von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Wyssen, die Bellwald Bergbahnen machen bereits fast 20 Prozent ihres Umsatzes im Sommer. Hat sich dieser Trend auch heuer verstärkt?
David Wyssen: Tatsächlich konnten wir den Sommer 2020 mit einem Umsatzrekord abschliessen. Dieser Trend zeigt sich schon seit Sommer 2017. Einerseits fokussierten wir uns vermehrt auf das Sommergeschäft. Nicht zu unterschätzen ist aber, dass Übernachtungsgäste dank der Gästekarte im Sommer unsere Bahnen gratis benützen konnten. Die erfreuliche Entwicklung in den Sommermonaten ist allerdings notwendig und muss auch künftig weiter ausgebaut werden. Denn die Winterabhängigkeit ist und bleibt für unsere Unternehmung weiterhin hoch. Sie ist auf Grund unbeeinflussbarer Faktoren wie Wetter, Schneeverhältnisse und aktuell durch die Corona Situation bedeutend unberechenbarer.
Als originelle Sommeraktivität setzen Sie auf Mountain Carts, eine Art motorlosen Go-Kart für die Alpen. Wer baut diese Fun-Artikel?
Die werden von der Firma Mountaincart GmbH aus Deutschland produziert und vertrieben. Mit einem Go-Kart durch die Natur zu fahren, erwies sich als echter Gästemagnet. Der Spassfaktor für Gross und Klein ist garantiert.
«Mit einem Go-Kart durch die Natur zu fahren, erwies sich als echter Gästemagnet.»
David Wyssen CEO Bellwald Sportbahnen AG
Das EBITDA der Bellwald Sportbahnen AG beträgt nur noch ein gutes Viertel des Umsatzes. Jetzt steht aber eine Ersatzbahn an, und zwar Gassen–Richenen. Wie ist der genaue Stand des Projekts?
Wir befinden uns inmitten des Plangenehmigungsverfahrens, das wir Ende März 2021 abschliessen wollen. Zeitgleich haben wir das definitive Finanzierungsgesuch für unsere neue 6er-Sesselbahn Gassen-Richenen gerade an die zuständige Kommission eingereicht. Trotz letztjährigem Rückgang des EBITA, teils auch corona-bedingt, liegt unser EBITA im Dreijahresschnitt bei einem Drittel des Umsatzes. Wir erfüllen bei allen Kennzahlen die notwendigen Unterstützungskriterien und gehen von einem positiven Entscheid aus. Dann können wir die notwendigen Mittel aus NRP-Darlehen (NRP=Neue Regionalpolitik, A.d.R.) und Bergbahnengesetz in Anspruch nehmen. Natürlich ist die geplante Investition von 10,5 Millionen Franken für unsere Unternehmung eine enorme Belastung. Es braucht zweifellos auch zukünftig ein rigoroses Kostenmanagement.
Bleibt es bei der Ziellinie Dezember 2022?
Wir halten an unserem ambitionierten Ziel fest. Die neue 6er-Sesselbahn Gassen-Richenen soll im Dezember 2022 eröffnet werden. Die Umsetzung wäre aus finanzieller Sicht zu einem späteren Zeitpunkt einfacher gewesen. Aber unsere bestehende 2er-Sesselbahn ist in die Jahre gekommen und deshalb störungsanfällig. Sie entspricht auch nicht mehr dem heutigen Gästekomfort. Dank dem neuen kantonalen Bergbahnengesetz besteht die Möglichkeit, diese Investition bereits im Jahr 2022 zu tätigen.
Zur Finanzierung sollen neue Aktien gezeichnet werden. Wieviel Geld konnten Sie bisher auf diese Weise einsammeln?
Aktuell konnten wir bisher 1,25 Millionen Franken in Form von Zusagen generieren. Vorgesehen ist die Aktienkapitalerhöhung von 2,85 Mio. CHF. Es gibt sicher geeignetere Zeitpunkte als im Corona Ausnahmejahr auf Kapitalsuche zu gehen. Wir sind aber zuversichtlich, den Finanzierungsnachweis der AK-Erhöhung erbringen zu können.
Das langfristige Fremdkapital soll auf zwei Millionen Franken reduziert werden. Wo dürfte es Ende 2021, nach neuen Darlehen für die Ersatzbahn, stehen?
