David Thiel, CEO IWB (Industrielle Werke Basel). (Foto: IWB)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Thiel, erneuerbare Energien waren im vergangenen Jahr gefragt: die IWB konnten den Umsatz auf 789 Mio Franken steigern, den Gewinn auf 93,4 Mio Franken. Was waren die Hauptgründe für das positive Resultat?
David Thiel: Die IWB sind ein finanziell gesundes Unternehmen mit einem stabilen Kerngeschäft in der Energie- und Wasserversorgung. Wir haben unsere Kosten im Griff. Gleichzeitig bearbeiten wir mit den neuen erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz und verschiedenen Telekomdienstleistungen unternehmerisch attraktive Wachstumsfelder.
Die IWB produziert Strom ausschliesslich aus erneuerbaren Energien. Welcher Herkunft ist der Strom, der in das Stromnetz eingespiesen wird?
Acht Schweizer Wasserkraftwerke, an denen wir direkt als Aktionär beteiligt sind, liefern je nach Nachfrage und Witterungsverhältnissen rund 70 bis 90 Prozent der benötigten Energie. Knapp 10 Prozent unseres Stroms stammen aus unseren energieeffizienten Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen wie dem Holzkraftwerk, der Kehrichtverwertungsanlage oder dem Kombi-Heizkraftwerk am Voltaplatz in Basel. In unseren Windparks in Frankreich und Deutschland produzieren wir derzeit pro Jahr rund 300 Gigawattstunden, das entspricht etwa 20 Prozent des Basler Stromverbrauchs.
Zusätzlich beziehen wir zum Ausgleich der Produktionsschwankungen 5 bis 20 Prozent unseres Stroms am Strommarkt. Solange eine physikalische Stromlieferung aus unseren europäischen Windkraftwerken in die Schweiz nicht möglich ist, werten wir diesen Handelsanteil und den nicht erneuerbaren Anteil unserer Eigenproduktion mit dem Kauf von Wasser- und Windkraftzertifikaten ökologisch auf. Damit können wir garantieren, dass der Strommix, mit dem wir unsere Kunden beliefern, unserem europäischen Kraftwerkspark entspricht.
«Langfristig wollen wir die witterungsabhängige Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Europa mit unseren Speicherkapazitäten in den Schweizer Alpen verbinden.»
David Thiel, CEO IWB
Das Windkraftportfolio der IWB umfasst nach dem neusten Kauf in Sachsen-Anhalt 70 Windkraftanlagen in 13 Windparks. Deren Strom wird aber in lokale Netze eingespiesen. Wird dieser Windstrom je bis nach Basel gelangen?
Was wir in unseren Wasser- und Windkraftwerke an Strom produzieren, wird derzeit in die lokalen Netze eingespiesen und auch dort bilanziert. Die Gründe sind einerseits fehlende Transportkapazitäten in den europäischen Stromnetzen – der Ausbau der Netzte hat gerade erst begonnen -, andererseits nutzen wir die lokalen Einspeisevergütungen, um die Produktionskosten der Anlagen auf ein tieferes Niveau abzuschreiben. Die IWB investieren in europäische Wind- und Solarkraftwerke jedoch nicht aus finanziellen Interessen, sondern weil wir mittel- und langfristig die dort produzierte Energie mit unseren Pumpspeicherkraftwerken zu einem Verbund ausbauen wollen.
Bei der Integration von Windparks und Pumpspeichern sind Netzkapazitäten das Nadelöhr. Um den im Ausland produzierten Strom nach Basel liefern zu können, ist eine Einbindung in die europäische Netztopologie erforderlich. Die IWB fordern deshalb den diskriminierungsfreien Zugang der Schweizer Stadtwerke zu den europäischen Netzen und Märkten. Langfristig wollen wir die witterungsabhängige Stromproduktion aus erneuerbaren Energien in Europa mit unseren Speicherkapazitäten in den Schweizer Alpen verbinden.
Auf dem Weg zur Vollversorgung mit erneuerbaren Energien sind die IWB weiter als ursprünglich geplant. Was heisst das konkret?
