Dirk Lambrecht, CEO Dätwyler, im Interview

Dirk Lambrecht, CEO Dätwyler, im Interview
Dätwyler-CEO Dirk Lambrecht. (Foto: Dätwyler)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Lambrecht, die Dätwyler Gruppe war im vergangenen Jahr sehr erfolgreich, das Wachstumstempo wurde beschleunigt, Gewinn und Umsatz deutlich gesteigert. Welche Bilanz ziehen Sie nach Ihrem ersten Jahr an der Spitze des Unternehmens?

Dirk Lambrecht: Dätwyler verfügt über eine starke Basis, die wir nutzen wollen, um auch in Zukunft nachhaltigen Mehrwert für unsere Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre zu generieren. Dank der Fokussierung auf stark wachsende Marktsegmente und führende globale Positionen können wir im Konzernbereich Sealing Solutions durch Investitionen in Kapazitätserweiterungen für hochwertige Dichtungskomponenten das profitable organische Wachstum beschleunigen. Im Konzernbereich Technical Components arbeiten wir intensiv an der Schärfung der Marktsegmente und der Segmentierung der Kunden.

Das Wachstum geht vor allem auf den positiven Geschäftsgang in der Division Sealing Solutions zurück, wo der Nettoumsatz um 10,6% anstieg. Die Nachfrage nach hochwertigen Health-Care-Komponenten war unverändert stark. Was kennzeichnete das Health-Care-Geschäft aus Sicht von Dätwyler?

Diese Marktnische wächst schnell, erlaubt attraktive Margen, verfügt über hohe Eintrittsbarrieren und ist zudem wenig abhängig von der allgemeinen Konjunktur. Das Wachstum wird getrieben durch verschiedene Trends. So werden Medikamente zunehmend gespritzt, die Regulierungen der Behörden nehmen laufend zu, die Bevölkerung wird immer älter und in den Schwellenländern steigen die medizinischen Bedürfnisse. Die modernen biotechnologischen Medikamente verlangen nach immer reineren Elastomerkomponenten, von denen so wenig Partikel wie möglich ins Medikament gelangen dürfen. Das erreichen wir durch unseren branchenführenden Produktionsstandard FirstLine.

Welche Investitionen planen Sie in diesem Bereich in den nächsten Jahren?

Als weltweit starke Nummer zwei und mit unseren Best-in-Class Materialkompetenz und Produktionstechnologien können wir in dieser Marktnische unser organisches Wachstum durch den Ausbau unserer Produktionskapazitäten beschleunigen. Aktuell arbeiten wir am Bau eines neuen Werks in den USA. Dort werden wir bereits Ende 2018 mit den Zertifizierungen durch die Kunden beginnen. Ebenfalls noch dieses Jahr beginnen wir mit dem Ausbau unseres bestehenden Werks in Indien. Bis 2020 wollen wir dort die Produktionskapazität um 50% steigern und gleichzeitig weitere Gebäudereserven schaffen. Insgesamt investieren wir zwischen 2017 und 2020 über CHF 150 Mio. in unser Health Care Geschäft. Parallel dazu intensivieren wir unsere Marketingaktivitäten und bauen unsere Vertriebsteams mit Branchenexperten aus.

«Bis 2020 wollen wir dort die Produktionskapazität um 50% steigern und gleichzeitig weitere Gebäudereserven schaffen.»
Dirk Lambrecht, CEO Dätwyler

Im Januar konnten Sie mit der Vertragsverlängerung mit Nespresso um mehrere Jahre «good news» verkünden. Dätwyler stellt Aluminiumkapseln und Dichtringe für Nespresso her. Die Partnerschaft startete 2006, seither hat sich die Absatzmenge vervielfacht. Welche Bedeutung hat das Geschäft heute für Dätwyler?

Nespresso ist inzwischen der grösste Einzelkunde von Dätwyler, und der neue Vertrag sieht weiteres Wachstumspotenzial vor. Die Zusammenarbeit mit Nespresso ist ein sehr gutes Beispiel, wie wir mit unseren Kernkompetenzen in Werkstoffen, Engineering und Produktionsprozessen unmögliche scheinende Herausforderungen meistern und zum Markterfolg unserer Kunden beitragen.

Wie sehen Sie das Potenzial in den kommenden Jahren für Ihre Dichtungskomponenten im Automotive-Bereich, gerade auch im Hinblick auf die Elektromobilität?

