Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Abner, Sie haben im letzten Jahr die Verantwortung als CEO von Wisdom Tree Europa, dem amerikanischen Anbieter von ETFs (Exchange Traded Funds) übernommen. In einem Markt, der seit Jahren wächst, eine scheinbar leichte Aufgabe. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen, welches waren bis anhin Ihre wichtigsten Entscheidungen?
David Abner: Der Markt für Exchange Traded Products wächst seit Jahren ständig. Aber wenn es darum geht, unser Geschäft in Europa zu pflegen und auszubauen, ist das ein zweischneidiges Schwert. Denn es gibt insgesamt noch zu wenig Verständnis und Wissen über ETFs und ETPs. Es ist daher eine wichtige Aufgabe für uns, unseren Kunden und Interessenten den Mehrwert von WisdomTree zu erklären. Darunter fallen intelligent entworfene Produkte, unterstützt von einer beraterfreundlichen Infrastruktur. Die ist dazu da, den Vermögensverwaltern dabei zu helfen, ihre Geschäfte zu expandieren.
«Es gibt insgesamt noch zu wenig Verständnis und Wissen über ETFs und ETPs.» David Abner, Head of Europe WisdomTree
Wo sehen Sie die grössten Unterschiede zwischen dem amerikanischen und europäischen ETF-Markt, welches sind die bedeutendsten Entwicklungen in den kommenden Jahren?
In Bezug auf ETPs gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den USA und den europäischen Märkten. Strukturell haben ETFs in den USA im Vergleich zu herkömmlichen Investmentfonds einen deutlichen Steuervorteil. Und der sogenannte Creation-Redemption-Mechanismus der ETFs erlaubt es professionellen Marktteilnehmern, jederzeit Aktienkörbe mit der gleichen Zusammensetzung gegen ETFs (und umgekehrt) mit der Fondsgesellschaft zu tauschen. Diese Vorteile bestehen in Europa nicht, da die Kapitalgewinne nicht in gleicher Weise besteuert werden. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist die Transparenz in der Ausführung. In den USA wird der gesamte Handel aufgezeichnet. Wenn Sie also Ihre ETP-Order ausführen, wissen Sie, dass Sie faire Preise erhalten. In Europa ist dies nicht der Fall. In der Tat ist es ziemlich schwer zu bestimmen, welche ETPs gehandelt werden und was der faire Preis sein soll.
Aus diesem Grund werden die anstehenden neuen Regulierungen, die in Europa eine verpflichtende Aufzeichnung aller Handelsaktivitäten verlangen, für Investoren unglaublich wichtig. Neben diesen Veränderungen ist es auch zwingend erforderlich, dass die Kenntnisse der Investoren zunehmen, damit sie wissen, was sie vom Handel zu erwarten haben. Wie wir in den USA sehen, kann die Transparenz von ETFs für Investoren ein enormer Vorteil sein. Sie schafft beim Kauf von Investitionsprodukten die Möglichkeit für fairere Deals.
Wisdom Tree hat seit seinen Anfängen im Jahre 2006 den so genannten “Smart Beta”-Ansatz gewählt und ihn seitdem weiterentwickelt. Was sind die Vorteile gegenüber den Indices, die sich an der Marktkapitalisierung orientieren und gibt es belastbares Zahlenmaterial zu den Performance-Entwicklungen der unterschiedlichen Ansätze?
Smart Beta versucht, den Markt zu schlagen und nicht nur die Performance aller investierbaren Aktien in einem Aktienmarkt (Beta) abzubilden. WisdomTree ist einer der Smart Beta-Pioniere und entwickelte unter anderen das Konzept der Dividendengewichtung für Aktienmärkte. 2006 haben wir in den USA alternativ gewichtete ETFs entwickelt. Heute bietet WisdomTree Investoren in allen grossen Aktienmärkten weltweit Smart Beta-ETFs. Man darf nicht vergessen, dass viele der traditionellen Marktkapitalisierungsindizes vor vielen Jahren entwickelt wurden – zu einer Zeit in der es viel weniger Research und Daten über die Finanzmärkte gab als heute.
Die ETFs von WisdomTree sind für Investoren eine Möglichkeit, auf unsere Indizes in einer effizienteren Art zuzugreifen, viel effizienter als das mit den traditionellen Investmentfonds möglich wäre. Unsere Fonds wurden dafür entwickelt, Investoren viele Teilbereiche der Märkte und die sich dort ergebenden Chancen zugänglich zu machen. Und das auf einer höchst konsequenten, regelbasierten und transparenten Weise.
In Zeiten der Null- oder Negativzins-Politik werden Anlagen mit einer hohen Dividendenausschüttung wieder interessanter. Wie gewichten Sie die Ausschüttung von Dividenden in Ihrer Anlagepolitik?
Die Mehrheit der ETFs ist marktkapitalisiert gewichtet, also bewerten Unternehmen höher, die zu höheren Kursen gehandelt werden als Unternehmen, die stärkere Fundamentaldaten aufweisen. Wir bei WisdomTree haben eine eigene Indexmethodik entwickelt, um den Einfluss der Fundamentaldaten auf Risiko-und Rendite zu vergrössern. Die „WisdomTree Dividend Indizes“ gewichtet in der Regel jede Aktie, die durch ihren Anteil am Dividend Stream® für die Aufnahme in Frage kommt. Entscheidend ist die Summe der regelmässigen Bardividenden, die von allen Unternehmen in den jeweiligen Indizes gezahlt werden. Darüber hinaus haben wir spezifische dividendengewichtete Strategien wie „Equity Income“ und „Quality Dividend Growth“.
«Die anstehenden neuen Regulierungen, die in Europa eine verpflichtende Aufzeichnung aller Handelsaktivitäten verlangen, werden für Investoren unglaublich wichtig.»