Wir haben unser Ziel, bis 2015 die Produktion von Strom aus neuen erneuerbaren Energien um 500 Gigawattstunden auszubauen, 2012 bereits grösstenteils erreicht – und mussten für die Investitionen deutlich weniger Mittel einsetzen als geplant. Mit dem Kauf einer Beteiligung von 15 Prozent am im Bau befindlichen Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance vermochten sich die IWB zudem für die nächsten 80 Jahre einen Zugang zu wichtigen Regelkapazitäten zu sichern.
Trotz der grossen Investitionen des vergangenen Jahres verfügen die IWB über eine Eigenkapitalquote von 65 Prozent. Welche weiteren Projekte sind in der Pipeline?
Unsere grossen Investitionen in Windparks in Frankreich und Deutschland planen wir durch die Akquisition von Photovoltaikanlagen zu ergänzen. Weiter suchen wir Möglichkeiten, um die Energie dieser wetterabhängig produzierenden Anlagen zu speichern und durch planbare und flexible Produktionsmöglichkeiten zu ergänzen. Im Vordergrund stehen hier hydraulische Pumpspeicher im Alpenraum.
Sie haben das sich im Bau befindliche Pumpspeicher-Kraftwerk Nant de Drance im Wallis erwähnt. Im vergangenen Jahr haben sie der Alpiq deren 15-%-Beteiligung abgekauft. Welche Bedeutung hat diese Beteiligung für die IWB?
Unsere Fähigkeit zur Integration von Windparks in Europa und Pumpspeichern in den Alpen schafft wie gesagt Voraussetzung dafür, dass die IWB in einer künftigen, erneuerbaren Energieversorgung eine einmalige Position einnehmen – und dank diesem ausgewogenen Produktionsmix die Versorgung sicherstellen können. Unabhängig davon, wie schnell die Energiewende in der Schweiz, in Deutschland oder in ganz Europa umgesetzt werden wird, sind die IWB als Endkundenversorger auf einen sicheren Zugang zu günstigen Produktionskapazitäten angewiesen. Erneuerbare Energien sind im Endeffekt günstiger als nukleare und fossile.
«Pumpspeicher bieten heute und morgen die benötigte Flexibilität und die geforderten Kapazitäten zu wettbewerbsfähigen Kosten.»
Pumpspeicherkraftwerke können einen erheblichen Eingriff in die Ökologie und ins Landschaftsbild darstellen. Und Experten stellen auch die Wirtschaftlichkeit in Frage. Hatten Sie im Zusammenhang mit dem Kauf keine Bedenken?
Der Strommarkt in Europa erlebt grundlegende Veränderungen. Vor allem aufgrund der massiven Förderung von Photovoltaik und Windstromanlagen in weiten Teilen Europas sowie wegen eines konjunkturell bedingten Rückgangs der Nachfrage herrscht an sonnigen und windreichen Tagen in Europa ein grosser Stromüberschuss mit entsprechend tiefen Preisen. Weht der Wind nicht oder nur schwach und scheint die Sonne nicht, fehlen die Energiemengen und die Preise steigen. Die Börsenpreise wechseln entsprechend schnell zwischen Hoch- und Tiefpreis.
Die alten, starren Geschäftsmodelle helfen da nicht mehr weiter. Es braucht die Fähigkeit, von kurzfristigen Veränderungen zu profitieren und gezielt zwischen Speichern und Produzieren zu wechseln. Pumpspeicher bieten heute und morgen die benötigte Flexibilität und die geforderten Kapazitäten zu wettbewerbsfähigen Kosten.
Zum vierten Mal in Folge haben Ihre Kunden weniger Strom verbraucht. Trägt hier die IWB-Unterstützung der Kunden beim Energiesparen Früchte?
Der Rückgang des Stromverbrauchs in Basel ist eine Tatsache, zu der unsere Energieberatung sicher einen Teil beiträgt. Auch das Amt für Umwelt und Energie des Kantons Basel-Stadt sensibilisiert die Bevölkerung immer wieder mit Kampagnen zum Energiesparen. Vor allem aber dürfte nach unserer Einschätzung die gedämpfte Konjunktur hier eine Rolle spielen.
