Danièle Turkier, Gründerin «Con Corazón». (Foto: zvg)
von Patrick Gunti
Moneycab: Frau Turkier, Sie haben vor bald drei Jahren das Hilfsprojekt «Con Corazón» gegründet, das notleidenden Menschen in den peruanischen Anden hilft. Wie kam es dazu?
Danièle Turkier: Während meiner Weltreise mit dem Schwerpunkt Südamerika war ich während der Naturkatastrophe in Cusco vor Ort. Ich habe das Leiden der Bevölkerung miterlebt und habe spontan angepackt und geholfen. Dies waren die ersten Schritte zu unserem kleinen aber feinen Projekt.
Die Not anderer Menschen zu erleben ist das eine. Etwas anderes ist es, auch wirklich etwas dagegen zu tun. Was hat das Erlebte damals bei Ihnen ausgelöst?
Die grosse Not zu erleben hat in mir eine Art Hilflosigkeit ausgelöst – kombiniert mit dem Wissen, dass wir hier bei uns in der Schweiz in einem materiellen Überfluss leben. Da ich ein sehr beherzter Mensch bin, war es für mich wie klar, dass ich etwas tun musste.
«Rund 80’000 Menschen haben bei diesen Regenfällen, Erdrutschen und Überschwemmungen ihr Zuhause verloren.»
Danièle Turier, Gründerin «Con Corazón»
Wie muss man sich die damalige Situation nach den verheerenden Überschwemmungen vorstellen? Welche Hilfeleistungen standen am Anfang im Vordergrund?
Erst einmal ging es um Nothilfe, sprich Nahrungsmittel und warme Kleidung zur Verfügung zu stellen. Denn betroffen waren einmal mehr Menschen, die schon sonst nichts hatten. Rund 80’000 Menschen haben bei diesen Regenfällen, Erdrutschen und Überschwemmungen ihr Zuhause verloren. Da diese Naturkatastrophe zeitgleich wie das starke Erdbeben in Haiti stattfand, ging sie in den internationalen Medien völlig unter.
Sie waren als Reisende aus der Schweiz unterwegs. Was konnten Sie vor Ort tun?
Ich ging an einem Zelt vom Roten Kreuz vorbei, und aus dem Augenblick heraus habe ich die Mitarbeiter gefragt, ob sie meine Hilfe gebrauchen könnten. So begann mein Hilfseinsatz in und rund um Cusco.
Sie entschlossen sich, mit zwei Krankenschwestern, die Sie beim Roten Kreuz kennengelernt hatten, vor Ort Hilfe zu leisten. Ihre Wahl fiel auf die Gemeinde Piñipampa. Heute geht es «Con Corazón» darum, die Bewohner langfristig zu unterstützen. Wo setzen Sie dabei die Schwerpunkte?
Unsere Schwerpunkte liegen im Bildungs- und im Gesundheitsbereich, da dort grosser Handlungsbedarf besteht. Dabei arbeiten wir mit den Müttern und Kindern zusammen. Viele für uns alltägliche Dinge fehlen dort gänzlich. So sind zum Beispiel schon ein Schreibutensil und ein Schreibheft alles andere als selbstverständlich.
Mit vielen Müttern in Piñipampa, aber mittlerweile auch im äusserst abgelegenen Maranpaki auf 4000 M.ü.M. arbeitet Ihre Organisation im Rahmen von Workshops zusammen. Was ist das Ziel dieser Workshops?
Wir möchten die wirtschaftliche Situation der Bewohner langfristig verbessern, die Menschen unabhängig machen und ihre Lebensqualität steigern. Alle Menschen, die unsere Unterstützung erhalten, nehmen auch an unseren Workshops teil. Diese finden zu den Themen Gesundheit, Hygiene und Kunsthandwerk statt.
Beispielsweise lernen die Menschen die Weiterverarbeitung der Alpacawolle. Denn so kommt mehr Geld in die abgelegene Region, als nur mit dem Weiterverkauf des Rohmaterials. Die erzeugten Produkte werden in der Schweiz und in Peru in Läden verkauft. Durch die Verkäufe generieren die Teilnehmerinnen ein Einkommen und es kann so ein Teil des Hilfprojektes finanziert werden.
