Christoph Juen, CEO hotelleriesuisse
Christoph Juen, CEO hotelleriesuisse. (Foto: hotelleriesuisse)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Juen, die Schweizer Hotellerie hat im ersten Halbjahr 2013 17,1 Millionen Übernachtungen verzeichnet, 1,2 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Welches waren die entscheidenden Faktoren?
Christoph Juen: Die anhaltende Winterstimmung in den tendenziell schwächer frequentierten Monaten hat der Nachfrage zusätzlichen Schub verliehen, hemmte aber gleichzeitig das bevorstehende Sommergeschäft. Während die Übernachtungen aus der Schweiz stabil blieben, konnte der Rückgang aus Europa auch dank der Euro-Kursuntergrenze abgefedert werden. Aus Asien und insbesondere aus China setzte sich der Wachstumstrend wie erwartet fort.
Das Halbjahreswachstum ist vor allem dem Juni geschuldet, in dem die Zahl der Übernachtungen 4 % höher lag als vor Jahresfrist. Kann dieses Wachstum als klare Tendenz für die zweite Jahreshälfte gedeutet werden?
Der erste Schritt aus der Talsohle ist gelungen, und laut Rückmeldungen aus der Branche verläuft die Sommersaison grösstenteils zufriedenstellend. Für das zweite Halbjahr rechnen wir mit stabilen Gästezahlen aus der Schweiz und einer steigenden Nachfrage aus dem Ausland, sofern sich die Erholung der weltwirtschaftlichen Lage auch weiterhin fortsetzt.
Die Hotels in Berg- und Seeregionen haben in den letzten Jahren schwierigere Zeiten durchgemacht als die Städte-Hotellerie. Vor allem Graubünden oder das Wallis waren betroffen. Hat diese Entwicklung in den letzten Monaten angehalten?
Tatsächlich hat die Ferienhotellerie die Folgen des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds insgesamt stärker gespürt als die Stadthotellerie. Das Berner Oberland konnte allerdings im ersten Halbjahr wieder zulegen, dies auch dank den Gästen aus Asien. Die Region Graubünden ist dagegen viel stärker von traditionellen Märkten wie Deutschland und Italien abhängig. Und diese Märkte sind nach wie vor rückläufig.
«Deutschland ist immer noch ein Sorgenkind.»
Christoph Juen, CEO hotelleriesuisse
Wie entwickelten sich im bisherigen Jahresverlauf die Buchungszahlen der europäischen Gäste, speziell derjenigen aus Deutschland?
Deutschland ist immer noch ein Sorgenkind. Aus dem wichtigsten Auslandmarkt mussten wir im ersten Halbjahr erneut einen Rückgang in Kauf nehmen. Aber auch andere Märkte wie die Niederlanden, Italien und Frankreich wiesen ein Minus auf. Erfreulich ist dagegen der Zuwachs aus Grossbritannien und Russland. Insgesamt hat sich die europäische Nachfrage zumindest stabilisiert, wenn auch auf tiefem Niveau.
Zahlenmässig ist Deutschland der wichtigste Markt. Wie wollen Sie in den nächsten Jahren die deutschen Gäste zurückgewinnen?
Schweiz Tourismus plant für die nächsten zwei Jahre in diesem Markt eine umfassende Marketingkampagne. Ich bin überzeugt, dass wir damit zahlreiche deutsche Gäste zurückgewinnen und wieder Boden gutmachen können.
Deutlich mehr Gäste reisten aus Asien an. Vor allem bei Touristen aus China war ein deutliches Wachstum zu verzeichnen, und dieses dürfte weiter anhalten. Wie stellen sich die Hoteliers auf diese Gäste ein?
Die Sensibilität in der Branche ist vorhanden. Um diese weiter zu fördern, haben wir die Broschüre „Chinesen zu Gast in der Schweiz“ initiiert und im letzten Jahr gemeinsam mit Schweiz Tourismus neu aufgelegt. Anhand dieser Broschüre können sich die Hoteliers auf einen Blick mit den Bedürfnissen und Gepflogenheiten der chinesischen Gäste vertraut machen.
Hingegen ging die Zahl der indischen Gäste zurück. Wo sehen Sie die Gründe?
Der Hauptgrund für den Rückgang dürfte bei der Währung liegen. Die indische Rupie hat gegenüber dem Schweizer Franken rund 20 Prozent verloren. Viele Inder sind deshalb auf Destinationen innerhalb Asiens ausgewichen. Ausserdem wurden die Teilnehmerzahlen von Incentive-Reisen zum Teil drastisch reduziert, um Kosten für die jeweiligen Unternehmen zu sparen. Von einem anhaltenden Negativtrend gehen wir allerdings nicht aus, denn die Schweiz zählt in Indien nach wie vor zu den beliebtesten Reiseländern.
Welche Rolle werden in den kommenden Jahren die Gäste aus den Golfstaaten spielen?
