Dirk Lambrecht, CEO Dätwyler, im Interview
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Lambrecht, mit der 625 Millionen Dollar schweren Akquisition von QSR wurde Dätwyler im Frühjahr zu einem führenden Anbieter von Dichtungen und Komponenten für elektrische Steckverbindungen. Kann man bereits eine erste Zwischenbilanz ziehen?
Dirk Lambrecht: Mit QSR haben wir den Marktführer in diesem sehr attraktiven Markt übernommen. Das Umsatzwachstum ist in der erwarteten Grössenordnung. Megatrends wie Elektrifizierung, Konnektivität, Industrie 4.0 und Internet der Dinge werden dafür sorgen, dass die Nachfrage nach elektrischen Steckverbindungen aus einer Vielzahl von Märkten über viele Jahre wächst. Paradebeispiel ist die Automobilindustrie, in welcher die Transformation zum elektrischen Fahrzeug voll im Gang ist. Um die systemkritischen Funktionen der Steckverbindungen auch unter rauen Bedingungen zu gewährleisten, müssen diese zunehmend mit Dichtungen versehen werden.
Wie sehr nützt Ihnen jetzt die Stärke des US-Dollars?
In den USA kaufen wir unsere Rohmaterialien weitgehend lokal ein und produzieren in unseren Werken für die lokalen Märkte. Daher hat der starke Dollar keinen wesentlichen Einfluss auf unsere operativen Aktivitäten. Bei der Umrechnung der US-Umsätze für die Berichterstattung in Schweizer Franken sorgt der starke US-Dollar für einen positiven Effekt. Dieser wird allerdings durch den negativen Effekt aus dem schwachen Euro mehr als kompensiert.
Die Eigenkapitalquote fiel durch die Übernahme kurzfristig um rund die Hälfte. Wo liegt die mittelfristige Zielgrösse?
Unsere mittelfristige Zielgrösse für die Eigenkapitalquote liegt bei mehr als 40 Prozent.
Im indischen Pune haben Sie Ihre Produktionskapazitäten merklich erhöht. Was sind denn auf dem Subkontinent im Moment die grössten Herausforderungen? Vielleicht die Hitze?
Wir produzieren seit 2012 in einem eigenen Werk in Indien Komponenten für die Healthcare-Industrie in höchster Qualität. Inzwischen beschäftigen wir in diesem Werk bereits mehr als 600 Mitarbeitende. Die Inbetriebnahme der zweiten Produktionshalle am bestehenden Standort ist erfolgt und bildet eine der Grundlagen für unsere profitable Wachstumsstrategie im Healthcare-Markt. Im Rahmen unserer Corporate Social Responsibility Aktivitäten unterstützen wir die Sanierung von öffentlichen Schulen und die Installation von Trinkwasseranlagen in der Region unseres Werks. Dabei arbeiten wir mit der Nichtregierungsorganisation Planet Water zusammen.
«Wir sind sehr stolz auf unsere indischen Mitarbeitenden. Auch das Management besteht ausnahmslos aus Indern.»
Dirk Lambrecht, CEO Dätwyler
Indien ist ja bekannt für gut ausgebildete Informatiker. Wie sieht es in der pharmazeutischen und medizintechnologischen Branche aus?
Wir sind sehr stolz auf unsere indischen Mitarbeitenden. Auch das Management besteht ausnahmslos aus Indern. Wir fördern die Diversität und freuen uns, dass inzwischen erste indische Mitarbeitende wichtige globale Managementfunktionen übernommen haben. Neben dem Produktionswerk für Healthcare-Komponenten betreiben wir in Indien auch ein IT-Zentrum, in dem wir über hundert Informatiker beschäftigen.
Wie geht es weiter mit Ihrer ukrainischen Tochtergesellschaft?
Unser Werk in der Ukraine steht seit der russischen Invasion still. Dank unseres globalen Produktionskonzeptes waren wir in der Lage, die Produktion unserer Elastomerteile an andere Dätwyler-Produktionsstandorte zu verschieben. So konnten wir einen Produktionsunterbruch vermeiden. Wir bedauern die Situation in der Ukraine sehr und verurteilen den russischen Angriffskrieg vehement.
