Bossard-CEO David Dean. (Foto: Bossard)
Interview von Saverio Genzoli und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect
Die Bossard Gruppe ist global tätig. Wie interessant ist für Sie der Werkplatz Schweiz überhaupt noch?
David Dean: Wir haben grosses Interesse am Werkplatz Schweiz, denn in der Schweiz machen wir 20 Prozent unseres Konzernumsatzes. Und die Schweizer Industrie bleibt hoffentlich noch etwas hier, auch wenn der Euro gegenwärtig wieder auf Tiefgang ist. Wer mit diesem Währungsnachteil wettbewerbsfähig ist, gehört zur Weltspitze. Die Schweiz hat einige Vorteile.
«Wer mit diesem Währungsnachteil wettbewerbsfähig ist, gehört zur Weltspitze.» David Dean, CEO Bossard Gruppe
Von welchen Vorteilen schwärmen Sie am meisten?
Die Arbeitseinstellung von uns in der Schweiz ist im Vergleich zum europäischen Umland überdurchschnittlich. Damit meine ich den Arbeitseinsatz und die Bereitschaft, etwas zu leisten. Gerade in der Produktion von Spezialitäten und Nischenprodukten können wir in der Schweiz noch lange mithalten.
Die Bossard Gruppe produziert selber nicht. Was ist ihr Beitrag an den Werkplatz Schweiz?
Wir versuchen unseren Kunden zu zeigen, wie diese ihre Produkte möglichst günstig herstellen können. Auch wenn unsere Ware bei den Endprodukten in der Regel nur gerade 0.2-1 Prozent des Ganzen ausmacht, besteht bei deren Anwendung grosses Optimierungspotenzial. Beim ineffizienten Einsatz von Verbindungsteilen geht viel Zeit verloren. Die Durchlaufzeiten in der Herstellung lassen sich stark reduzieren wodurch sich auch die Produktionskosten massgeblich verringern. Unsere Kunden staunen immer wieder, wieviel Produktions- und Montagezeit durch den effizienten Einsatz unserer Produkte eingespart werden kann.
Also auf den Kunden eingehen, auch wenn es eben nur eine kleine Schraube ist?
Ja genau. Den Kunden verstehen ist eines unserer Credos. Erfolgreich sein kann man nur, wenn man versteht, was die effektiven Bedürfnisse des Kunden sind.
Neben der Tätigkeit als CEO haben Sie auch verschiedene VR-Mandate inne. Profitieren Sie von dieser Alternation?
Ja klar. Es ist interessant, die Geschäfte von verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können.
«Durch überhasteten Formalismus lässt sich kein Skandal verhindern.»
Ist die VR-Professionalisierung ein Thema für Sie?
Nein, im Gegenteil. Ich sehe die Gefahr eher im Übergewicht des Formalismus. Irgendwelche Stimmrechtsvertreter wollen anhand von bürokratischen Checklisten bestimmen, was gut und recht ist. Das ist eine gefährliche Entwicklung, bei der ich nicht sicher bin, ob das uns in Zukunft in Bezug auf eine angemessene Corporate Governance weiter bringen wird. Durch überhasteten Formalismus lässt sich kein Skandal verhindern. Es wird nur noch auf Risikoverminderung hingearbeitet anstatt auch mal an die Chancen zu denken. Ich bin der Meinung, dass die Einführung von Vorschriften momentan ein grosses Übergewicht hat. Dafür wird viel zu viel Zeit verschwendet. Die Tendenz ist für mich klar: Beim Versuch, in bester Absicht gewisse Dinge zu regulieren, schlägt das Pendel zu weit aus. Dadurch geht viel wertvolle Zeit verloren, welche die Unternehmer besser in die Zukunftsplanung und Entwicklung des eigenen Geschäfts investieren würden.
Haben Sie schon mal daran gedacht zu dekotieren, um all diese Probleme los zu werden?
In meiner Funktion als CEO muss ich zugeben, dass ich diesen Gedanken auch schon hatte. Ab und zu wäre es tatsächlich ein Traum, nicht börsenkotiert zu sein. Aber mit einem starken Ankeraktionär im Rücken haben wir den Vorteil, dass wir uns auf den langfristigen Erfolg ausrichten können und nicht nur immer direkt das nächste Quartal optimieren müssen. Per Saldo überwiegen die Vorteile einer Kotierung und ich hoffe, dass die regulatorischen Entwicklungen gerade für die Small-Caps diese nicht weiter erodieren.
Wie gehen Sie mit Kritik von VR oder Aktionärsgruppen an Ihren Entscheidungen um?
