von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Brönnimann, Medartis produziert hauptsächlich Platten und Schrauben aus Titan. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Wie viel kostet Ihr teuerstes Produkt?
Christoph Brönnimann: Unsere anatomischen Platten sind in der Herstellung die aufwändigsten Produkte. Diese sind wichtig, damit eine optimale anatomische Passform gewährleistet werden kann. Je nach Art der Fraktur und Knochenqualität des Patienten verwendet der Arzt unterschiedliche Platten und unterschiedliche Anzahl Schrauben, und damit ist der Preis der Versorgung nicht einheitlich.
Werden Zangen, Bohrer und Messgeräte von Ihnen selbst hergestellt?
Unsere Kernkompetenz liegt in der Entwicklung und Herstellung der anatomischen Platten und Schrauben und deren Schlüsseltechnologien, insbesondere der TriLock-Verblockungstechnologie, die wir in unserer Produktionsstätte am Hauptsitz in Basel herstellen. Chirurgische Instrumente wie zum Beispiel Zangen, Bohrer und Tiefenmessgeräte lassen wir von ausgewählten und qualifizierten Partnerfirmen herstellen. Diese Firmen sind bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Entwicklung der Systeme miteinbezogen, damit die Instrumente und Implantate aufeinander abgestimmt sind.
„Frakturen und Arthrodesen der Phalangen und Metakarpalen“ können beispielsweise durch APTUS Hand versorgt werden. Wie viel Entwicklungszeit steckt durchschnittlich in einem solchen Hightech-Produkt?
Für eine Versorgung braucht es immer Implantate und dazugehörige Instrumente welche aufeinander und auf die Operationstechnik abgestimmt sein müssen. Ein von Grund auf neu entwickeltes System benötigt in etwa eine Entwicklungszeit von 2-3 Jahren. Mit der TriLock-Technologie, welche wir auf fast allen Systemen anwenden, ist die technologische Lösung bereits vorhanden. Aus diesem Grund können sich unsere Entwicklungsingenieure mit dem ärztlichen Entwicklungsteam auf die optimale anatomische Passform und die optimale klinische Versorgung fokussieren.
«Wir entwickeln unsere Implantate und die dazugehörigen Instrumente in enger Zusammenarbeit mit internationalen Chirurgen und wissenschaftlichen Institutionen.»
Christoph Brönnimann, CEO Medartis
Ein Sportkollege von mir hatte einen Unfall mit über 50 Knochenbrüchen. Wo liegen die Grenzen der Osteosynthese?
Erstens einmal wünsche ich Ihrem Sportkollegen eine gute und rasche Genesung.
Danke, er kann wieder gehen. Das ist schon was.
Die Grenzen der Osteosynthese liegen meines Erachtens nicht in der Anzahl, sondern vor allem in der Art der Frakturen und der Knochenqualität des Patienten. Rein mechanisch ist aus Sicht der Implantate vieles möglich. Mit unseren kleinsten Dimensionen der Platten und Schrauben können auch kleinste Fragmente rekonstruiert werden. Aber was mechanisch möglich ist, ist nicht unbedingt biologisch das Beste. Ob es dann klinisch auch sinnvoll ist, muss jeweils der Arzt von Fall zu Fall entscheiden. Dabei spielt der Allgemeinzustand, chronische Erkrankungen wie Diabetes, Osteoporose, Übergewicht oder die Lebensumstände des Patienten eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Aus diesem Grund entwickeln wir unsere Implantate und die dazugehörigen Instrumente in enger Zusammenarbeit mit internationalen Chirurgen und wissenschaftlichen Institutionen, damit optimale, auf die klinischen Bedürfnisse ausgerichtete Systemlösungen entstehen.
Wie preiselastisch ist denn Ihr Geschäft?
Bedingt preiselastisch. Unser Gesundheitssystem in der Schweiz regelt die stationäre Versorgung über die Fallpauschalen. Der Arzt ist primär für die Versorgung seiner Patienten verantwortlich, und daher bestimmt er mit welcher Technologie und Implantaten er seine Patienten am Besten versorgen kann. Für den Arzt steht das klinische Resultat seines Patienten im Vordergrund. Aus diesem Grund sind die Technologie, Instrumentation, die Breite des Implantat Portfolios, sowie die Betreuung durch unsere Aussendienstmitarbeiter für den Arzt die grundlegenden Anforderungen. Dass es wirtschaftlich für das Krankenhaus aufgehen muss, ist aber auch klar.
Knausern die Versicherungen auch in Ihrer Branche?
Die meisten Gesundheitssysteme leiden unter demselben Phänomen der stark wachsenden Gesundheitskosten. Die Gründe hierzu sind bekannt: Bevölkerungswachstum, Überalterung, Aktivität im Alter, sowie die Zunahme der chronischen Erkrankungen. Alle unsere Indikationen im Bereich der Unfallchirurgie und Wahleingriffe in den Extremitäten sind über das DRG-System (ein pauschalisiertes Abrechnungssystem nach Fallgruppen, A.d.R.) abgedeckt und bezahlt. Die Fallpauschale wird für sämtliche stationären Eingriffe alle zwei Jahre angepasst. Das ist mittlerweile in fast allen Ländern so.
Mit zwei Prozent Marktanteil ist Medartis noch ein kleiner Player. Wie hart sind in Ihrem Geschäft die Bandagen?
Im weltweiten Orthopädie- und Trauma-Markt spielen natürlich viele Firmen, und entsprechend umkämpft ist der Markt. Entscheidend aber ist nicht nur die Grösse alleine, sondern ebenso die Spezialisierung, Technologie, Innovationskraft und Agilität eines Unternehmens, und diesbezüglich sind wir sehr gut aufgestellt.
Allein gegen drei grosse US-Konkurrenten. Das stelle ich mir nicht einfach vor…
Als Schweizer Unternehmen mit Hightech-Engineering und Premium-Qualität unterscheiden wir uns von den grossen US-Konkurrenten über unsere Spezialisierung im Bereich der Extremitäten und der Gesichts- und Kieferchirurgie. Mit unseren Implantatlösungen bieten wir den Chirurgen und Fachspezialisten ein umfassendes Portfolio, mit jeweils verschiedenen Behandlungsoptionen für die Versorgung ihrer Patienten. Zudem sind wir als kleine Firma wesentlich innovativer und schneller am Markt, was uns erlaubt auf die Bedürfnisse der Ärzte besser einzugehen. Die Tatsache, dass wir jedes Jahr zweistellig und deutlich über dem Markt wachsen, beweist das.
Die Alterstruktur der Bevölkerung und der weiter zunehmende Freizeitsport sind generelle Markttreiber. Um wie viele Prozentpunkte?
Der weltweite Markt wächst jährlich etwa 3-5 Prozent.
«Wir sehen in allen Bereichen noch erheblichen Bedarf für Innovation»
Ihre Kunden sind die Chirurgen, welche Sie mit Schulungsprogrammen, wissenschaftlichen Studien und wechselseitiger Zusammenarbeit in der Entwicklung gewinnen. Wo liegen da noch Innovationslücken?
Wir sehen in allen Bereichen noch erheblichen Bedarf für Innovation, sei es bei den Implantaten, höherer Standardisierung oder Digitalisierung der Operationsplanung und -technik, mit dem primären Ziel, die Heilungsraten zu verbessern sowie die Behandlungsdauer und somit die Versorgungskosten zu senken. Gerade bei Patienten mit sehr komplexen Frakturen oder mit Diabetes, Übergewicht oder Osteoporose sind die Heilungsraten deutlich tiefer, was zu Komplikationen und Re-Operationen führen kann.
Jetzt erst geht Medartis in den chinesischen Markt. Wie hoch sind Ihre Erwartungen?
Wir sind realistisch. Der chinesische Markt hat unbestritten Potential, ist stark reguliert und mittlerweile haben sich viele lokale Unternehmen sehr gut etabliert. Multinationale Unternehmen fokussieren auf den Premium-Markt, welcher etwa 25-30% des Gesamtmarktes ausmacht. Für uns werden die ersten Jahre eine Lernerfahrung sein. Mittelfristig wollen wir uns auch im chinesischen Markt und bei den chinesischen Ärzten als ein führender Hersteller im Bereich der Extremitäten etablieren.
«Mittelfristig wollen wir uns auch im chinesischen Markt und bei den chinesischen Ärzten als ein führender Hersteller im Bereich der Extremitäten etablieren.»
Im Moment haben Sie rund 70 Patente. Besteht in China auch die Gefahr des Patentklaus?
Die Gefahr besteht grundsätzlich. Das Wesentliche bei unserer Technologie ist nicht nur das Patent, vor allem aber das Know-how im Prozess und in der Herstellung. Dies ist nicht so schnell kopierbar.
In der Regel entscheidet ja der Chirurg, was er „verbaut“. Wenn Sie selbst einmal eine Knochenoperation erleiden sollten, werden sie aber bestimmt auf Medartis-Produkte bestehen – nehme ich mal an?
Ja klar, in einem solchen Fall würde ich natürlich auch die bestmögliche Versorgung wünschen.