Claudia D’Arpizio, Partner bei Bain & Company und Europas Insiderin in Sachen Luxusgüter, zu klingelnden Kassen in China, dem schleichenden Niedergang der japanischen Power-Shopper und der Hartnäckigkeit der Amerikaner.
Martin Raab, Derivative Partners Media AG, payoff.ch
payoff: Frau D’Arpizio, wie viel wurde im Jahr 2010 für Luxusgüter ausgegeben?
Claudia D’Arpizio: Überraschend viel: Der Gesamtumsatz belief sich nach unseren Zahlen auf rund 172 Milliarden Euro. Das ist ein Anstieg von 12% gegenüber dem Vorjahr und der grösste Sprung seit einem Jahrzehnt.
Welche Kategorie von Luxusgütern wird dieses Jahr die grössten Umsätze generieren?
Mit Abstand am besten werden sich im aktuellen Aufschwung die Kategorien Accessories, Uhren und Schmuck entwickeln. Dort zentriert sich der Aufschwung dieses Jahr. Wir rechnen mit 17% bzw. 21% Zuwächsen. Generell ist der Trend zum «Mix’n Match» bei Konsumenten erkennbar. So kombinieren Damen und Herren beim Outfit zum Beispiel teuere Luxusschuhe und Edelarmbanduhren mit Bekleidungsstücken vom Fashion-Retailer nebenan.
Wie stark ist die Luxusgüterindustrie vom Inferno in Japan getroffen?
Hier muss man wissen, dass der japanische Markt seit mehreren Jahren nur noch sehr schwach gewachsen ist. Aktuell befindet er sich in der Stagnation. In Japan zeigt die jüngere Generation immer weniger Interesse an teueren Luxus-Marken, während sich der harte Kern der immer älter werdenden japanischen Marken-Shopper verkleinert. Dennoch erwarten wir, dass sich die Nachfrage vom Einfluss des Erdbebens erholen wird.
Was heisst das speziell für die Schweizer Uhrenhersteller?
Wir erwarten, dass Japan und Asien insgesamt nach wie vor ein wichtiger Absatzmarkt für die entsprechenden Luxus-Uhren bleibt – auch wenn die Wachstumsraten bzw. Absatzzahlen vorerst nicht mehr auf frühere Niveaus zurückkehren werden.
«Asien bleibt ein wichtiger Absatzmarkt für Schweizer Luxus-Uhren.»
Claudia D’Arpizio, Partner bei Bain & Company
Wie steht es mit der Luxusgüter-Nachfrage in den USA? Haben die Emerging Marktes den Amerikanern schon den Rang als «Power-Shopper» abgelaufen?
Nein, die Emerging Markets haben noch einen steilen Berg zu erklimmen, bevor sie die Grösse des US-Luxusmarkts erreicht haben. Aktuell machen die USA rund 28% des weltweiten Markts für Luxusgüter aus. Dieser ist zwischen 2009 und 2010 um 16% gewachsen – trotz vermeintlicher Rezession. Die Amerikaner sind hartnäckig auf Platz 1 und es gibt dort mehr denn je eine reiche Oberschicht. Mit deutlichem Abstand folgt Japan an zweiter Stelle mit lediglich 11% des weltweiten Konsums von Luxusgütern. Dennoch: China ist momentan der Komet im Luxusgütersektor. Dort betrug das Wachstum (2009 auf 2010) 30%, was rund EUR 9 Milliarden entspricht. Global betrachtet machen die Chinesen aber erst 6% des Konsums aus.
Den Chinesen gehört also die Zukunft – auch bei Luxusmarken?
Das könnte man so sagen, schliesslich wird China nach unseren Berechnungen in fünf Jahren der drittgrösste Markt für Luxusgüter weltweit.
Wer ist erfolgreicher – kleine oder grosse Luxus-Marken?
Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich grössere Marken während der Krise besser entwickelt haben. Es hat sich klar gezeigt, dass es ein grosser Vorteil ist, ein finanzkräftiges Unternehmen hinter einer Marke zu haben. Das ermöglicht es auch in schwierigen Zeiten, in Marketing und Marktforschung zu investieren.
Wie schätzen Sie die Lage für Fusionen und Übernahmen ein?
Die Finanzkrise und ihre Einflüsse auf die Luxusgüterindustrie hat ein sehr positives Umfeld für M&A-Aktivitäten geschaffen. Speziell grosse Luxus-Konglomerate profitieren vom Aufschwung viel mehr als kleine Unternehmen. Die jüngsten Übernahmen im Luxussegment sind ein guter Beleg dafür und werden wahrscheinlich nicht die letzten bleiben.
Der Gesprächspartner
Claudia D’Arpizio ist Partner bei der globalen Unternehmensberatung Bain & Company. Sie leitet den Bereich «Luxury Goods & Fashion Practice», wo sie seit 16 Jahren Kunden aus der Luxusgüterwelt berät. Seit 1999 ist sie Autorin der Bain Luxury Study, welche in Zusammenarbeit mit dem Verband der italiensichen Luxusmarken Altagamma jährlich erstellt wird. Claudia D’Arpizio gilt als Europas Insiderin in Sachen Luxusgüter, wurde 2009 unter die «Top 25 Consultants in the World» gewählt und ist regelmässiger Gast in den Medien wie z.B. Wall Street Journal, Fortune oder Financial Times. Sie lebt in Rom und Mailand.