Daniel Link, CEO Orell Füssli AG, im Interview
von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Herr Link, das Betriebsergebnis der Orell Füssli Gruppe ist 2022 mit 14.9 Mio CHF geringer ausgefallen als im Vorjahr. Was waren die Gründe dafür?
Daniel Link: Das tiefere Betriebsergebnis 2022 ist auf inflationsbedingte Kostensteigerungen sowie einer einmaligen Rückstellung für einen absehbaren Zahlungsausfall eines Kunden im Segment Industrielle Systeme (Zeiser) zurückzuführen. Wichtig für uns ist die Rückkehr zum Wachstum. Dies markiert ein bedeutender Wendepunkt nach mehreren Jahren rückläufiger Umsätze. Unser Ziel ist es nun wieder nachhaltig und profitabel zu wachsen.
Sie haben es angesprochen: Das Ergebnis wird vor allem durch den absehbaren Zahlungsausfall eines Kunden von Zeiser belastet. Wie lange wird die juristische Aufarbeitung dauern und wieviel des Zahlungsausfalls kann noch eingeholt werden?
Wir sind derzeit in rechtlichen Abklärungen und werden natürlich versuchen, möglichst viel der ausstehenden Forderung einfordern zu können. Wie lange dieser Prozess dauern wird, können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen.
Der Zahlungsausfall allein erklärt noch nicht den Rückgang des Betriebsergebnisses im Geschäftsfeld Industrielle Systeme von CHF 5.5 Mio im 2021 auf CHF 0.9 Mio im vergangenen Geschäftsjahr. Welche anderen Gründe gab es?
Die Division litt 2022 unter den Folgen von Projektverschiebungen wegen tiefer Investitionstätigkeiten als Spätfolge der Corona Pandemie. Der Auftragseingang für Neuprojekte lag deshalb deutlich unter den Erwartungen. In der zweiten Jahreshälfte nahm die Zahl der Anfragen aber wieder spürbar zu. Für 2023 sind wir dank Erweiterungen des Portfolios durch neue Technologien und der Realisierung von aufgeschobenen Projekten zuversichtlich und rechnen mit einem Umsatzwachstum und einer deutlich höheren Profitabilität in der Division.
«Für 2023 sind wir dank Erweiterungen des Portfolios durch neue Technologien und der Realisierung von aufgeschobenen Projekten zuversichtlich.»
Daniel Link, CEO Orell Füssli
Wie konnte im Bereich Sicherheitsdruck das Betriebsergebnis trotz höherer Kosten für Energie und Rohstoffe um 59% gesteigert werden, während der Umsatz leicht zurück ging.?
Zur Steigerung des Betriebsergebnis im Sicherheitsdruck trugen zwei Effekte bei, einerseits hat die Division weitere Effizienzsteigerung realisiert und andererseits hat ein günstiger Produktmix mit dazu beitragen.
Der Buchhandel hat sich erfreulich entwickelt. Führen Sie das auf die Eröffnung der neuen Geschäftsstellen zurück?
Orell Füssli Thalia hat 2022 sehr erfolgreich gearbeitet und seine Position als Marktführer im Buchhandel weiter ausgebaut. Das stationäre Geschäft vermochte zuzulegen und erreichte fast das Niveau von vor der Pandemie. Das Wachstum ist massgeblich auf den Ausbau des Filialportfolios, ein unvermindert starkes E-Commerce-Geschäft sowie ein wachsendes B2B-Geschäft zurückzuführen.
Im Geschäftsbereich Verlage hat sich vor allem die im Juli 2022 erfolgte Akquisition des Berner Lehrmittelverlags hep bezahlt gemacht. Sind weitere Übernahmen geplant?
Die Übernahme des hep Verlags, einem führenden Anbieter von Schweizer Lernmedien, war für uns ein Glückfall und erlaubt es, unser Angebot deutlich auszubauen. Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie wollen wir in Zukunft sowohl im Bildungs- als auch im Sicherheitsbereich wachsen. Dabei schliessen wir weitere Akquisitionen nicht aus.
Sie rechnen 2023 für die Gruppe mit einer tieferen EBIT-Marge aufgrund weiterer Investitionen in den Ausbau der digitalen Geschäftsfelder. Wie weit sind die Innovationen im Bereich der digitalen Nachweise?
Mit der Mehrheitsübernahme von Procivis im Jahr 2021 und einer strategischen Partnerschaft mit Swisscom 2022 haben wir den Grundstein für den Aufbau neuer digitaler Geschäftsfelder im Bereich Vertrauensdienstleistungen gelegt. Ausgehend von unserem Kerngeschäft mit physischen Identitäts- und Wertdokumenten, werden wir in Zukunft eine Softwarelösung für gleichwertige digitale Pendants anbieten. Verifizierbare digitale Nachweise dienen in Zukunft neben dem Nachweis der Identität auch dazu, erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse (z.B. Diplome oder Kurse) nachzuweisen oder Berechtigungen (z.B. in Form von digitalen Studentenausweisen) zu ermöglichen.
«Ausgehend von unserem Kerngeschäft mit physischen Identitäts- und Wertdokumenten, werden wir in Zukunft eine Softwarelösung für gleichwertige digitale Pendants anbieten.»
Was das Procivis bislang erreicht, bzw. wann werden hier erste Ergebnisse sichtbar?
Im Schweizer Markt konnte sich Procivis in den letzten Jahren mit ihrer digitalen Identitätslösung etablieren, die bei den langjährigen Kunden, Kanton Schaffhausen und Stadt Zug, produktiv im Einsatz ist. Die Stadt Zug wurde 2022 mit ihrer mobilen Government-Lösung von Procivis bei den «Best of Swiss Apps Awards» mehrfach ausgezeichnet. Auch auf nationaler und auf EU-Ebene konnte Procivis Projekte gewinnen und sich als ein führender Anbieter in diesem Bereich weiter positionieren.
Daneben liegt ein grosser Fokus auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung sowie dem Ausbau des Produktportfolios für verifizierbare digitale Nachweise, wie beispielsweise ihrer ISO-zertifizierten mobilen Führerscheinlösung und einer SSI-Lösung. Wir erwarten ab 2025 erste Beiträge aus diesem Geschäft. Bis dahin sollen in der Schweiz, aber auch in der EU, wichtige juristische Grundlagen für digitale Identitäten und Nachweise geschaffen werden. Insgesamt sollen CHF 30 bis 50 Millionen des Umsatzwachstums bis 2028 aus digitalen Geschäftszweigen stammen
«Ein grosser liegt Fokus auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung sowie dem Ausbau des Produktportfolios für verifizierbare digitale Nachweise.»
Sie haben das Wachstumsziel der im Herbst kommunizierten «Strategie 2028» von 300 Mio. CHF Umsatz bis 2028 bekräftigt. Was werden die massgeblichen Treiber dafür sein?
Wir planen in Zukunft sowohl physische als auch digitale Identitätslösungen aus einer Hand anzubieten. Dies stellt für uns eine Chance dar unsere Kernkompetenzen in Zukunftsmärkten weiterzuentwickeln. Ergänzend wollen wir auch in unserem angestammten Geschäft weiter wachsen.
Das scheint die Aktionäre nicht zu überzeugen, die Aktie ist seit dem Hoch im März 2021 von 118,5 CHF im Abwärtstrend. Wie wollen Sie das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen?
Mit der Umsetzung der Strategie haben wir bereits begonnen und konnten erste wichtige Meilensteine realisieren. Mit der fortschreitenden Lancierung werden deren Effekte zunehmend sichtbarer, auch für Investoren.