In Ihrer Produktion sind höchste Qualitätsstandards gefordert, da Sie als Vorlieferant der Hightech-, Pharma-, Medtechindustrie auftreten. Wieviel investiert Dätwyler in die dafür notwendige Prozessoptimierung im Jahr etwa?
Als Engineering-Partner und Zulieferer der innovativsten Unternehmen in unseren Zielmärkten ist die kontinuierliche Verbesserung unserer Prozesse eine dauernde Aufgabe. Die Investitionen geben wir auf Basis des Gesamtunternehmens bekannt. 2021 belief sich dieser Betrag auf 110.9 Millionen Schweizer Franken, 2022 rechnen wir mit einem deutlich geringeren Betrag.
Im Bereich Mobility zeichnet sich auf Ende Jahr weltweit eine Erholung ab. Dennoch sind Sie beim zugehörenden Margenausblick weiter vorsichtig. Warum?
Die Prognosen für den Mobility-Markt sind unterschiedlich. Die Visibilität ist unverändert tief, auch für unsere Kunden. Trotz guten Auftragsbeständen schwanken die Abrufe kurzfristig relativ stark. Erfreulicherweise haben wir auch dieses Jahr wieder viele neue Aufträge für Komponenten für das elektrifizierte Fahrzeug der Zukunft gewonnen, was unsere Strategie bestätigt. Zudem haben wir Patente für die Technologie der elektroaktiven Polymere erworben. Ich bin überzeugt, dass diese Technologie mittelfristig das Potenzial hat, zu einer unserer umsatzstärksten Produktlinien für Mobility und andere Industrien zu werden.
«Trotz guten Auftragsbeständen schwanken die Abrufe kurzfristig relativ stark.»
General Industry and Food & Beverage kannten in der ersten Jahreshälfte eine besonders starke Nachfrage. Hat die Inflation darauf jetzt einen Einfluss?
General Industry und Food & Beverage entwickeln sich auch im zweiten Halbjahr erfreulich und wachsen über dem Durchschnitt ihrer Märkte. Im Fall von General Industrie hat dies unter anderem mit der starken Nachfrage aus der US-Energiebranche zu tun. In der Business Unit Food & Beverage stützt das Hochfahren der Produktionsanlagen für den zweiten Kunden sowie neue Produktlinien für den bestehenden Kunden unser Umsatzwachstum.
Die langfristigen Wachstumsperspektiven wurden bestätigt, was vor dem Hintergrund Ihres Produktportfolios verständlich ist. Wohin geht die geographische Reise?
Alle von Dätwyler bearbeiteten Märkte profitieren von Megatrends und weisen strukturelle Wachstumstreiber auf. Zudem erwirtschaften wir rund zwei Drittel unseres Umsatzes in wenig zyklischen Branchen wie beispielsweise Healthcare und Food & Beverage. Mit den diesjährigen Akquisitionen von Xinhui und QSR haben wir unsere Diversifikation bezüglich Geographie und Produktsegmenten weiter erhöht. Der Umsatzanteil in Europa wird daher in Zukunft abnehmen, während unsere Umsätze in Asien und in den USA zunehmen werden.
«Der Umsatzanteil in Europa wird in Zukunft abnehmen, während unsere Umsätze in Asien und in den USA zunehmen werden.»
Der Aktienkurs von Dätwyler hat sich in 20 Jahren verzwanzigfacht, dann in den letzten zwei Jahren fast gedrittelt. Kann man so etwas noch vernünftig einordnen?
Der Aktienkurs wird von vielen Faktoren beeinflusst. Daher kommentieren wir dessen Entwicklung nicht: Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir kontinuierlich daran arbeiten, Mehrwert für alle Anspruchsgruppen, inklusive unseren Aktionären, zu schaffen. Mit den 2022 getätigten Übernahmen sowie den umgesetzten Massnahmen zur Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit sind wir strategisch stärker positioniert als je zuvor.