Welche Entwicklungen standen im zu Ende gehenden Jahr im Zentrum?
Zurzeit bauen wir im abgelegenen Andendorf Maranpaki Alto eine Forellen- und eine Meerschweinchenzucht auf, damit die Schulkinder diversifizierter ernährt werden können. Die übrigen Meerschweinchen – die sogenannten Guys – werden in der nächst grösseren Stadt auf dem Markt verkauft. Mit diesen Einnahmen wird dann wiederum die Tiernahrung gekauft. Somit ist dies ein in sich geschlossener Kreis. Und in diesen Tagen wichtig: Wie jedes Jahr organisieren wir in „unseren“ Dörfern Weihnachtsfeiern. Dabei wird gegessen, getanzt und gespielt. Und für die Kinder gibt es eine kleine Bescherung.
«Da der Staat nicht fähig ist, die betroffene Bevölkerung zu unterstützen, leben viele Bewohner noch immer in ihren provisorischen Unterkünften.»
Wie geht es den Menschen heute, fast drei Jahren nach den verheerenden Überschwemmungen?
Da der Staat nicht fähig ist, die betroffene Bevölkerung zu unterstützen, leben viele Bewohner noch immer in ihren provisorischen Unterkünften. In der Gemeinde Piñipampa konnten wir für die Kinder und Frauen so einiges bewirken und auch den Zusammenhalt fördern. Ein Beispiel ist das kranke Mädchen Zoraida, welches in diesen drei Jahren unglaubliche Fortschritte machen konnte. Den Menschen in der Piñipampa geht es gut, aber es ist immer noch viel Verbesserungspotenzial vorhanden.
Was sind die weiteren Projekte, um die Menschen vor Ort in den kommenden Jahren zu unterstützen?
Neben der Intensivierung der Workshops für die Unabhängigkeit der Dorfbewohner wird das Hauptprojekt ein Brückenbau in Maranpaki sein. Denn das Dorf wird durch einen kleinen Fluss zweigeteilt. Während der Regenzeit schwellt dieser zu einem reissenden Fluss an und verunmöglicht unter anderem den Kindern während Monaten den Schulbesuch. Da die Bevölkerung nur „Pneu-Sandalen“ an den Füssen trägt, führt die Überquerung durch den sehr kalten Fluss auch immer wieder zur gesundheitlichen Beeinträchtigung der Menschen.
Können Sie bei Ihren Hilfsleistungen auch auf die Unterstützung der örtlichen Behörden zählen?
Leider nein. Wegen der Korruption und Ineffizienz in Peru ist eine Zusammenarbeit leider eher schwierig.
Wie ist «Con Corazón» heute organisiert und wie häufig sind Sie selber vor Ort?
Die gesamte Administration ist hier in der Schweiz. Der Kontakt mit den beiden Verantwortlichen vor Ort findet mittels sehr regelmässigem E-Mail-Austausch und Skype-Gesprächen statt. Auf diesen Kommunikationswegen erstellen wir monatlich ein Budget. Mit dem entsprechenden Betrag wird die Travel Cash Karte vor Ort aufgeladen. Die beiden Krankenschwestern Ana und Sonja setzen dann die besprochenen Massnahmen um. Ich selber bin jeweils einmal im Jahr in Peru.
Wie werden die Hilfsleistungen unterstützt, was können Menschen oder Unternehmen tun, um Sie in Ihrem Engagement zu unterstützen?
Finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von unseren Projekten ist sehr willkommen. Bei Interesse können auch in Absprache gezielte Projekte von uns unterstützt werden. (siehe nachfolgende Angaben).
Frau Turkier, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Alter: 31
Kontakt:
Bankkoordinaten «Con Corazón»:
- AKB Aarau, PC: 50-6-9, IBAN: CH96 0076 1016 1255 1043 3
Ausbildung:
- Vorkurs, Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich
- Gestalter-Ausbildung mit Schwerpunkt neue Medien, Schule für Gestaltung Basel
Weiterbildung:
- Eidg. Fachausweis Marketingplanerin
Tätig als:
- 50% selbständig als Grafikerin und Webdesignerin, Dreistern Aarau AG
- 50% angestellt als Marketingplanerin, Urma AG