Dimitri Petruschenko, Mitgründer und CEO EAM.Technology, im Interview

Dimitri Petruschenko, Mitgründer und CEO EAM.Technology, im Interview
Dimitri Petruschenko, Mitgründer und CEO EAM.Technology (Bild: EAM.Technology, Moneycab)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Petruschenko, unabhängige Vermögensverwalter (EAM) kommen von verschiedenen Seiten unter Druck: Banken, die das lukrative Geschäft gerne selbst machen möchten, die FINMA, welche die EAM stärker reguliert (FINIG, FIDLEG) und die digitale Transformation, welche einige Prozesse automatisiert. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die EAM, wie ihre Zukunft?

Dimitri Petruschenko: Die grössten Herausforderungen für EAMs liegen in der Bewältigung von regulatorischen Anforderungen und der zunehmenden Komplexität im Betrieb. Insbesondere für kleinere und mittlere EAMs ist dies durch den Wettbewerb und die Erwartungen der Next-Gen Kunden, aber auch Mitarbeiter verschärft. EAMs müssen ihr Betriebsmodell anpassen und sich vermehrt auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Die Zukunft der EAMs wird stark davon abhängen, wie sie diese Herausforderungen angehen.

«Die EAMs stehen vor einem Dilemma: Während die Branche über fortschrittliche Technologien wie Blockchain und KI diskutiert, mangelt es vielen EAMs aus der IT- Sicht an Grundlegendem.» Dimitri Petruschenko, Mitgründer und CEO EAM.Technology

Gerade die digitale Transformation könnte für die EAM ein zweischneidiges Schwert sein: Auf der einen Seite die erhoffte Erleichterung durch effizientere und schlankere Prozesse, auf der anderen Seite die Bedrohung der Kernfunktionen durch Künstliche Intelligenz, lernende Algorithmen oder Robo-Advising. Wie gut sind die EAM auf diese Entwicklungen vorbereitet, wo besteht der grösste Nachholbedarf?

Die EAMs stehen vor einem Dilemma: Während die Branche über fortschrittliche Technologien wie Blockchain und KI diskutiert, mangelt es vielen EAMs aus der IT- Sicht an Grundlegendem. Der Nachholbedarf erstreckt sich von Basis-IT-Infrastruktur bis hin zu effizienter Datenverarbeitung und Backoffice-Prozessen. Der Schlüssel liegt darin, grundlegende digitale Defizite zu adressieren, ohne dabei die Möglichkeiten neuer Technologien zu ignorieren. Dieser Ausgleich zwischen «Basis-IT» und zukunftsorientierten Technologien ist entscheidend für die Weiterentwicklung der EAMs – die Prioritäten aus unserer Sicht sind jedoch klar – Nachholen und Schliessen der Gaps vor KI oder sonstige neue Technologien.

Wo liegt für die EAM das grösste Potential für die Digitalisierung und wie kann dieses am effizientesten gehoben werden?

Es ist wichtig zu erwähnen, dass jeder Vermögensverwalter eine andere Ausgangslage hat. Generell kann man jedoch sagen, dass das grösste Digitalisierungspotenzial für EAMs in der Automatisierung von repetitiven Aufgaben liegt, gefolgt von der gezielten Verwendung der Schnittstellen zur Verarbeitung von Wertschriftentransaktionen und im Order-Management. Diese Bereiche bieten signifikante Effizienzsteigerungen und Fehlerreduktion. Durch Investitionen in Technologien und Einbindung neuer Tools in die Betriebsprozesse, können EAMs nicht nur ihre internen Abläufe optimieren, sondern auch ihre Dienstleistungen sowie das Kundenerlebnis verbessern. Der Schlüssel liegt darin, die Digitalisierung nicht isoliert zu betrachten, sondern sie als Teil eines umfassenden Professionalisierungs-Ansatzes zu verstehen, der auf klaren Kundenbedürfnissen basiert und technisch vollintegriert umgesetzt wird.

In Ihrer Effizienz-Studie, die Sie zusammen mit der HSLU 2023 durchführten, beleuchteten Sie die Zusammenarbeit zwischen EAM, Depotbanken und Technologieanbietern. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse?

In unserer 2023 durchgeführten Studie mit der HSLU wurde deutlich, dass ‹Staying in Business› für EAMs und Banken ein zentrales Thema bereits darstellt oder zukünftig darstellen wird. Für EAMs bedeutet dies, ihre Betriebsmodelle anzupassen und sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren, während sie gleichzeitig auf die Marktentwicklungen und Erwartungen ihrer Kunden agil reagieren können. Für Banken steht im Vordergrund, effiziente, auf die Bedürfnisse der EAMs abgestimmte Dienstleistungen anzubieten, welche vermehrt die digitalen Offerings inkludieren. Bei den Technologieanbietern sehen wir eine offene Architektur mit Standard APIs sowie klare Produktstrategie als entscheidend, da sie eine flexible Integration, Komplementarität und Anpassung an veränderte Marktbedingungen ermöglicht.