Da spielt die Erfahrung eine entscheidende Rolle. Als ich das erste Mal in einer solchen Situation war, hat mich das schon ziemlich mitgenommen. Aber irgendwann musste ich feststellen, dass das einfach Teil des Geschäfts ist. Damit muss man umgehen können. Entscheidend sind die Einsicht, dass man prinzipiell mit jeder Entscheidung auch falsch liegen kann und es braucht die Bereitschaft, seine Meinung auch ändern zu können.
«Die Chancen, welche ich verpasse, kritisiert keiner – was eigentlich falsch ist.»
Also muss man als CEO und Verwaltungsrat auch einmal den Mut haben, Fehler eingestehen zu können?
Ja klar. Niemand kann davon ausgehen, dass er im Leben niemals Fehler macht. Solange man nicht zwei oder drei Mal denselben Fehler begeht, kann man ja auch davon lernen. Was man in den Erfolgsrechnungen eben nicht sieht, ist das, was gar nie probiert wurde. Die Chancen, welche ich verpasse, kritisiert keiner – was eigentlich falsch ist. Aber wenn etwas wahrgenommen wird, das sich dann als Faux-Pas entpuppt, stösst man damit natürlich auf Gegenwind. Wir sagen immer, es soll etwas ausprobiert werden, ohne dass jemand dann gleich in den Boden gestampft wird, wenn es nicht klappt. Gute Ergebnisse basieren auf guten Ideen. Das ist bei uns Firmenkultur.
Sie als CEO oder auch VR sind dafür zuständig, dass diese Firmenkultur auch zugelassen wird.
Da hat jede Firma ein anderes Ambiente. Wir tun unser Bestes, unseren Führungskräften diese Kultur vorzuleben. Mein Beitrag dafür ist, dass ich mich einmal im Jahr mit unseren neuen Mitarbeitern in Zug an einen Tisch setze, ihnen unsere Werte vermittle und sie dazu aufrufe, auch Entscheide von oben zu hinterfragen.
Was gefällt Ihnen denn an Ihrer Aufgabe als Verwaltungsrat besonders?
Von Erfahrungen an einem anderen Ort profitieren und mein bestehendes Wissen einbringen zu können. Ich habe da die Möglichkeit, ein Unternehmen einmal aus einer anderen Optik zu begleiten. Der Austausch mit Kollegen, die einen anderen Hintergrund haben, ist sehr wertvoll und gibt Inspiration und auch Bestätigung in gewissen Dingen. Auch die Abwechslung zum Tagesgeschäft ist interessant. Oftmals hat man das Gefühl, dass gewisse Probleme nur bei einem selber auftreten. Mit dem Austausch mit anderen Leuten aus anderen Branchen sieht man dann, dass diese oftmals mit denselben Schwierigkeiten konfrontiert sind.
Wie gross ist der Einfluss eines einzelnen Verwaltungsrats? Was kann ein VR in einer Firma bewirken?
Es findet immer eine gewisse Gruppendynamik statt. Je nach Themengebiet hat oft ein einzelner sein Steckenpferd. Jeder übernimmt dann den Lead, wenn er am meisten zu sagen hat. Ein anderes Mal ist es dann ein anderer. Seine eigenen Ideen kann man natürlich immer einbringen. Am Schluss ist es dann sowieso ein Teamentscheid.
Dann muss man auch mal mit Entscheiden leben, mit denen man nicht einverstanden ist?
Ja klar, das gehört zur Sache. Vielleicht erkennt man auch erst zu einem späteren Zeitpunkt, dass ein eher unpopulärer Entscheid dann eben doch Sinn gemacht hat. Aber wir sind ja keine Roboter. Wenn alle der gleichen Meinung wären, wäre das auch nicht gut.
Haben Sie zur Entscheidungsfindung ein gewisses Wertesystem, welches Sie ganz bewusst in die Firmen einbringen möchten?
Einer meiner Leitwerte ist: Den Leuten vertrauen und Vertrauen schaffen. Die Mitarbeiter müssen spüren, dass man Vertrauen in sie hat. Es muss ein Ambiente geschaffen werden, welches dieses Vertrauen ausstrahlt. Ausserdem finde ich es sehr wichtig, dass Versprechen gehalten werden. Und authentisch zu bleiben, ist auch ein wichtiger Aspekt. Ich will keine Schauspieler als Mitarbeiter.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie verändern?
Die regulatorischen Fesseln würde ich mit gesundem Menschenverstand anreichern und Substanz über Formalität stellen.
Der Gesprächspartner
David Dean ist seit 2005 CEO der Bossard Gruppe. Im Unternehmen ist er bereits seit 1992 in verschiedenen Funktionen tätig. Zudem ist er Mitglied des Verwaltungsrats der Komax AG in Dierikon, Agta Record AG in Fehraltorf, Trumpf AG in Baar und Mitglied des «Industry Executive Advisory Board» des «Executive MBA Supply Chain Management» an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich.