von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Bischofberger, mit Schiffmanagement-Software alleine können sechsstellige Beträge an Treibstoff eingespart werden. Ab welcher Schiffsgrösse rechnet sich das?
Daniel Bischofsberger: Angesichts der grossen Mengen an Treibstoff, die unsere Kunden benötigen und der steigenden Kosten, sehen wir bereits für kleinere Schiffe wie Fähren und kleine Frachter erhebliche Vorteile. Und Kunden mit grossen Containerschiffen mit 80’000 kW-Zweitaktmotoren profitieren natürlich umso mehr. Wichtig ist, dass die Empfehlungen, welche die Software vermittelt, aktiv umgesetzt werden. Dadurch kann proaktiv gewartet werden.
Fast 2500 Handelsschiffe mit 10 000 Motoren sind mit Accellerons Tekomar XPERT ausgestattet. Wieviel Kohlendioxid spart das?
Es ist schwierig, das genau zu sagen, weil wir nicht alle Betriebsdaten der Schiffe kennen. Aber nehmen wir als Beispiel ein grosses Containerschiff, das etwa 100 Tonnen Treibstoff pro Tag verbraucht: Mit unserer Software kann der Treibstoffverbrauch um bis zu 2 Prozent gesenkt werden. Im Durchschnitt sind es etwa 1 Tonne Treibstoff pro Tag. Dadurch können rund 3 Tonnen CO2 pro Tag und Schiff eingespart werden.
«Mit unserer Software kann der Treibstoffverbrauch um bis zu zwei Prozent gesenkt werden. Im Durchschnitt sind das etwa drei Tonnen Treibstoff pro Schiff und Tag.»
Daniel Bischofsberger, CEO Accelleron
In einer von Ihnen beauftragten Meinungsumfrage unter Schiffbesitzern sahen 92 Prozent e-Fuels als beste Treibstofflösung für die Erreichung der CO2 – Ziele. Ist das nicht in Anbetracht der technischen Herausforderungen/Schwierigkeiten Wunschdenken?
Um zu präzisieren: 92% der Befragten rechnen e-Fuels bei der weltweiten CO2-Reduktion eine wichtige Rolle zu. Auch wir sind dieser Meinung. Batterien sind bei Grossmotoren keine Option, da diese zu schwer und zu gross für einen elektrischen Betrieb sind. Daher müssen wir uns auf CO2-neutrale Brennstoffe fokussieren. Die technologische Realisierbarkeit von e-Fuels ist bereits nachgewiesen. Die Herausforderung liegt nun in der Steigerung der Produktion zu wirtschaftlichen Kosten. Dafür sind enorme Investitionen in die Produktionsinfrastruktur notwendig. Entscheidend wird es sein, ein förderliches Investitionsumfeld zu schaffen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu optimieren. Diese Aufgabe kann unsere Branche nicht allein bewältigen. Daher begrüssen wir die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Industriezweigen, die auch grünen Wasserstoff für die Dekarbonisierung benötigen, Regierungen und internationalen Organisationen.
Biofuels und natürliches Flüssiggas werden an zweiter Stelle genannt. Accelleron liefert die dazu benötigten Kompressoren. Im vergangenen Jahr machte Accelleron hervorragende Geschäfte mit Gaskompressoren in den USA. Liegt das in erster Linie an den Russlandsanktionen?
In den USA – wie in vielen anderen Ländern – beobachteten wir eine massiv gestiegene Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG). Dafür ist Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht der Grund, aber der Auslöser. Erdgas ist aufgrund seiner tieferen CO2 Emissionen verglichen mit Diesel ein sogenannter Übergangsbrennstoff auf dem Weg zu einer CO2-freien Gesellschaft. Doch dafür braucht es eine ausgebaute LNG-Infrastruktur, wie etwa Verflüssigungs- und Vergasungsterminals sowie auch LNG-Tanker. Die Investitionskosten sind hoch, und man versuchte, diese so lange wie möglich hinauszuschieben.
«In den USA – wie in vielen anderen Ländern – beobachteten wir eine massiv gestiegene Nachfrage nach Flüssigerdgas (LNG). Dafür ist Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht der Grund, aber der Auslöser.»
Die Folgen des Russlandkrieges haben uns aber vor Augen geführt, dass wir nicht um diese Investitionen herumkommen. Die hohe Nachfrage nach Flüssigerdgas erforderte mehr Turbolader für stationäre Kompressoren, die das Erdgas von den Quellen zu den grossen Gas-Pipelines befördern. Die Kunden bestellten im Jahr 2023 zudem eher etwas zu viel, was sich zusätzlich positiv auf unseren Absatz im vergangenen Jahr auswirkte. In der ersten Jahreshälfte 2024 führten die hohen Lagerbestände der Kunden dazu, dass die Nachfrage in diesem Bereich etwas zurückging. Wir rechnen damit, dass sich die Nachfrage gegen Ende des Jahres wieder einpendelt.
Im ersten Jahresergebnis nach Abspaltung von ABB wurde ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum von 11,8% erreicht, jetzt sind es im Halbjahresvergleich 14,5%. Wird über 15 Prozent fürs ganze Jahr der zukünftige Mindestwert?
Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Akquisitionen zum starken Wachstum in den vergangenen beiden Jahren beigetragen haben. Für die zweite Jahreshälfte rechnen wir, dass sich die positive Entwicklung in den Märkten für Schifffahrt und Energie fortsetzen wird. Deshalb erwarten wir für das Geschäftsjahr 2024 ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum von 9%-12%, davon 4%-7% organisch. Mittelfristig gehen wir von einem organischen Wachstum von 2% bis 4% aus.
