Christoph Inauen und Eric Garnier, Co-Founder Choba Choba, im Interview

Christoph Inauen und Eric Garnier, Co-Founder Choba Choba, im Interview
Die Choba Choba-Gründer Eric Garnier (l.) und Christoph Inauen. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab: Weihnachten rückt näher und in den Regalen türmen sich die Schokoladenerzeugnisse. Was geht Ihnen bei diesem Anblick durch den Kopf?

C.I.: Zunächst einmal natürlich Erinnerungen an die eigene Kindheit. Wie wir zur Weihnachtszeit mit glänzenden Augen von den Schokoladenbergen im Geschäft standen.

E.G.: Heute sehen wir die Situation mit ganz anderen Augen. Natürlich nach wie vor als leidenschaftliche Schoggi-Fans, doch haben wir in den 10 Jahren unserer Tätigkeit in der Schokoladenindustrie auch die andere, weniger süsse Seite des Geschäfts kennengelernt. Wir wissen, was wirklich hinter der Produktion von Schokolade steckt und wie viel in der Industrie heute falsch läuft.

C.I.: Wir sehen auch, wie die meiste Schokolade auf dem Markt mit überflüssigen Ingredienzen wie Palmöl, Vanillin, Aromen und anderen Zusatzstoffen vermischt wird, was auch dazu führt, dass fast alle Schokoladen heute gleich schmecken. Für uns ist weniger mehr. Darum enthält unsere Grundschokolade nur Kakaobohnen, Kakaobutter und Rohrohrzucker. Sonst nichts. Mehr braucht sie auch nicht, denn so können die zahlreichen Aromen unserer Kakaos wirklich zur Geltung kommen.

Sie sind mit Choba Choba mit dem Ziel einer «Schokoladenrevolution» angetreten. Erklären Sie uns Ihre Beweggründe, weshalb braucht es diese Revolution?

E.G.: Drei multinationale Konzerne beherrschen heute 75% der milliardenschweren Kakao- und Schokoladenindustrie. Ihnen gegenüber stehen sechs Millionen Kakaobauern, welche zumeist in Armut leben und keine Stimme haben. Der Kakaopreis wird an den internationalen Rohstoffbörsen, fernab von der Realität der Kakaobauern, festgelegt, und stark von den Multinationalen beeinflusst. Die Kakaobauern haben kein Mitspracherecht, keine Verhandlungsmacht und werden auf ihre Rolle als Rohstofflieferanten reduziert und von der weiteren Wertschöpfung am Produkt ausgeschlossen. Dies alles führt dazu, dass die Kakaobauern von ihrem Anbau kaum noch leben können. Die junge Generation sieht darin keine Zukunft mehr und wendet sich zunehmend davon ab. Um die Lebensbedingungen der Kakaobauern nachhaltig zu verändern braucht es vollkommen neue Ansätze, die das bestehende System komplett umkrempeln.

«Drei multinationale Konzerne beherrschen heute 75% der milliardenschweren Kakao- und Schokoladenindustrie. Ihnen gegenüber stehen sechs Millionen Kakaobauern, welche zumeist in Armut leben und keine Stimme haben.»

Sie waren viele Jahre in der Schokoladenindustrie tätig und kamen weltweit in Kontakt mit den Kakaobauern. Wie gross ist deren Not in Folge der von Ihnen geschilderten «Machtverhältnisse»?

C.I.: 2006 habe ich in Westafrika gearbeitet. Dort wurde ich Zeuge, wie Kinder für 25 Euro als Kindersklaven an Kakaoplantagen verkauft wurden. Aus purer wirtschaftlicher Not, weil die Eltern nicht in der Lage sind, für das Kind zu sorgen. Die grosse Mehrheit der sechs Millionen Kleinbauern, die Kakao produzieren, lebt in Armut und muss mit weniger als 2 US-Dollar pro Tag auskommen.

Gerade im Kakaomarkt tummeln sich zahlreich Fairtrade-Organisationen, die den Bauern zu besseren Bedingungen verhelfen wollen. Welchen Einfluss hat denn deren Wirken?

E.G.: Sie sind ein Anfang, aber sie haben zu wenig Auswirkung. Sie verhelfen den Bauern eventuell zu 10 Prozent mehr Einkommen, das ist aber immer noch viel zu wenig. Damit ein Kakaobauer aus der Armut findet, müsste sein Einkommen vervierfacht werden. Somit braucht es einen Wandel im System selbst. Die Bauern müssen endlich eine Stimme in der Industrie haben, ein Mitspracherecht und mehr Macht.

Mit Choba Choba wollen Sie einen Parallelmarkt aufbauen. Wie sieht dieses Geschäftsmodell aus?

C.I.: Bei Choba Choba sind die Bauern Miteigentümer der Schokoladenmarke. Das gibt ihnen mehr Macht und eine Stimme in der Industrie. Sie bestimmen in der Unternehmensführung mit. Zudem verkaufen wir unsere Produkte nur in unserem eigenen E-Shop und damit direkt an die Konsumenten. Damit schalten wir den Zwischenhandel vollständig aus und sparen Margen ein, was letztendlich wiederum mehr für die Kakaobauern bedeutet.

«Besonders wichtig ist aber auch, dass Choba Choba das Selbstwertgefühl der Kakaobauern enorm gestärkt hat.»

Wie berechnet sich der Preis?

C.I.: Bei Choba Choba bestimmen die Kakaobauern den Preis für ihren Kakao selbst. Wir nennen dieses Prinzip „Bottom-Up-Pricing“. Einmal im Jahr legen sie den Preis in einem demokratischen Prozess fest.

Sie haben denn grössten Teil des Startkapitals investiert, es sind aber bereits 36 Bauernfamilien aus der Region Alto Huayabamba in Peru an Choba Choba beteiligt. Mittelfristig sollen diese die Mehrheit am Unternehmen besitzen. Lässt sich beziffern, wie sich die Situation der Kakaobauern heute bereits verbessert hat?

E.G.: Bereits heute verkaufen die Bauern ihren Kakao an Choba Choba zu einem Preis, der 60-90% höher als der Börsenpreis ist. Zudem erhalten sie 5% vom Umsatz und können damit weitere Anteile am Unternehmen erwerben. Besonders wichtig ist aber auch, dass Choba Choba ihr Selbstwertgefühl enorm gestärkt hat. Sie sind nun nicht mehr „nur“ Kakaobauern, irgendwo am Ende der Supply-Chain und den Börsen und Multinationalen hilflos ausgeliefert. Sondern sie sind stolze Miteigentümer eines Schokoladenunternehmens und verkaufen ihre Produkte direkt an die Konsumenten.

Choba Choba
(Foto: Choba Choba)

Kommen wir noch auf das Produkt an sich zu sprechen. Was ist das Besondere an den Choba Choba-Kreationen?

C.I.: Wenn es um die Herkunft unseres Kakaos geht, so sprechen wir oft „Micro-Origin“, denn unser Edelkakao kommt von den kleinen Familienfarmen unserer zwei Gemeinden, Pucallpillo und Santa Rosa, im Alto Huayabamba Tal, Peru. Anschliessend stellt hier der beste Schweizer Chocolatier feine Schokolade daraus her. Unser Chocolatier verarbeitet unseren Kakao schonend in kleinen Chargen und achtet dabei auf die besonderen Charakteristiken der jeweiligen Kakaosorte, um die Aromen des Kakaos zu bewahren. Unsere Schokolade ist sortenrein: Jede Kreation wir aus einer einzigen Kakaosorte hergestellt. Für unsere Grundschokoladen verwenden wir ausserdem nur drei natürliche Ingredienzen: unsere Agroforst-Kakaobohnen, Kakaobutter und Rohrohrzucker.

E.G.: Bei Choba Choba wissen die Kunden genau, woher der Kakao ihrer Schokolade kommt und wohin ihr Geld geht. Sie kaufen ihre Schokolade direkt bei den Kakaobauern ab. Die Konsumenten können die Kakaobauern kontaktieren und sie sogar im Alto Huayabamba besuchen.