Im Automotive Nischenmarkt für systemkritische Dichtungskomponenten verfügen wir über weltweit führende Positionen. Durch die jüngst akquirierten Produktionskompetenzen eröffnen wir uns neue Möglichkeiten in der Spritzgusstechnik mit Thermoplast und Flüssigsilikon in Ein- und Mehrkomponenten. Dies ist vor allem für Gehäusedichtungen interessant, welche bei Elektroautos vermehrt zum Einsatz kommen. Auch das akquirierte Produktsegment O-Ringe bietet attraktives Wachstumspotenzial.

Ebenfalls sehr zukunftsgerichtet ist das neue Produktionskonzept „Lean-and-Clean“. Erstmals wird Dätwyler ab 2018 hochwertige Automobilkomponenten in Reinräumen produzieren. Ich bin überzeugt, dass die Elektromobilität für Dätwyler eine Chance ist. Sie bietet uns Möglichkeiten für neue Produkte mit bestehenden und mit neuen Kunden. Mit unserem führenden Werkstoff-Knowhow und den ausgezeichneten Geschäftsbeziehungen zu globalen Grosskunden werden wir in der Elektromobilität mitwachsen.

«Im Automotive Nischenmarkt für systemkritische Dichtungskomponenten verfügen wir über weltweit führende Positionen.»

Im Gegensatz zu Sealing Solutions musste die Division Technical Components einen Umsatzrückgang hinnehmen, wobei dies vor allem auf die niederländische Tochtergesellschaft Nedis zurückzuführen ist. Wo liegen dort die Probleme und wie reagieren Sie darauf?

Nedis bewegt sich im Grosshandel für Home und Consumer Electronics in einem sehr anspruchsvollen Marktsegment mit hohem Wettbewerb und sich verändernden Kundenbedürfnissen. Um den Umsatzrückgang zu stoppen, arbeitet das Unternehmen an der Umsetzung eines umfassenden Optimierungsprogramms. Unter anderem reduziert Nedis die verschiedenen Produktmarken auf eine gemeinsame Marke, optimiert das Produktmanagement, stärkt die Produktqualität und verbessert die Verkaufseffizienz. Die Kombination dieser Massnahmen bringt in der ganzen Lieferkette Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen und verstärkt die Kundenakzeptanz und die Präsenz an der Verkaufsfront. Nedis soll sich noch stärker als bisher als Fastest Follower und beste Alternative für führende Marken positionieren.

Distrelec und Reichelt verzeichneten hingegen im in der zweiten Jahreshälfte einen Umsatzuwachs. Von welcher Geschäftsentwicklung gehen Sie hier im laufenden Jahr aus?

Distrelec erarbeitet sich durch die verstärkte Fokussierung auf Wartung, Automation und Robotik neues Wachstumspotenzial. Bei Reichelt wollen wir von einer starken Basis aus die internationale Expansion in neue Märkte beschleunigen. Die Lancierung der Webshops in Frankreich, Benelux, Polen, Österreich und der Schweiz haben gezeigt, dass das Konzept funktioniert. Distrelec und Reichelt sollten das Umsatzwachstum des vierten Quartals 2017 im neuen Jahr in einem freundlichen konjunkturellen Umfeld beschleunigen und die EBIT-Marge kontinuierlich verbessern können.

«Distrelec erarbeitet sich durch die verstärkte Fokussierung auf Wartung, Automation und Robotik neues Wachstumspotenzial.»

Letztes Jahr hat Distrelec einen neuen Enterprise Hub in Manchester geschaffen, in dem sich das Produkt-, Beschaffungs- und Marketingmanagement an einem Standort befinden. Welche Bilanz lässt sich hier zum heutigen Zeitpunkt bereits ziehen?

Die Steigerung der Agilität ist eine unserer strategischen Prioritäten. Der neue Distrelec Enterprise Hub ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir an einem Standort die Vorteile einer agilen Organisation nutzen. Es ist uns gelungen, in Manchester eine Start-up-Atmosphäre zu schaffen. Unsere rund hundert neuen Spezialisten arbeiten jeden Tag intensiv und mit viel Aussensicht an der Verbesserung unserer digitalen Prozesse und unserer Onlinepräsenz. Immer mit dem Ziel, der schnellste und kundenfreundlichste Anbieter zu sein.

