zusätzlich zum neuen Geschäftsvolumen von 3.1 Mrd Franken war das Jahr 2024 ein sehr gutes Anlagejahr. Dank einer sehr guten Performance unserer Anlageprodukte und der generell guten Märkte stieg das Geschäftsvolumen um weitere 2.6 Mrd Franken.
Trotz dem Rückgang im Zinsgeschäft verzeichnet die SGKB einen nur leicht tieferen Geschäftsertrag und einen höheren Reingewinn, weil keine Zuweisung an die Reserven erfolgte. Welche Gesamtbilanz ziehen Sie?
Unser Geschäftsmodell ist mit einem Verhältnis von 60/40 sehr gut zwischen Zinsen- und Anlagegeschäft ausbalanciert. Einmal mehr hat sich gezeigt, wie wichtig diese Diversifikation ist. Während der Zinsertrag im Vorjahresvergleich um rund 27 Mio. tiefer lag, konnte der zweite Ertragspfeiler mit einem Plus von 20.6 Mio. dies fast vollständig wieder kompensieren.
«Unser Geschäftsmodell ist mit einem Verhältnis von 60/40 sehr gut zwischen Zinsen- und Anlagegeschäft ausbalanciert. Einmal mehr hat sich gezeigt, wie wichtig diese Diversifikation ist.»
Der Geschäftsaufwand ist im vergangenen Jahr um 3,8 Prozent gestiegen. Unter anderem wurden 31 neue Vollzeitstellen geschaffen. In welchen Bereichen hauptsächlich?
Etwa die Hälfte der neuen Stellen wurde in der Kundenberatung geschaffen. Der Rest verteilt sich über die ganze Organisation.
Wie sieht es mit der Dividendenrendite und der Ausschüttungsquote der SGKB für das vergangene Jahr aus?
Die SGKB verfolgt eine berechenbare und nachhaltige Dividendenpolitik. Die vorgeschlagene Dividende von 19 Franken pro Aktie entspricht einer Ausschüttungsquote von 52% des Konzerngewinns. Die Dividendenrendite für 2024 beträgt 4.3%.