David Fuss, CEO tilbago, im Interview

David Fuss, CEO tilbago (Bild: tilbago)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Fuss, neue Anbieter in einem bis anhin kaum digitalisierten Bereich mit etablierten Anbietern, wie dem Inkassogeschäft, haben oft hohe Eintrittshürden zu überwinden. Was waren für Sie die grössten Hindernisse, wie haben Sie diese beseitigt?

David Fuss: Seit 2008 beschäftigten wir uns mit der Unterstützung von Gläubigern durch Software im rechtlichen Inkasso, welche bei Kunden mit mehr als 100’000 Betreibungsbegehren pro Jahr im Einsatz stehen. Mit dem Start von tilbago in 2016 war unsere Vision in der Entwicklung einer rechtlichen Inkassolösung einen Schritt weiter zu gehen als sämtliche bestehenden Inkasso-Softwarelösungen – heisst das Inkasso neu zu denken. Wir waren das erste Unternehmen, das «Do-it-yourself» für Gläubiger ermöglicht hat – als Pionier mit einer echten Self-Service-Cloudlösung, der Integration der E-Rechnung, einem innovativen Verlustschein-Analyzer sowie fortschrittlicher Recovery Intelligence und mehr. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, beweisen die über 2’000 Unternehmen, welche unsere Lösung einsetzen.

«Zu Beginn war unsere grösste Herausforderung, Gläubiger zu überzeugen, dass digitale Lösungen nicht nur effizienter und effektiver, sondern auch sicher und gesetzeskonform sind.» David Fuss, CEO tilbago

Der effektive Eintritt in den Inkassomarkt mit unserer Cloud-Lösung war tatsächlich herausfordernd, vor allem wegen der tief verwurzelten traditionellen Prozesse und der Skepsis gegenüber neuen Technologien. Schliesslich existiert das Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (SchKG) seit 1892. Somit war zu Beginn unsere grösste Herausforderung, Gläubiger zu überzeugen, dass digitale Lösungen nicht nur effizienter und effektiver, sondern auch sicher und gesetzeskonform sind. Um diese Hürden zu überwinden, haben wir intensiv in die Entwicklung unserer Plattform investiert, die den regulatorischen Anforderungen vollständig entspricht. Zusätzlich haben wir den Fokus auf Prozesssicherheit und Benutzerfreundlichkeit gelegt, um den Übergang für unsere Kunden so einfach wie möglich zu gestalten.

Mit Ihrer Lösung wird ein Inkassobüro in den meisten Fällen überflüssig, da Ihre Kundinnen und Kunden dank Ihrer Lösung diese Funktion selbst übernehmen. Wo werden Inkassofirmen in Zukunft noch eine Berechtigung haben, welche Fälle lassen sich mit Ihrer Lösung nicht abdecken?

Für Gläubiger war bisher die interne Durchführung mit erheblichem Mehraufwand und Unsicherheiten bezüglich der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verbunden. Daher wurde häufig ein externer Inkasso-Dienstleister damit beauftragt. Die Bereitschaft der Gläubiger um dafür zusätzliche Kosten zu tragen und/oder auf Einnahmen zu verzichten war gegeben, selbst das Image-Risiko eines ungebührlichen Verhaltens des Inkasso-Dienstleisters gegenüber dem Schuldner wurde in Kauf genommen.

Das ist jedoch definitiv Vergangenheit. Mit unserer smarten Inkassolösung kann jeder Gläubiger unabhängig vom Mengengerüst und der individuellen Ausgangslage selbständig das rechtliche Inkasso durchlaufen und falls ein Verlustschein resultiert, diesen in tilbago bewirtschaften. Selbst komplexere Fälle, die in der Vergangenheit externe Unterstützung erforderten, können durch die Kombination von automatisierten Prozessen, Datenanalysen und unserer anwenderfreundlichen Plattform bewältigt werden. Wir sind überzeugt, dass die Zukunft des Forderungsmanagements vollständig in der Hand der Gläubiger liegt und durch innovative Technologien unterstützt wird, ohne dass externe Inkasso-Dienstleister erforderlich sind.

Im Umkehrschluss kann festgehalten werden, dass Inkasso-Dienstleister, die nicht auf unsere Lösung setzen, mit einer schlechteren Ausgangslage zu kämpfen haben als unsere Kunden.

Durch die Software-Unterstützung müssten die Inkasso-Prozesse einfacher, schneller und günstiger abzuwickeln sein. Gibt es hier belastbare Zahlen, wie Ihre Lösung im Vergleich zu den traditionellen, manuellen Abwicklungen abschneidet?

