Clemens Iller, CEO Schmolz + Bickenbach Group, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab: Herr Iller, nach der erfolgreichen Kapitalerhöhung bleiben gleichwohl noch rund 500 Millionen Schulden. Wie geht es jetzt weiter?
Clemens Iller: Mit der nun gestärkten Eigenkapitalbasis im Rücken treiben wir die umfassende Refinanzierung der Fremdkapitalseite mit den Banken voran. Wir rechnen damit, dass diese umfassende Refinanzierung des Konzerns, eingeschlossen die partielle oder vollständige Rückzahlung der ausstehenden Anleihe bis Ende März abgeschlossen ist. Auf mittlere bis lange Sicht werden wir die Verschuldung dank eines besseren Cashflows weiter zurückführen können.
Das Umfeld könnte herausfordernder kaum sein. Was ist schlimmer, Corona oder Trump?
Eindeutig Corona. Die negativen Auswirkungen des Virus auf die Weltwirtschaft werden die von Natur aus zyklische Stahlindustrie noch einige Zeit beschäftigen. Dem können auch wir uns nicht entziehen. Dabei müssen wir abwarten, wie stark und wie lange die Konjunktur gebremst wird. Über diese Frage scheiden sich die Geister, auch bei den Wirtschaftsexperten.
Gleichwohl: Wie stark hat sich die erneute Versteifung bei den Stahlstrafzöllen auf S+B’s Geschäft ausgewirkt?
Die Auswirkungen waren vernachlässigbar. Was die Exporte aus der Schweiz in die EU betraf, hatten die Zölle keinen Einfluss. Die Marktschwäche vor allem im Automobilsektor führte zu geringeren Absatzmengen. Entsprechend lagen unsere Exporte aus der Schweiz in den EU-Raum weit unter den von der EU erlassenen Importquoten. Jenseits des Atlantiks hatten die von den USA erhobenen Zölle einen geringen Einfluss, da wir nur geringe Mengen aus der EU in die USA exportieren. Zudem ist Kanada, wo eines unserer Werke steht, von den neuen Zöllen der US-Regierung ausgenommen.
Ich wäre nicht überrascht, wenn die Autoindustrie nach fast zweijähriger Durststrecke im Laufe von 2020 ein Lebenszeichen von sich gäbe.
Clemens Iller, CEO Schmolz + Bickenbach Group
Schmolz + Bickenbach verarbeitet 1,83 Millionen Tonnen Stahl. Welche Abnehmerbranche sollte im zweiten Halbjahr am schnellsten das Orderbuch wieder füllen?
Mit einem Umsatzanteil von 44% respektive 26% gehören die Automobilindustrie beziehungsweise der Maschinen- und Anlagenbau zu unseren grössten Absatzmärkten. Eine Erholung in diesen beiden Wirtschaftszweigen hätte zweifellos einen günstigen Einfluss auf unsere Auftragslage. Ich wäre nicht überrascht, wenn die Autoindustrie nach fast zweijähriger Durststrecke im Laufe von 2020 ein Lebenszeichen von sich gäbe.
Wie sähe denn von den Produktionszahlen die optimale Absatztonnage aus?
Je mehr, desto besser. Natürlich sind höhere Absatzmengen für uns gut. Allerdings gilt es je nach Marktlage die Balance zu finden zwischen dem Eingehen von langfristigen Aufträgen, welche ein Werk auslasten, und der Möglichkeit, kurzfristige Aufträge mit oft höheren Margen anzunehmen. Diese Balance haben wir mit einer Absatzmenge von rund 2,1 Millionen Tonnen in 2018 wohl ganz gut gefunden.
Auf 31. März wird die 5,625 Prozent-Anleihe vorzeitig zurückgezahlt. Arbeiten Sie schon an einem Nachfolgeprodukt?
Wir beobachten und beurteilen die Finanzmärkte ganz genau, um unser Unternehmen ideal – also so günstig und solide wie möglich – zu finanzieren. Aus diesem Grund verhandeln wir mit unseren Banken aktuell über die Refinanzierung der Gruppe. Alles andere muss ich Ihrer Fantasie überlassen. Nur so viel: die Ausgabe einer neuen Anleihe ist im Moment nicht geplant.
«Die Ausgabe einer neuen Anleihe ist im Moment nicht geplant.»