«Das grösste Digitalisierungspotenzial für EAMs liegt in der Automatisierung von repetitiven Aufgaben, gefolgt von der gezielten Verwendung der Schnittstellen zur Verarbeitung von Wertschriftentransaktionen und im Order-Management.»

Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Auswahl der richtigen Partner und der Implementierung zukunftsfähiger technischer Lösungen.

Um zu überleben, dürften die EAM, unabhängig von ihrer Grösse, Schwierigkeiten haben, mit Banken bezüglich Compliance, Technologieentwicklung oder Prozessoptimierung Schritt zu halten. Mit welchen Strategien kann ein erfolgreiches Überleben im Markt gesichert werden?

Für EAMs ist es entscheidend, Strategien zu entwickeln und zu implementieren, die eine agile Anpassung an Marktveränderungen und regulatorische Anforderungen ermöglichen.

Im Vergleich zu Banken haben kleine und mittlere EAMs aufgrund ihrer Grösse Schwierigkeiten, die Nicht-Kernfunktionen (kosten-)effizient zu bewältigen. Daher sollten EAMs konsequent die Prinzipien der Konzentration auf ihre Kernkompetenzen und des Auslagerns von Nicht-Kernfunktionen an professionelle Drittparteien anwenden, Prinzipien, die sie bereits bei ihren eigenen Kunden vertreten. Dies ermöglicht es ihnen, sich vom Markt abzuheben und ihr Geschäft flexibel zu skalieren, ohne alle Nicht-Kernfunktionen intern entwickeln zu müssen – ein Bereich, der den meisten EAMs naturgemäss fremd ist und der mit hohen Fixkosten verbunden ist.

Die Öffnung von Schnittstellen zu Systemen der Banken (Open Finance, OpenWealth API, PSD2…) sollte EAM und Fintechs einen besseren Zugang zu Kunden und Funktionen der etablierten Banken ermöglichen. Wie gut funktioniert das in der Realität, wie gut sind die EAM technologisch und organisatorisch darauf vorbereitet, diese Funktionen auch zu nutzen?

Die durch Open Finance und APIs wie OpenWealth ermöglichte Öffnung der Bankensysteme birgt theoretisch das Potenzial, die Kooperation zwischen EAMs, Fintechs und traditionellen Banken deutlich zu verbessern. In der Praxis jedoch zeigen sich grosse Unterschiede in der Bereitschaft und Fähigkeit sowohl der EAMs als auch der Banken, diese neuen Technologien zu nutzen. Während einige EAMs sowohl technologisch als auch organisatorisch gut positioniert sind, um von offenen Schnittstellen zu profitieren, stehen andere vor grundlegenden digitalen Herausforderungen.

Für eine erfolgreiche Integration ist es wesentlich, dass EAMs in ihre Digitalisierung und in entsprechende Partnerschaften investieren. Gleichzeitig müssen Banken und Technologieanbieter dafür sorgen, dass ihre APIs zugänglich, sicher und benutzerfreundlich sind und einen hohen Standard an Datenqualität bieten.

Die Öffnung der Banken gegenüber dem Schweizer und europäischen Markt wird jedoch auch als Risiko für Kannibalisierungseffekte gesehen, die zum Verlust der Kundenschnittstelle führen könnten. Daher stellt dies nicht nur eine technische, organisatorische oder finanzielle Herausforderung dar, sondern ist in hohem Masse auch ein strategisches und kulturelles Thema.

Die zunehmende Digitalisierung birgt auch ein erhöhtes Risiko von Cyber-Attacken. Wie können sich die EAM, die in den wenigsten Fällen eigene Sicherheitsexperten beschäftigen, gegen solche Attacken schützen?

In den letzten zwei Jahren sind einige Vorfälle öffentlich geworden, die die Branche wachgerüttelt hat. Um sich gegen Cyberattacken zu schützen, sollten EAMs eine veränderte Einstellung zu Risiken der Digitalisierung einnehmen. Wissend, dass die Beschleunigung nur in eine Richtung geht, müssen EAMs ein tieferes Verständnis und grösseren Respekt für IT- und Cybersicherheitsfragen entwickeln. Dies beginnt bei der Unternehmenskultur, dem Verhalten der Mitarbeiter und der fachlichen Expertise. Wichtige Massnahmen sind die Durchführung von Risikobewertungen, die Implementierung regelmässiger Sicherheitsupdates, Mitarbeiterschulungen und die Verwendung von Multi-Faktor-Authentifizierung.

«Wissend, dass die Beschleunigung nur in eine Richtung geht, müssen EAMs ein tieferes Verständnis und grösseren Respekt für IT- und Cybersicherheitsfragen entwickeln. Dies beginnt bei der Unternehmenskultur, dem Verhalten der Mitarbeiter und der fachlichen Expertise.»