Wir haben klare Daten, die Effizienzsteigerungen belegen. Unsere Kunden berichten von bis zu 60 % geringeren Kosten und einer deutlichen Beschleunigung der Bearbeitungszeiten – im Vergleich zur Vor-tilbago-Zeit weisen unsere Kunden eine höhere Erfolgsquote auf und kommen rascher zum Geld bei geringerem Aufwand. Dies gilt übrigens auch bei einem Vergleich mit der externen Abgabe an einen Inkasso-Dienstleister oder der Nutzung einer anderen Inkasso-Software. Unsere Kunden verfügen durch unseren unermüdlichen Einsatz stets über die bestmögliche Lösung.

«Wir sind überzeugt, dass die Zukunft des Forderungsmanagements vollständig in der Hand der Gläubiger liegt und durch innovative Technologien unterstützt wird, ohne dass externe Inkasso-Dienstleister erforderlich sind.»

tilbago ist daran, die Kernlösung des digitalen Inkassos aus dem Jahre 2016 mit der einfachen grafischen Benutzerführung, neu aufzusetzen mit einem Data Hub für die Analyse grosser Datenmengen, einer Insight Engine für unstrukturierte Daten und Large Language Models, um Fragen zu komplexen Themen schnell beantworten zu können. Wie weit sind Sie in der Umsetzung, was können Benutzerinnen in der näheren Zukunft erwarten?

Mit konsequentem Streben nach Innovation unter Einbezug aller Stakeholder gestalten wir die Zukunft des rechtlichen Inkassos in der Schweiz.“ Dies bestimmt seit 2016 unser Handeln. Als einzige Schweizer Inkassolösung setzten wir von Beginn weg auf smartes Inkasso. Die intelligente digitale Abwicklung ist im genetischen Code von tilbago enthalten, was natürlich auch die Wahl unseres Softwarepartners beeinflusste.

Mit dem Knowledge Graph von empolis steht uns seit 2016 ein intelligentes Werkzeug zur Verfügung. Die Ergänzung mit weiteren Komponenten der Software-Suite ermöglicht nun die zielgerichtete Nutzung von künstlicher Intelligenz. Mit dem Anfangs Dezember erfolgten Release-Update haben wir erste KI basierte Features aktiviert, welche die Prozesse noch weiter intelligent automatisieren und so Gläubiger die richtigen Entscheidungen zum bestmöglichen Zeitpunkt treffen können. Im nächsten Jahr werden wir kontinuierlich weitere Anwendungsfälle für unsere Kunden aufschalten und so die digitale Revolution im rechtlichen Inkasso weiter vorantreiben.

Ein spezielles Thema bei Inkasso-Prozessen ist die Behandlung von Verlustscheinen. Wie können Sie hier Ihre Kunden und Kundinnen unterstützen?

Die Verlustscheinbewirtschaftung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesamtlösung. Unsere Kunden profitieren vom permanenten Schuldner-Monitoring auf dessen Basis der Verlustschein-Analyzer Muster im Verhalten erkennt und mögliche Auswirkungen auf Verlustscheine überprüft, was zu fallspezifischen Handlungsempfehlungen durch die Recovery Intelligence führt. Unsere Kunden minimieren den eigenen internen Aufwand und agieren zum bestmöglichen Zeitpunkt. Vorbei sind die Zeiten, bei denen eine externe Weitergabe an einen Inkassodienstleister sinnvoll war. Mit der internen Bewirtschaftung verbleiben sämtliche Einnahmen beim Gläubiger, gleichzeitig wird der Aufwand durch die fallspezifischen Handlungsempfehlungen minimiert.

Obschon die einzelnen Schritte eines Inkasso-Prozesses standardisiert sind, dürften sich in den einzelnen Fällen sehr spezifische Handlungsanweisungen ergeben. Wie werden diese erstellt, welche Technologien können hier die Automatisierung erhöhen?

Exakt dazu haben wir den Legal Advisor entwickelt. Je nach Konfiguration wird der SchKG Prozess vollautomatisch durchlaufen oder alternativ begleitet der Legal-Advisor den Benutzer Schritt für Schritt durch den Betreibungsprozess. Unter anderem achtet der Legal Advisor auf die Einhaltung der Fristen, kennt die Zuständigkeiten der Ämter und stellt die SchKG konforme Abwicklung sicher.

«Unsere Kunden berichten von bis zu 60 % geringeren Kosten und einer deutlichen Beschleunigung der Bearbeitungszeiten.»

Die vollintegrierte eSchKG Kommunikation (elektronischer Datenaustausch mit den Betreibungsämtern) übermittelt nicht nur Anfragen des Gläubigers, sondern interpretiert die Rückmeldungen der Betreibungsämter und agiert mit automatischer Abarbeitung oder Hinweisen an den Gläubiger.

Schliesslich unterbreitet der Decision Advisor auf Basis des 7/24 Monitorings dem Gläubiger Vorschläge zu weiteren zielführenden Aktivitäten.

Ihre Cloud-Lösung wird von Post Finance gehostet, ein Teil der neuen Lösung kommt von empolis gmbh. Welche Teile sind Eigenentwicklungen der tilbago, wie gross ist Ihrer Meinung nach der Vorsprung gegenüber Mitbewerbern?

Das Werkzeug von empolis stellt das Framework für die Entwicklung unserer Gesamtlösung dar. Auf dieser Basis können wir uns voll auf die Umsetzung unserer Lösung konzentrieren, mit anderen Worten, die Gesamtlösung ist eine Eigenentwicklung von tilbago. Das Framework wird durch den Softwarehersteller laufend ausgebaut, so dass wir kontinuierlich von neuen technologischen Möglichkeiten profitieren – wie im aktuellen Beispiel von Data Hub, Insight Engine und LLM – unsere Kunden erhalten dadurch mittels künstlicher Intelligenz noch bessere Unterstützung entlang vom Gesamtprozess. Wir sind aufgrund unseres Setups die führende Cloud-Inkasso-Softwarelösung der Schweiz und gestalten proaktiv die Zukunft des Inkassos, mögliche Konkurrenten agieren weiterhin vergangenheitsorientiert.

Die PostFinance hat sich auch finanziell an tilbago beteiligt. Wie sehen heute die Besitzverhältnisse aus, welche Pläne gibt es, eventuell weitere Investoren zuzulassen?

Die PostFinance ist ein bedeutender strategischer Partner und hält eine Minderheitsbeteiligung von knapp 25% an tilbago. Wir sind jedoch ein unabhängiges Unternehmen und prüfen laufend, ob zusätzliche Investitionen und Partnerschaften sinnvoll sind, um unser Wachstum und unsere Expansion zu fördern. Potenzielle Investoren müssen unsere Vision und Werte teilen.

Ihr technologiebasierter Ansatz würde wahrscheinlich erlauben, dass die Lösung auch in anderen Ländern funktionieren sollte. Welche Pläne gibt es, die Lösung auch in anderen Ländern anzubieten, welche Länder würden sich zuerst anbieten?

Wir sehen grosses Potenzial, unsere Lösung in Märkten mit ähnlichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu skalieren. Aktuell fokussieren wir auf die Schweiz, weitere Märkte folgen später.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Alle involvierten Stakeholder finden über unsere Plattform eine Lösung zur Begleichung der offenen Forderung. Fair durch die Förderung des Direktkontakts zwischen Gläubiger und Schuldner mit Unterstützung durch die gesetzlich vorgesehenen Ämter. Mein Wunsch ist, dass auch Gläubiger, welche heute noch auf externe Inkasso-Dienstleister setzen, den Inkasso-Prozess «In-Sourcen» und damit dem Schuldner unrechtmässige Gebühren (Stichwort Verzugsschaden) ersparen. Unsere Lösung zeigt dem Gläubiger den direktesten Weg zum Geld, immer fair im Umgang mit dem Schuldner

2016 sind wir als tilbago mit einem sehr erfahrenen und hochmotivierten Team und extrem starken Partnern losgezogen mit dem Ziel, jedem Gläubiger in der Schweiz auf einfache Weise zu ermöglichen, das rechtliche Inkasso mühelos und auf höchstem Niveau zu bestreiten. Dabei setzten wir als erste Anbieterin auf eine echte Cloud-Lösung. Viele Leute bezweifelten damals, dass wir unser Ziel erreichen, da dieses sehr ambitioniert war. Für uns war es jedoch nur ein Zwischenschritt in der Entwicklung der Zukunft des rechtlichen Inkassos in der Schweiz und wir haben seither zahlreiche weitere, immer grössere Meilensteine auf dieser Reise erreicht. Nun befinden wir uns mitten im wahrscheinlich grössten Schritt seit Beginn unserer Reise und freuen uns, unsere Kunden weiterhin zu bekräftigen, auf die führende Lösung für rechtliches Inkasso in der Schweiz zu setzen. Wir haben das rechtliche Inkasso in der Schweiz revolutioniert und werden es wieder tun. Ich wünsche mir, dass wir noch viele weitere wegweisende Meilensteine in der Gestaltung der Zukunft des rechtlichen Inkassos in der Schweiz mit unseren Kunden feiern können.


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