C.I.: Das „Sahnehäubchen“ unserer Kreationen ist das Design. Es hat eine tiefe Verbindung zu unserer Geschichte und Vision. Wir haben ein Kunstwerk des peruanischen Künstlers und Schamanen, Pablo Amaringo, ausgewählt, das ebenfalls Choba Chobas Verbindung zum Dschungel darstellt.

Sie haben des Schweizer Chocolatier angesprochen…

C.I.: Ja, produziert wird unsere Schokolade von der Felchlin AG in Schwyz. Aufgrund der langen Tradition und grossen Erfahrung in der Herstellung von Premiumschokolade, war Felchlin von Anfang an unser Wunschpartner und hat uns sogleich in unserem „verrückten“ Projekt unterstützt.

Vor gut einem Jahr haben Sie mit der Auslieferung der ersten Schokolade-Boxen begonnen. Wie ist die Entwicklung seither verlaufen?

E.G.: Im letzten Jahr sind wir rasant gewachsen. Die Verkäufe wachsen stetig und zu unserer Zufriedenheit. Im letzten Oktober haben wir noch zu zweit von hier aus gearbeitet. Mittlerweile zählt unser Team 10 hochmotivierte Mitarbeitende.

«Wir messen den Erfolg von Choba Choba daran, wie sich die Lebensbedingungen der Bauern in Zukunft verändern.»

Was ist aktuell die grösste Herausforderung für Choba Choba?

C.I.: Wir suchen derzeit nach Möglichkeiten, dieses rasche Wachstum zu finanzieren.

Auf der Choba Choba-Website schreiben Sie: «Wir glauben, dass es die Hauptaufgabe einer jeden Firma ist, Wohlfahrt für die globale Gemeinschaft zu schaffen, Menschen zusammen zu bringen und positive Auswirkungen für unsere Ökosysteme zu generieren. Dies ist aus unserer Sicht die wahre Rolle einer Firma in unserer Gesellschaft – egal in welchem Umfeld sie operiert, egal wo sie ist, egal von wem sie geführt wird.» Wie glauben Sie, können Unternehmen am besten erfolgreich sein und gleichzeitig ihrer Verantwortung gerecht werden?

E.G.: Unternehmen müssen die Verantwortung ins Zentrum ihres Seins und Tuns stellen, sie müssen es in ihre Vision, Mission und Unternehmenskultur integrieren. Ein paar CSR-Aktivitäten am Rande des Geschäfts reichen nicht aus.

C.I.: Erfolg und verantwortungsvolles Handeln schliessen sich auch keineswegs aus. Wir messen den Erfolg von Choba Choba daran, wie sich die Lebensbedingungen der Bauern in Zukunft verändern.

Herr Inauen, Herr Garnier, herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:

Christoph Inauen

• Schweizer, lebt in Bern
• Jahrgang 1981
• Wirtschaftsstudium an der Universität Basel, Master Advanced Studies in „Entwicklungsländer“ an der ETH
• 2008-2015: Leiter Kakaobeschaffung und Nachhaltigkeit bei Chocolats Halba (Mitglied GL)
• 2011-2014: Mitglied des «Product Advisory Council on Cocoa» von Fairtrade international
• 2012-2014: Präsident eines kolumbianischen Social Startups
• Entwicklungszusammenarbeit für DEZA und Helvetas

Eric Garnier

• Franzose, lebt in Paris
• Jahrgang 1982
• ESSCA Business School in Angers mit Spezialisierung in Management and Entrepreneurship
• Institute of Management Development and Research in Pune, India
• ab 2005: Head Corporate Communications von Alter Eco, führende Bio-sowie Fairtrade-Organisation Frankreichs
• seit 2011: Verwaltungsrat von Alter Eco, verantwortlich u.a. für CSR
• 2011 bis 2014: Mitglied des Lizenzausschusses von Fairtrade France
• 2010 bis 2013: Vorlesungen an der Universität von Toulon bei der ersten Durchführung des „Master en Commerce Equitable International“

Schreibe einen Kommentar