Nach Segmenten betrachtet zog der Umsatz im grösseren Bereich Medium & Low Speed organisch um 18,8 Prozent auf 385,8 Millionen Dollar an. Das kleinere High Speed Segment fiel leicht um 3,3 Prozent auf 119,7 Millionen. Was macht den Unterschied?
Im High Speed Segment gab es wie erwähnt einen vorübergehenden Rückgang im US-Gaskompressionsgeschäft, da Kunden 2023 etwas zu viel bestellt hatten und die Lagerbestände daher noch hoch waren. Hier erwarten wir eine Normalisierung noch in diesem Jahr. Gleichzeitig wuchs weiter die Nachfrage nach neuen Rechenzentren, die Turbolader für Notstrommotoren benötigen. Damit konnte der Rückgang im US-Gaskompressionsgeschäft jedoch nur teilweise ausgeglichen werden. Wir erwarten, dass der positive Trend für Rechenzentren in der zweiten Jahreshälfte anhalten wird.
Im Medium & Low Speed Segment profitierten wir dagegen stark von einem weiterhin starken Neugeschäft in der Handelsschifffahrt und konnten im ersten Halbjahr grosse Serviceaufträge gewinnen. Einen grossen, «anorganischen» Einfluss hatte zudem die erfolgreiche Akquisition von OMT im Juli 2023. Dieser wurde durch die Erweiterung der Kapazität in der OMT-Fabrik noch beschleunigt.
Dual-Fuel-Motoren sind am Durchstarten. Aus Sicherheitsgründen?
Dual-Fuel-Motoren sind für die Schifffahrt deshalb so interessant, weil sie heute noch mit gewöhnlichem Treibstoff betrieben werden können, zukünftig aber einfach auf CO2-neutrale Brennstoffe, wie synthetisches Methanol oder Ammoniak, umgestellt werden können. Will man also die Dekarbonisierungsziele der IMO (A.d.R., International Maritime Organization der UNO) erreichen, muss man früher oder später auf diese Motoren umsteigen. Wir profitieren von dieser Entwicklung, weil diese Motoren zwei Einspritzsysteme und flexible Turbolader benötigen, die wiederum einen regelmässigen Service brauchen. Das alles können wir anbieten.
Gibt es für Schiffe so etwas wie ein Service-Abonnement?
Unsere Kunden brauchen für die Nutzung unserer weltweit über 100 Servicestationen kein Abonnement. Dennoch werden von unserer installierten Basis von rund 180’000 Stück über 90% von uns gewartet. Denn wenn ein Schiff wegen einem Motorschaden stillsteht, kann das schnell 50’000 bis 100’000 Franken pro Tag kosten. Deshalb pflegen wir mit vielen unserer Kunden eine langjährige, enge Zusammenarbeit. Jedoch sehen wir einen klaren Trend in Richtung langfristiger Service-Vereinbarungen mit zum Teil «Paid-by-the-Hour»-Klauseln.
Die neu erworbene italienische Officine Meccaniche Torino S.p.A. (OMT), ein Spezialist für Kraftstoff-Einspritzsysteme für Schiffsmotoren, dürfte kräftig zum Umsatzwachstum beitragen. Wie müssen M&A-Zielobjekte für Accelleron beschaffen sein?
Unser Hauptfokus liegt auf organischem Wachstum, aber wir sind offen für sogenannte Bolt-on Akquisitionen, die langfristig Wert schaffen. Dabei geht es uns nicht primär um Turbolader, sondern um Brennstoffeinspritzungen, Digitallösungen wie auch zusätzliche Lösungen für unsere Kunden, die unser Kerngeschäft unterstützen und zur Dekarbonisierung unserer Absatzindustrie beitragen. Unsere jüngsten Akquisitionen OMC2, ein Produzent von Einspritzkomponenten für Viertaktmotoren, und True North Marine, ein Spezialist für digitales Wetter-Routing und Routenoptimierung, liegen genau auf dieser Linie.
Haben Sie eine Erklärung, warum es trotz der Enge des vorgeschlagenen Kapitalbandes von 95 bis 110% vor ein paar Monaten so viel Widerstand gab? Das hätte doch kaum Verwässerung gebracht, aber erhöhte Flexibilität für opportunistische Zukäufe im mittlerweile über hundertjährigen Basisgeschäft von Accelleron.
Ich kann nicht im Namen unserer Aktionäre sprechen. Einige von ihnen waren der Meinung, dass dadurch zu viele neue Aktien ohne Bezugsrecht geschaffen werden. Wir haben den Einwand zur Kenntnis genommen und werden an der nächsten Generalversammlung einen anderen Vorschlag unterbreiten.
«Aufgrund der nach wie vor grossen makroökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten haben wir uns entschlossen, unsere Prognose für 2024 im Rahmen der Mittelfristziele und damit konstant zu halten.»
Für die operative Gewinnmarge (EBITA) wird auf Jahresende nun ein Wert von rund 25 Prozent in Aussicht gestellt. Wird die Gewinnmarge in 2025 nachhaltig weiter steigen?
Aufgrund der nach wie vor grossen makroökonomischen und geopolitischen Unsicherheiten haben wir uns entschlossen, unsere Prognose für 2024 im Rahmen der Mittelfristziele und damit konstant zu halten. Selbstverständlich suchen wir immer nach Wegen, die unsere Profitabilität sichern und nachhaltig steigern können. Dazu gehören auch neue Produkte, Dienstleistungen und Innovationen, die unser bestehendes Angebot erweitern. Deshalb investieren wir auch jedes Jahr gut 6% unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Zudem haben wir weltweit ein tolles und kompetentes Team, das immer mehr unternehmerisch agiert. Ich schaue daher zuversichtlich in die Zukunft.