Von Arthur K. Vogel
Moneycab.com: Frau Zbären, was genau ist das Centro Magliaso?
Claudia Zbären: Das Cetro Magliaso ist ein Ferien-Unterkunftsort, in welchem der ganze Blumenstrauss von Menschen Platz findet. Ich habe auch das Wort «Resort» schon gehört.
«Wir absolvieren gerade eine Strategieübung. Unsere Visionen haben wir so formuliert: Wir wollen ein Ort der Begegnung, des Wohlbefindens und der Inspiration für Menschen sein, unabhängig von Alter, Behinderung, Ethnie, Geschlecht oder Religion.» Claudia Zbären, Leiterin Centro Magliaso
Also eine Art Feriendorf? Schliesslich ist das Gelände mit idyllischem Seeanstoss, auf dem das Centro liegt, sehr weitläufig.
Wir absolvieren gerade eine Strategieübung. Unsere Visionen haben wir so formuliert: Wir wollen ein Ort der Begegnung, des Wohlbefindens und der Inspiration für Menschen sein, unabhängig von Alter, Behinderung, Ethnie, Geschlecht oder Religion. Das Centro bietet zeitgemässe Angebote für Ferien, sportliche Aktivitäten und Bildung zu zahlbaren Preisen. Hingegen wollen wir nicht als «Hotel» oder «hotelähnlich» auf dem Markt auftreten.
Was unterscheidet Sie denn von einem Hotel?
Im Hotel macht jeder für sich Ferien. Wir aber wollen ein Ort sein, an dem sich alle treffen. An dem die nötige Offenheit herrscht, sich mit anderen auszutauschen, einander kennenzulernen. Natürlich können Gäste, die das wollen, unter sich bleiben. Gerade in Zeiten von Covid-19 stellt sich die Frage: Wer will allein, wer will mit anderen? Für jene, die sich mit anderen austauschen möchten, stelle ich Tischpläne zusammen und setze Gäste zueinander, von denen ich denke, dass sie einander etwas zu sagen haben.
Wer ist Ihr Zielpublikum?
Zu 98, 99% stammen unsere Gäste aus der Deutschschweiz. Im Sommer kommen vor allem Familien, Paare und Einzelreisende. Momentan sind zum Beispiel rund 60 Kinder bei uns. Das jüngste Baby ist vier Monate alt. Eine Grossmutter, die jedes Jahr die ganze Sippe einlädt, ist um die neunzig. Im Frühling und Herbst beherbergen wir viele Gruppen. Es werden bei uns auch Seminare, Studien- und Kurswochen abgehalten.
Und wer sind die Eigentümer des Centro?
Einst waren es die reformierten Kirchen von Stadt und Kanton Zürich, heute nur noch jene der Stadt. Das Centro Magliaso wurde 1945 als Gruppenunterkunft für kirchliche Lager gegründet.
«Wir haben vor der diesjährigen Saison 21 der 96 Zimmer für 3.2 Millionen Franken komplett erneuert.»
Eine Kirche, die ein Ferienzentrum betreibt?
Nein, nein. Für den Betrieb des Centro ist die Genossenschaft Evangelisches Zentrum für Ferien und Bildung zuständig. Die Kirche wäre mit dieser Aufgabe überfordert. Als ich hier 1989 einstieg, war die Situation des Centro ziemlich prekär. In jene Gebäude, die in den 1970er-Jahren gebaut worden waren, hatte man 15 Jahre lang nicht mehr investiert. Zum Teil waren Flachdächer undicht. Zimmer, Bäder und Toiletten, oft noch in den Fluren, waren nicht mehr zeitgemäss.
Heute macht das Centro einen sehr gepflegten Eindruck. Es besteht aus zehn unterschiedlichen Gebäuden in einer riesigen Parkanlage direkt am See. Es gibt eine grosszügige Infrastruktur für Sport- und Freizeitaktivitäten: vom Beachvolleyballfeld bis zur Bocciabahn, Grill- und Spielplätze, ein 25-Meter-Pool, ein Steg in den See, Liegewiesen, sogar ein kleiner Strand. Sie haben sicher sehr viel investieren müssen?
Klar, hier muss ständig etwas erneuert und unterhalten werden. Wir haben vor der diesjährigen Saison 21 der 96 Zimmer für 3.2 Millionen Franken komplett erneuert. Einen Teil dieser Investitionen hat die Eigentümerin übernommen; einen Teil hat aber auch die Genossenschaft beigesteuert.
«Wir können insgesamt sechzehn barrierefreie und für Behinderte ausgerüstete Zimmer anbieten, zwölf davon in einem Haus, das vor drei Jahren komplett renoviert wurde.»