Unser Finanzplan sieht vor, dass das langfristige Fremdkapital nach getätigter Investition im Geschäftsjahr 2022/23 bei 9 Millionen Franken stehen wird.
Die neu projektierte Sechsersesselbahn soll im Sommer Bike-Clips haben. Gibt es neben dem bereits bestehenden Bike-Park weitere Ausbaupläne für die Mountainbike-Kunden?
Wir haben den Bike Park Bellwald im Sommer 2020 mit einer eigener Trägerschaft neu aufgestellt. Diese verfolgt den schrittweisen Ausbau des bestehenden Bike-Parks. So sollen bis ins 2024 sechs neue und bereits bewilligte Trails ausgebaut werden. Bereits im Sommer 21 werden wir den neuen Family Flowtrail von Richenen nach Gassen eröffnen. Ein grosses Plus für unser Gäste.
Parallel gehen die Bestrebungen nach einer Verbindungsbahn Fiesch-Bellwald weiter. Wie wird das konkrete Projekt aussehen?
Das Projekt Verbindungsbahn Fiesch-Bellwald ist weit vorangeschritten. Es sieht den direkten Anschluss an den ÖV HUB Fiesch mittels 10er-Gondelbahn vor. Die neue Streckenführung via Mittelstation im Dorf führt danach bis ins Skigebiet von Bellwald. Die vorgesehene neue Bergstation der Verbindungsbahn Fiesch-Bellwald ist zudem auf unser Vorhaben der 6er-Sesselbahn abgestimmt. So kann der Gast künftig trockenen Fusses zu unserer neuen 6er-Sesselbahn gelangen. Auch wenn beide Bahnprojekte grundsätzlich zeitlich unabhängig voneinander realisiert werden können, erachten wir die beiden Anlagen als Gesamtkonzept. Mit einem geplanten Investitionsvolumen von über 30 Millionen Franken für beide Bahnen stehen wir vor einer zukunftsweisenden und überaus spannenden Zukunft.
«Die Angabe unserer effektiven Pistenfläche in Hektaren haben wir seither beibehalten.»
Die Sportbahnen Bellwald geben ihre Pisten auch in Hektar an. Wollen Sie sich damit beispielweise vom Corvatsch abgrenzen, wo jeder Abfahrtskilometer mehrmals gezählt wird?
Da es effektiv keine einheitliche Regelung zur Angabe von Pistenkilometer gibt, haben sich die Bellwald Sportbahnen vor gut acht Jahren dazu entschieden, ihre effektive Pistenfläche berechnen zu lassen und diese transparent zu kommunizieren. Die Angabe unserer effektiven Pistenfläche in Hektaren haben wir seither beibehalten.
«Dynamic Pricing dient uns auch als Planungs-, Controlling- und Marketinginstrument.»
Wie sind die Erfahrungen der Bellwald Sportbahnen mit den dynamischen Preisen?
Die Kunden haben das dynamische Preismodell sehr rasch sehr positiv aufgenommen. Aus Gästesicht war ein solches Preissystem bereits bestens akzeptiert, da dieses im alltäglichen Gebrauch, etwa für Hotel- oder Flugbuchungen, schon seit längerem angewendet wurde. Wir konnten als erste kleine Bergbahn im Alpenraum zeitgleich mit den grossen Bergbahnen ein 100-prozentiges dynamischen Preismodell on- wie offline anbieten. Die Tickets können rasch und unkompliziert über den Webshop gekauft werden. Heute generieren wir rund 30 Prozent des Umsatzes online. Wir erwirtschaften eine geschätzte Wertschöpfungssteigerung von 5-6 Prozent und haben durch die Automatisierung eine wesentliche Zeitersparnis im Ticketverkaufsprozess. Gleichzeitig dient uns dieses Tool als Planungs-, Controlling- und Marketinginstrument.
Welchen Einfluss wird Corona aufs Dynamic Pricing haben?
Wir erwarten eine Zunahme am Onlineanteil, da viele ein unnötiges Anstehen an der Kassa vermeiden möchten. Im Vergleich zu den Vorjahren werden die Gäste wohl eher kurzfristiger buchen. Sollte eine behördlich Schliessung angeordnet werden, ist eine Gutschrift gewährleistet.