Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Arnold, Belimed ist ein Spezialist für sterile Workflow-Lösungen im Gesundheitsbereich. Vor welche speziellen Herausforderungen hat sie die Pandemie gestellt, wie haben sich die letzten zwei Jahre auf die Produktion ausgewirkt?
Dominik Arnold: Einleitend möchte ich sagen, dass Belimed am Anfang der Pandemie eine positive Mitteilung publizieren durfte. Unsere Dampfsterilisatoren dekontaminieren im Krisenfall bestimmte Einweg-FFP-Atemschutzmasken des branchenführenden Herstellers 3M.
«Belimed Infection Control hat sich im Jahr 2021 in einem schwierigen Marktumfeld gut behauptet. Wir gehen davon aus, dass wir weltweit Marktanteile dazugewinnen konnten.» Dominik Arnold, CEO Belimed
Der Zugang zu den Spitälern in allen Marktregionen war während der Pandemie eingeschränkt. Belimed spürte die Auswirkungen in dem Sinne, dass das Geschäft mit Reinigungs- und Desinfektionslösungen in direkter Abhängigkeit zu den Operationszahlen steht und unsere Service-Techniker teilweise keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu den Spitälern hatten. Zudem haben die Spitäler – insbesondere zu Beginn der Krise – Projekte zurückgestellt, was sich wiederum negativ auf das Equipment-Geschäft ausgewirkt hat. Zudem war auch Belimed von den weltweiten Lieferengpässen betroffen. Die Lieferengpässe führten dazu, dass sich die Lieferzeiten der Produkte verlängerten und Komponenten sowie die Ersatzteile kurzfristig nicht verfügbar waren.
Belimed Infection Control hat sich im Jahr 2021 in einem schwierigen Marktumfeld gut behauptet. Wir gehen davon aus, dass wir weltweit Marktanteile dazugewinnen konnten. Obwohl die Zahlen für 2021 unter den Erwartungen liegen, so zeigen sie doch, dass der Geschäftsbereich die schwierige Marktsituation mit COVID-19 bewältigt und eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bewiesen hat.
Durch die Pandemie haben fast alle Bereiche einen Digitalisierungs-Schub erlebt. Wie hat sich der Schub bei Belimed gezeigt, welche Bereiche wurden schneller digitalisiert als vielleicht ursprünglich geplant?
Die Digitalisierung wird von Führungskräften und IT-Managern schon seit fast einem Jahrzehnt angestrebt. Die Pandemie hat gemäss verschiedenen Berichten die Digitalisierung im Gesundheitsbereich beschleunigt. Das ist erfreulich – auch wenn in der Anfangsphase eines Digitalisierungsprozesses eine grosse Unsicherheit bei den Kunden festzustellen ist. Die Innovationen werden zu Beginn mit einer gewissen Skepsis bewertet, obwohl intelligente Systeme begeistern.
Aus meiner Sicht haben Gesundheitseinrichtungen Schwierigkeiten, sich eine digitalisierte Aufbereitungseinheit AEMP in Realität vorzustellen. Wegen eingeschränktem Zugang zu den Spitälern nutzten die Service-Techniker vermehrt virtuelle Meetings – mit Fokus auf unsere Cloud-Lösung SmartHub.
Belimed wurde mit dem Swiss Digital Economy Award in der Kategorie KMU ausgezeichnet für die Arbeit am Spital der Zukunft. Welche Projekte oder welche Innovation haben zu dieser Auszeichnung geführt, was bedeutet die Auszeichnung für Sie?
Gemeinsam mit 900 Unternehmen kämpften wir für diese Auszeichnung. Mit dem Gewinn des Digital Excellence Award haben wir einen bedeutenden Meilenstein in der digitalen Transformation und für die Förderung der Digitalisierung in der Schweiz gesetzt. Wir wurden für die Digitalisierung von intelligenten AEMPs für Medizinprodukte für unsere Kunden ausgezeichnet. Dazu haben wir eng mit unseren Co-Creation Kunden zusammengearbeitet.
«Der Digital Economy Award 2021 gibt uns einen Schub, den wir für neue digitale Produkt-Ideen nutzen wollen.»