Eine künftige Herausforderung sehen die IWB darin, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, welche das Energiesparen zu einer einträglichen Tätigkeit machen. Was steht dabei im Fokus?
Unsere Ausgangslage als vertikal und horizontal integriertes Versorgungsunternehmen gibt uns Einblick in sämtliche Prozesse, sowohl auf der Energiebereitstellungs- als auch auf der Energieverbrauchsseite. Dadurch kennen wir die Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, die bei Produktion, Transport und Verteilung von Energie, aber auch bei der Umwandlung einer Kilowattstunde in Nutzenergie bestehen. Wenn es uns gelingt, die Angebots- und die Nachfrageseite systematisch aufeinander auszurichten, werden wir nur das produzieren, was wir nicht günstiger einsparen können. Sparen bedeutet dann eben auch Verdienen.
«Ich bin sehr froh, dass wir keine Kernkraftwerke besitzen, die unsere Bilanzen über Jahre hinaus belasten.»
Die IWB beliefert Basel mit 100 % erneuerbarem Strom. Wäre Ihr nachhaltiges Energieversorgungsmodell auf die ganze Schweiz übertragbar?
Wir wollen anderen Unternehmen keine Ratschläge erteilen. Grundsätzlich steht die Investition in erneuerbare Energien allen Interessierten offen. Der Umstieg auf 100 Prozent erneuerbaren Strom in der gesamten Schweiz bedingt den Umbau des Energiesystems und die Abkehr von den bisherigen, veralteten Geschäftsmodellen – die Energiestrategie 2050 des Bundesrats zielt ja in diese Richtung.
Die IWB verzichten seit jeher auf Kernenergie. Welche Vorteile verschafft Ihnen dies gegenüber anderen Anbietern hinsichtlich dem Atomausstieg und der künftigen Energieversorgung der Schweiz?
Ich bin sehr froh, dass wir keine Kernkraftwerke besitzen, die unsere Bilanzen über Jahre hinaus belasten. Damit können wir unsere heutigen personellen und finanziellen Mittel gezielt in den Aufbau unserer künftigen Geschäftsmodelle investieren.
Wo setzen Sie im laufenden Jahr die Schwerpunkte?
Ich sehe drei wesentliche Stossrichtungen für das laufende und für die kommenden Jahre: Erstens die Pflege und Entwicklung unserer profitablen Basisaktivitäten in der nachhaltigen Energie- und Wasserversorgung. Zweitens die schrittweise Zusammenführung unserer Pumpspeicherkraftwerke in den Schweizer Alpen mit unseren Windparks in Frankreich und Deutschland zu einem planbaren Versorgungssystem. Drittens die Nutzung unserer Telekommunikations-, Datenspeicher- und Verarbeitungskapazitäten, um die komplexen Prozesse der Energiebereitstellung und -nutzung so zu optimieren, dass man mit Energiesparen Geld verdienen kann.
Herr Thiel, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Der Wirtschaftswissenschaftler David Thiel studierte und promovierte an der Universität Basel. Seine Dissertation im Bereich Unternehmensführung und Strommarktöffnung, welche er von 1993 bis 1995 schrieb, wurde vom Projekt- und Stipendienfonds der Schweizerischen Elektrizitätswirtschaft und der AEW Energie AG gefördert. Anschliessend war er für eine internationale Beratungsfirma in der italienischsprachigen Schweiz tätig, wo er sich schwerpunktmässig mit dem Aufbau der Strategieberatung für Energieversorgungsunternehmen beschäftigte. 1997 bis 1999 leitete er unternehmensweite Entwicklungsprojekte bei der BKW FMB Energie AG. Von 2000 bis 2008 war er Mitglied der Geschäftsleitung und Bereichsleiter Vertrieb der WWZ Energie AG. Seit 2008 ist er CEO der IWB (Industrielle Werke Basel)