Zweifelsohne eine wichtige. 2012 haben die Gäste gegenüber dem Vorjahr um rund einen Viertel zugelegt, und die Kurve zeigt weiter aufwärts. Gäste aus dem arabischen Raum sind für den Schweizer Tourismus insofern wichtig, weil sie meist länger bleiben, im Familienverbund reisen und im Vergleich zu den anderen Gästen vor Ort am meisten Geld ausgeben. Entsprechend investiert Schweiz Tourismus kräftig in diesen Markt.
«Die unsichere Wirtschaftslage und die damit verbundene Währungsproblematik haben den Preiskampf massiv verschärft.»
2012 waren so wenige Übernachtungen zu verzeichnen wie seit sechs Jahren nicht mehr. Wie haben die Hoteliers darauf reagiert?
Die unsichere Wirtschaftslage und die damit verbundene Währungsproblematik haben den Preiskampf massiv verschärft. Unter diesem Druck sahen sich die Hoteliers teilweise gezwungen, Preiszugeständnisse zu machen, welche unter der Grenze der entsprechenden Hotelkategorie lagen. Dadurch dürfte sich die Ertragslage insgesamt verschlechtert haben.
Die Übernachtungszahlen waren in den letzten Jahren unbefriedigend. Gleichzeitig verlangen Gäste mehr und selbst hotelleriesuisse-Präsident Guglielmo Brentel hat zuletzt die Qualität in vielen Häusern kritisiert. Wie sollen sich die Hoteliers verhalten? In Zeiten stagnierender oder rückläufiger Umsätze investieren?
Genau hier liegt das Problem. Wenn keine Rückstellungen mehr möglich sind, dann fehlt auch das Geld für Investitionen. Umso wichtiger ist es, den Zimmerpreis zu stabilisieren und nach Möglichkeit wieder nach oben zu korrigieren. Allerdings sind die Hardware und die damit verbundene Investitionen nur ein Qualitätsaspekt. Ebenso wichtig ist die Software, das heisst die Gastgeber, welche ihre Gäste gerade auch mit kleinen Aufmerksamkeiten zu begeistern vermögen.
«Hoteliers müssen mit anderen Hoteliers und weiteren touristischen Leistungsträgern innerhalb der Destination verstärkt zusammenarbeiten.»
Viel ist im Tourismus von Zusammenarbeit und Kooperation die Rede. Hoteliers sollen eine verstärkte Zusammenarbeit anstreben, Kooperationen unter den touristischen Leistungsträgern sind gefragt. Wie soll das konkret aussehen?
Hoteliers müssen mit anderen Hoteliers und weiteren touristischen Leistungsträgern innerhalb der Destination verstärkt zusammenarbeiten. Auf betrieblicher Ebene geht es darum, Synergien zu nutzen und Kosten zu sparen – beispielsweise im administrativen Bereich. Auf Destinationsebene profitiert in erster Linie der Gast, indem das touristische Angebot besser abgestimmt und zu einer Erlebniswelt gebündelt wird. Warum soll etwa ein Hotel eine aufwändige Wellness-Anlage bauen, wenn in der Nachbarschaft bereits eine solche besteht, die man dem Gast zugänglich machen kann?
Die Annahme der Zweitwohnungsinitiative hat in der Hotellerie schlimmste Ängste geweckt. Wie beurteilen Sie den mittlerweile vorliegenden Vernehmlassungsentwurf?
Der Entwurf berücksichtigt die wesentlichen Forderungen der Branche. So soll die Umnutzung bestehender, nicht mehr rentabler Hotelbetriebe in Zweitwohnungen unter bestimmten Voraussetzungen auch künftig erlaubt sein. Gleichzeitig sieht der Entwurf die Möglichkeit einer teilweisen Querfinanzierung durch den Verkauf von Zweitwohnungen vor, sofern dies für den Bau neuer oder die Weiterführung bestehender strukturierter Beherbergungsbetriebe erforderlich ist. Die vorgeschlagenen Massnahmen gilt es nun möglichst zeitnah umzusetzen.
Herr Juen, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Christoph Juen (*1953), Dr. oec HSG, ist CEO des Branchenverbandes hotelleriesuisse. Studium der Volkswirtschaft in Lausanne und St. Gallen, sowie SEP Stanford Business School. Während sechs Jahren Forschungstätigkeit in den Bereichen Konjunktur- und Strukturanalyse sowie demografische Studien am St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung SGZZ. Über Stationen beim Bundesamt für Aussenwirtschaft (heute seco), wo er als Experte für Wirtschafts-, Währungs- und Finanzfragen tätig war, und als Mitglied der Geschäftsleitung beim Schweizerischen Handels- und Industrieverein Vorort (heute economiesuisse), wurde er Ende 1999 an die Spitze von hotelleriesuisse berufen.