Zudem ist ein dediziertes Computer Emergency Response-Konzept unerlässlich, der die Szenarien aufzeigt, die Rollen und Schnitte in einem Cyber-Emergency definiert und im Team regelmässig trainiert wird. Die Einrichtung regelmässiger Datensicherungen und eine effektive Notfallwiederherstellungskonzepte  sind grundlegende Sicherheitsmassnahmen. Schliesslich sollten EAMs den Abschluss einer Cyberrisiko-Versicherung in Betracht ziehen, welche finanzielle Absicherung und forensische Unterstützung bei Cyberangriffen, -Abwehr und Datenverlusten bietet.

In welchen Bereichen erhoffen sich die EAM grössere Unterstützung von den Depotbanken und wie gut sind diese aufgestellt, diese Wünsche zu erfüllen?

Aus unserer Perspektive sind EAMs besonders interessiert an fundiertem Research, umfassenden Produktinformationen und einem erstklassigen eBanking-Erlebnis. Sie betonen zudem die Bedeutung des digitalen Onboardings und der gezielten Unterstützung bei der Kontoeröffnung, ebenso wie effiziente KYC-Prozesse. Aktuell erfüllen viele Banken diese digitalen Erwartungen noch nicht vollumfänglich, vor allem beim Onboarding. Es besteht jedoch Optimismus bezüglich des OpenWealth-Standards für das Kundenmanagement, der eine nahtlose Integration von CRM-Systemen mit Depotbanken über die OpenWealth API verspricht. Diese Innovation könnte das Kunden-Onboarding und das Lebenszyklusmanagement erheblich automatisieren und somit die Prozesseffizienz signifikant verbessern.

Mit welchen Leistungen unterstützt die EAM.Technology die unabhängigen Vermögensverwalter, damit diese die digitale Transformation erfolgreich gestalten können?

Viele EAMs stossen oft an ihre Grenzen, wenn es um Technologie, Betrieb und Innovation geht, nicht zuletzt wegen eines Mangels an Ressourcen oder Expertise. EAM.Technology tritt hier als Schlüsselpartner auf, um diese Lücke dediziert zu schliessen.

«Ich wünsche mir eine verstärkte Zusammenarbeit und Offenheit in der Branche, um gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern.»

Zum einen dienen wir als Sparringpartner für Management und Vorstand in Operations-, Technologie- und Sicherheits-Themen und bieten eine externe Sicht zur Unterstützung der Strategie. Zusätzlich unterstützen wir die EAMs bei der Evaluation und Implementierung passender PMS- und CRM-Systeme und können das Operations Management als ein Service im fortlaufenden Betrieb sicherstellen. Zudem stellen wir für Kunden, die ihre operativen Prozesse selbst steuern, einen stellvertretenden COO und CTO Service bereit, um das Risiko von Betriebsunterbrechungen bei Ausfall von Schlüsselpersonal zu minimieren und die Kontinuität im Betrieb zu gewährleisten.

Inwiefern profitiert die Vermögensverwaltungsbranche von der neuen Partnerschaft zwischen EAM.Technology und dem Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV), und welche konkreten Vorteile ergeben sich für die Mitglieder aus dieser Zusammenarbeit?

Einerseits fördert die praxisnahe Zusammenarbeit innerhalb der VSV-Mitgliedercommunity das Verständnis und die Evolution der Themen in den Bereichen Technologie, Innovation und Operations. Zudem stärkt sie die VSV-Plattform im Austausch, Wissenstransfer und der Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Vermögensverwaltern, Banken und Technologieanbietern mit konkreten Massnahmen. Dies führt zu einer Senkung der Hürden für die Mitglieder, was ihnen einen direkten positiven Impact bietet. Die VSV-Mitglieder profitieren auch von Spezialkonditionen bei unseren Dienstleistungen.

Und nicht zuletzt führt EAM.Technology im Rahmen dieser Partnerschaft eine umfassende Studie zur Systemlandschaft im Ecosystem der Vermögensverwalter durch. Die für 2024 vorgesehene Studie zielt darauf ab, Vermögensverwaltern wichtige Orientierungshilfen und praxisnahe Beispiele zur Verfügung zu stellen, die ihnen in den ersten Schritten zur Professionalisierung und der konkreten Bedarfsabklärung bezüglich Tools und Dienstleistern helfen sollen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie einen Wunsch frei, wie sieht dieser aus?

Ich wünsche mir eine verstärkte Zusammenarbeit und Offenheit in der Branche, um gemeinsam die Herausforderungen der digitalen Transformation zu meistern. Durch die Zusammenarbeit können wir die Branche vorantreiben, effizienter machen und die Servicequalität trotz zunehmender Herausforderungen halten und sogar verbessern.


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