Durch die Kapitalerhöhung gibt es jetzt mehr als zwei Milliarden Aktien. Täte nicht ein reverse split gut?
Sicher hilft ein Reverse Split in der Marktwahrnehmung, da viele Investoren sogenannte “Penny Stocks” als „Schrott“ empfinden. Grundsätzlich schaffen sie mit einem Reverse Split jedoch keinen ökonomischen Wert. Diesen können sie nur über die Verbesserung der operativen Leistungsfähigkeit erzielen. Darauf wollen wir uns jetzt mit der Umsetzung des laufenden Restrukturierungs- und Transformationsprogramms konzentrieren und so den Wert der Aktie dank verbesserter Ergebnisse steigern.
Martin Haefner hat die Gründerfamilie herausgekauft. Was bedeutet das für das Management?
Herr Haefner ist ein langjähriger Grossaktionär, der über den Kauf der Anteile der Gründerfamilien seinen Anteil am Unternehmen signifikant auf 49,6% erhöhen konnte. Wir freuen uns, mit ihm einen Ankeraktionär an Bord zu haben, welcher den strategischen Kurs von Schmolz + Bickenbach hundertprozentig unterstützt.
Steuerlichen Verlust- und Zinsvorträge sowie Steueranrechnungsbeträge führten in den vergangenen Jahren zu schwer durchschaubaren Schwankungen. Ist da eine Glättung in Aussicht?
Die Schwankungen des Steuerergebnisses zeigen hauptsächlich zwei Dinge: zum einen unsere breite geografische Diversifikation mit unterschiedlichen Steuergesetzen in den einzelnen Ländern; zum andern die Ertragslage des Unternehmens, welche in den letzten Jahren wenig stabil war. Diese Faktoren führen naturgemäss zur von Ihnen angesprochenen Volatilität in den Steuerergebnissen. Was die Zinsen betrifft, so waren diese in den letzten Jahren geprägt von verschiedenen Effekten im Zusammenhang mit der Finanzierung des Unternehmens. Wir werden wohl mit Schwankungen im Steuer- und Zinsergebnis leben müssen.
Für Luzern und Umgebung ist Schmolz+Bickenbach immens wichtig. Gibt es Aktionen im Sinne von: Aus der Region – für die Region?
Die Tochtergesellschaften Swiss Steel, Steeltec und Panlog in Emmenbrücke sind stark in die Region eingebunden. Als einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Zentralschweiz engagieren sich die dortigen Betriebe gesellschaftlich, zum Beispiel auch über Sponsoring-Aktivitäten, aber auch über Familien- und Behördentage, an denen ein Einblick in das Werk gegeben wird. Mit dem Sponsoring von „Zaubersee“, den Tagen russischer Musik, engagiert sich die Firmenzentrale zudem kulturell in der Stadt Luzern.
«Die Tochtergesellschaften Swiss Steel, Steeltec und Panlog in Emmenbrücke sind stark in die Region eingebunden.»
Bei den Börsen heisst ein berühmter Spruch: „Im Einkauf liegt der Gewinn“. Gilt das auch für S+B und seinen Rohstoff Stahlschrott, die Zuschlagsmetalle oder den vielen Strom, der für das Lichtbogenschmelzen nötig ist?
Schrott wie auch Energie beschaffen wir vorwiegend lokal und regional. In der Schweiz hat es genug davon. Was die Legierungsmetalle betrifft, so müssen diese auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Der Standort spielt auch hier eigentlich keine Rolle. Grundsätzlich gilt: je besser der Einkauf organisiert ist, desto besser ist die erzielte Marge. Deshalb haben wir in den letzten Jahren viel Zeit und auch Geld in die Optimierung des Einkaufs investiert.
Ist Schmolz + Bickenbach im jetzigen Umfeld geografisch noch richtig aufgestellt?
Wir sind mit vielen unserer Stahlwerke und verarbeitenden Betrieben nahe beim Kunden. Wo dies nicht der Fall ist, verfügen wir dank unseres weltweiten Verkaufs- und Vertriebsnetzwerks über guten Zugang zum Kunden. Wir sind also durchaus zufrieden mit der geografischen Aufstellung. Wie in jeder produzierenden Industrie mit langlebigen Assets würden Sie heute bestimmt die eine oder andere Investition anderswo vornehmen. Damit müssen wir jedoch leben und die internen Abläufe so organisieren, damit uns keine wesentlichen Nachteile daraus entstehen.