Noch vor zwei Jahren, nach dem geplatzten Premier Farnell-Deal war die Rede von einem Umsatzziel von 1 Mrd Franken im Bereich Technical Components. Heute erreicht man knapp die Hälfte. Welche Marke peilen Sie längerfristig an?

Unser Fokus im Distributionsgeschäft liegt auf der Beschleunigung des organischen Wachstums. Die Schärfung der Marktsegmente und die Segmentierung der Kunden erachte ich als wichtigste Erfolgsfaktoren dazu. Bezüglich Grösse können wir nicht mit unseren Hauptkonkurrenten mithalten. Umso mehr wollen wir der kundenfreundlichste und der schnellste Distributor mit dem besten digitalen Einkaufserlebnis sein.

Dätwyler kann aus eigener Kraft deutlich wachsen, prüft aber auch fortwährend Akquisitionen. Liegt der Schwerpunkt heute im Bereich Sealing Solutions?

Ja, bis auf weiteres liegt der Fokus für Akquisitionen im Bereich Sealing Solutions. Hier können wir uns mit Übernahmen neue Technologien, Regionen oder Marktsegmente erschliessen. Wir sind laufend im Kontakt mit Unternehmen, die strategisch zu uns passen. Da es sich durchwegs um Familienunternehmen handelt, dauert der Annäherungsprozess manchmal mehrere Jahre.

Dätwyler will weiterhin das profitable Wachstum fördern, aber zusätzlich auch die Digitalisierung beschleunigen und investiert dafür über die nächsten Jahre 50 Mio Franken. Was steht im Mittelpunkt?

Unter anderem modernisiert und erweitert Dätwyler das ERP-Softwarepaket auf SAP S4/HANA. Damit steigert Dätwyler die Effizienz der Geschäftsprozesse, verbessert die Datenqualität, erhöht die IT-Sicherheit und schafft eine starke und flexible Basis für zukünftige digitale Anwendungen. So führen wir beispielsweise aktuell die SAP-Lösung SuccessFactors ein, um die HR-Prozesse zu optimieren und zu digitalisieren. So bleiben wir auch für die neuen Generationen ein attraktiver Arbeitgeber.

Herr Lambrecht, wir bedanken uns für das Interview.

Zur Person:
Dirk Lambrecht wurde per Anfang 2017 zum CEO der Dätwyler Gruppe berufen. Bis 2016 führte er als Mitglied der Konzernleitung den Konzernbereich Sealing Solutions, in welchem die bisherigen Konzernbereiche Sealing Technologies und Pharma Packaging zusammengefasst sind. Von 2005 bis 2012 war er Leiter des Konzernbereichs Sealing Technologies.

Vor seinem Wechsel zur Dätwyler Gruppe war Dirk Lambrecht Geschäftsführer der Phoenix Traffic Technology GmbH, einem Tochterunternehmen der Phoenix AG. Davor war er von 1987 bis 2003 in verschiedenen internationalen Führungsfunktionen bei der Phoenix AG in Hamburg tätig. Dirk Lambrecht hält ein Diplom als Maschinenbauingenieur mit der Fachrichtung Apparatebau der Fachhochschule Hamburg; Zusatzausbildungen absolvierte er u.a. an der Management School St. Gallen.

Zum Unternehmen:
Die Dätwyler Gruppe ist ein fokussierter Industriezulieferer mit führenden Positionen in globalen und regionalen Marktsegmenten. Dank Technologieführerschaft und massgeschneiderten Lösungen bietet die Gruppe den Kunden in den bearbeiteten Märkten einen Mehrwert. Dabei konzentriert sich Dätwyler auf Märkte, die eine Erhöhung der Wertschöpfung sowie nachhaltig profitables Wachstum ermöglichen. Der Konzernbereich Sealing Solutions ist ein führender Anbieter von kundenspezifischen Dichtungslösungen für globale Marktsegmente wie Health Care, Automotive, Civil Engineering und Consumer Goods. Der Konzernbereich Technical Components ist einer der führenden High-Service Distributoren Europas für Komponenten und Zubehör in Wartung, Automation, Elektronik und ICT. Mit insgesamt über 50 operativen Gesellschaften, Verkäufen in mehr als 100 Ländern und über 7’000 Mitarbeitenden erwirtschaftet die Dätwyler Gruppe einen Jahresumsatz von rund 1,3 Mrd Franken. Die Gruppe ist seit 1986 an der SIX Swiss Exchange kotiert (Valoren-Nr. 3048677).

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