Für die Pflege des alten Baumbestandes allein geben wir im Jahr rund 15‘000 Franken aus. Familien können wir Viererduplexzimmer anbieten. Kinder übernachten zu stark reduzierten Preisen im Familienzimmer. Bis 21. August bieten wir zudem diverse kostenlose Kinderaktivitäten, zum Beispiel Kochen und Backen, Comics zeichnen, Basteln und Töpfern.
Gibt es auch Möglichkeiten der Freizeitgestaltung ausserhalb des Centro?
Ja, das Centro Magliaso ist ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen, Biketouren und Ausflüge im Tessin und nach Italien, das ja sehr nahe ist.
Mit einer Kirche als Eigentümerin stellt man sich vor, dass Sie auch soziale Funktionen übernehmen. Ist das so?
Ja, effektiv. Bei uns finden auch Menschen mit Behinderungen einen Ort zum Verweilen. Wir können insgesamt sechzehn barrierefreie und für Behinderte ausgerüstete Zimmer anbieten, zwölf davon in einem Haus, das vor drei Jahren komplett renoviert wurde. Auch Menschen, vor allem Familien, die sich das eigentlich nicht leisten können, bekommen bei uns eine Möglichkeit, Ferien zu machen. Zu diesem Zweck haben wir einen Sozialfonds.
Lässt sich eine solche Institution überhaupt kostendeckend führen? Vor allem, weil Sie ja eine moderate Preispolitik betreiben.
In 32 Jahren habe ich nie rote Zahlen geschrieben. Um das erreichen zu können, muss man einfach enorm kostenbewusst arbeiten und bis anhin haben die Erwachsenen immer auch die Jugendgruppen „quersubventioniert“.
«Vor acht Jahren haben wir die bekannte Gastronomin und Ernährungsberaterin Annagret Schlumpf als Coach vor allem für die Verstärkung der vegetarischen und nachhaltigen Küche hinzugezogen. Seit drei Jahren ist sie im Sommer voll dabei.»
Sie sind sechzig Jahre alt und seit 32 Jahren hier. Muss man da nicht allmählich ans Aufhören denken?
Ja, ich habe vor, mich mit 64 pensionieren zu lassen. Vorher möchte ich gern meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger einarbeiten. Wenn man so etwas wie das Centro Magliaso während so langer Zeit mit Herzblut geführt hat, möchte man natürlich, dass es weiterhin existieren und sich weiterentwickeln kann.
Zu einem Feriendorf gehört auch eine gute Küche. Was hat das Centro in dieser Hinsicht zu bieten?
Die meisten Gäste buchen bei uns Halb- oder Vollpension. Vor acht Jahren haben wir die bekannte Gastronomin und Ernährungsberaterin Annagret Schlumpf als Coach vor allem für die Verstärkung der vegetarischen und nachhaltigen Küche hinzugezogen. Seit drei Jahren ist sie im Sommer voll dabei. Sie hat früher unter anderem die renommierte «Alpenrose» in Wildhaus im Toggenburg geführt.
Unser bisheriger, langjähriger Küchenchef ist pensioniert worden. Mit dem Veltliner Mauro Imperial haben wir eine sehr gute Nachfolgeregelung treffen können. Er hat zuvor unter anderem im «Badrutt’s Palace Hotel» in St. Moritz und im Restaurant «Trocadero» in Bad Ragaz gewirkt. Natürlich funktioniert die Küche bei uns anderes als im A-la-carte-Geschäft. Sie können sich gar nicht vorstellen, welche Mengen unsere Gäste vom Büffet essen können. Deshalb steht Annagret Schlumpf Mauro Imperial momentan noch beratend zur Seite. Dank Annagret und Mauro haben wir das kulinarische Angebot auf ein neues Niveau heben können.
Claudia Zbären Geboren 1961 in Luzern, stammt aus einer reformierten Pfarrersfamilie. Sie absolvierte die Hotelfachschule in Lausanne und war in mehreren renommierten Häusern wie dem «Schweizerhof» in Luzern, im ehemaligen «Guardalej» in Champfer und im «Swissotel» in New York tätig. 1989 übernahm sie das damalige «Centro Evangelico», heute «Centro Magliaso» in Magliaso am Luganersee, das der reformierten Kirche der Stadt Zürich gehört. Unter ihrer Leitung entwickelte sich das Centro, das von Frühling bis Herbst geöffnet ist, in eine moderne Ferienanlage für bis zu 240 Gäste. Claudia Zbären ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Centro Magliaso |