Aktuell reagiert die Börse auf die Wahl Trumps und seine bis anhin angekündigten politischen Massnahmen positiv. Welche Hedging-Politik haben Sie, falls die Ankündigungen nicht in ein nachhaltiges Wachstum der US-Wirtschaft münden und die ohnehin schon schwache Unterstützung für Trump sinkt?
Investoren nutzen unsere ETFs als Bausteine für ein gut gestaltetes und diversifiziertes Investmentportfolio. Wir bieten Anlegern mehrere Möglichkeiten, bestimmte Aspekte ihrer Anlageportfolios durch unsere Produkte abzusichern. Zum Beispiel können viele unserer Produkte in Europa zum Schutz gegen bestimmte Währungsbewegungen mit einer Absicherung gekauft werden.
In der Schweiz beklagen sich Vorsorge-Unternehmen über die fehlenden Möglichkeiten, mit sicheren Anlagen genügend Rendite erzielen zu können. In der Folge wird der Umwandlungssatz weiter nach unten angepasst. Wie können Anleger privat mit geringem Risiko und trotzdem vernünftiger Rendite für Ihre Vorsorge aufkommen?
Schweizer Anleger auf der Suche nach Renditequellen sind vom derzeitigen Negativumfeld besonders hart getroffen. Gleichzeitig haben sie von der starken Gesamtrendite der inländischen Aktien profitiert. Allerdings ist es in der Nähe der Allzeithochs für Investoren wichtig geworden, nach niedriger Volatilität und stabileren Renditen Ausschau zu halten. Im Aktien-Bereich bedeutet das eine Verschiebung von inländischen in Richtung währungsgesicherten, ausländischen Aktien. In diesem Zusammenhang können alternativ gewichtete ETFs eine sinnvolle Kombination von Faktoren und Renditequellen darstellen, gerade für Anleger mit Strategien, die auf einen sorgenfreien Ruhestand ausgerichtet sind.
Sie verwenden für die Entwicklung Ihrer Produkte eine eigene, geschützte Methode. Was ist das Spezielle daran und wie kann ein Anleger beurteilen, ob die Methode vertrauenswürdig ist?
Unser Ziel ist es, innovative und wertschöpfende Produkte auf den Markt zu bringen. Das kann wie beschrieben zum Beispiel durch Pionierleistungen sein. Wir können aber auch Produkte lancieren, die strukturell besser sind als die von Mitbewerbern oder wir verbreitern das Angebot, etwa durch Produkte mit einer Währungsabsicherung. Der beste Weg um unseren Erfolg zu messen, ist durch unsere Track-Records, in einigen Fällen sind diese zehn Jahre und länger.
Oft besteht die “Innovation” von Finanzprodukten darin, dass sie komplexer und schwieriger zu managen sind und langfristig nicht besser abschneiden als ein Index. Wo sehen Sie echte Innovationen, die das Potential haben, Anlegern eine sichere Rendite zu bescheren?
Bei WisdomTree wollen wir die Dinge für Investoren einfach halten. Unser ganzes Produktdesign fokussiert auf Investoren, die ganz genau verstehen, was sie erhalten. Unsere Indizes sind täglich verfügbar, die Preise werden täglich gestellt. Das gilt auch für unsere auf diesen Indizes basierenden ETFs. Diese bieten die Transparenz in Finanzdienstleistungen, die von Anlegern schon lange Zeit gefordert werden. Investoren haben für Dienstleitungen viel zu lange zu hohe Preise gezahlt. WisdomTree bemüht sich, das zu ändern.
«Bei WisdomTree wollen wir die Dinge für Investoren einfach halten. Unser ganzes Produktdesign fokussiert auf Investoren, die ganz genau verstehen, was sie erhalten.»
Politisch sehen wir zunehmend isolationistische oder protektionistische Tendenzen (Türkei, USA). Was bedeutet das für die Finanzmärkte?
Das ist schwer generell zu sagen. Wir begrüssen grundsätzlich, dass Regulierungsbehörden rund um den Globus zunehmend die Vorteile und den Nutzen der Transparenz erkennen. Das führt automatisch zu steigender Anerkennung von ETF-Emittenten. Wenn Investoren genau wissen, was sie kaufen, können sie durchdachte Investitionsentscheidungen treffen. Es ist die Transparenz, die der Branche seit Jahren fehlt.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Ich mag es, wenn professionelle und private Investoren auf Augenhöhe agieren. Privatanleger waren im Vergleich zu professionellen Investoren wegen des schwierigeren Marktzugangs und der höheren Gebühren seit jeher im Nachteil. Für den durchschnittlichen Investor bedeutete das oft niedrigere Renditen. Wenn wir die Informationshürden entfernen und Wettbewerb zulassen, werden die Gebühren fallen – zum Nutzen des Verbrauchers. Die Finanzindustrie ist eine stark regulierte Branche, die Hürden Barrieren für Informationen geschaffen und die Gebühren für die Investoren lange künstlich hochgehalten hat.
«Ich mag es, wenn professionelle und private Investoren auf Augenhöhe agieren.»
Meine beiden Wünsche für die europäischen Finanzmärkte sind die zunehmende Transparenz der Gebühren und deren Konsolidierung. Zudem eine verpflichtende Aufzeichnung der Handelsaktivität, sodass jeder sehen kann, was passiert ist und zu welchem Preis und wie er dann darauf reagieren kann.
David Abner
ist Head of Europe bei Wisdom Tree. Zuvor arbeitete er bei WisdomTree in den Vereinigten Staaten als Head of Capital Markets. Abner ist bereits seit 1999 bei verschiedenen Investmentbanken im Handel mit indexgebundenen Produkten tätig. Er ist Autor des «ETF Handbook» und des «Visual Guide to ETFs».