Wir konnten damit den Wandel vom Hardware- zum Digitalen Service Anbieter in einem anspruchsvollen, stark regulierten und internationalen Umfeld nachweisen. Die Pandemie hat den Fokus für die Digitalisierung im Gesundheitswesen intensiviert. Als Anbieter von Produkt- und Servicelösungen für die Sterilisation, Desinfektion und Reinigung von medizinischen und chirurgischen Instrumenten arbeiten wir in einer Branche, die die Veränderungen durch Digitalisierung und Megadaten direkt zu spüren bekommt.
Mit unserem Produkt SmartHub unterstützen wir die Entwicklung hin zu einer intelligenten AEMP der Zukunft: Der Digital Economy Award 2021 gibt uns einen Schub, den wir für neue digitale Produkt-Ideen nutzen wollen. Wir werden bestimmt weitere Innovationen lancieren.
Ein zunehmendes Problem in den Spitälern stellt die Keimresistenz dar. Vor welche speziellen Herausforderungen stellt Sie dies bei der Entwicklung Ihrer Aufbereitungseinheiten für Medizinprodukte (AEMP)?
Ja, das ist eine grosse Herausforderung für Krankenhäuser, und deshalb wird die Infektionskontrolle immer wichtiger. Unsere Desinfektions- und Sterilisationslösungen für chirurgische Instrumente und Endoskope vernichten auch resistente Keime nachhaltig.
Auch im Bereich der Bettenaufbereitung ist Belimed erfolgreich. Heute werden die meisten Betten noch manuell und ohne klare Prozesse aufbereitet, was für den nächsten Patienten gefährliche Folgen haben kann. Belimed verfügt über Aufbereitungslösungen, die gleichzeitig Betten und Matratzen reinigen und desinfizieren können. Dies reduziert die Übertragung von resistenten Keimen deutlich.
Auch die Industrie ist gefordert, die Umweltbelastung möglichst gering zu halten und chemische Rückstände zu reduzieren. Welche Entwicklungen und Innovationen von Belimed helfen, die Umweltbelastungen zu reduzieren?
Wussten Sie, dass Krankenhäuser in der Regel rund 2,5-mal mehr Energie verbrauchen als ein normales Bürogebäude? Indem wir umweltfreundliche Produkte und Technologien entwickeln, tragen wir aktiv zur Reduzierung der globalen Erwärmung bei. Die neueste Generation der Belimed WDs und MSTs (WD 290 IQ und MST-H) trägt im Vergleich zu älteren Modellen erheblich zur Energie- und Wassereinsparung bei.
Unsere grossen Reinigungs- und Desinfektionsautomaten und Waschwagen haben im Vergleich zu konventionellen Maschinen eine viel geringere Zykluszeit. Dies ermöglicht eine effizientere Aufbereitung und erhebliche Einsparungen an Wasser und Reinigungsmitteln. Wir leisten einen wichtigen Beitrag zur CO2- Reduzierung. Langfristig streben wir an, an unseren Produktionsstandorten in der Schweiz und in Slowenien sowie an unserem Hauptstandort in Zug CO2-neutral zu werden.
«Unsere grossen Reinigungs- und Desinfektionsautomaten und Waschwagen haben im Vergleich zu konventionellen Maschinen eine viel geringere Zykluszeit. Dies ermöglicht eine effizientere Aufbereitung und erhebliche Einsparungen an Wasser und Reinigungsmitteln.»
Wir erheben den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen regelmäßig und investieren seit 2018 auch in den Metall Zug internen Gemeinschaftsfonds CO2-Fonds für Investitionen in weitere Klimaschutzmassnahmen. Die wichtigsten Produktionsstandorte von Belimed werden mit kohlenstoffarmen Energieträgern betrieben. Das Nachhaltigkeitskonzept von Belimed umfasst alle Bereiche – von Produktionsstandorten und Lieferketten über innovative Technologien der Belimed Lösungen bis hin zu ganzheitlichen Dienstleistungskonzepten für den gesamten Lebenszyklus einer Anlage.
Bei der Entwicklung arbeiten Sie unter anderem in einem Co-Creation-Ansatz mit Ihren Kunden. Wie sind die Erfahrungen damit, welche besonderen methodischen Aspekte sind entscheidend für einen beidseitigen Erfolg?
Als «Engineers of Confidence» haben wir weitere Meilensteine erreicht und wir sind überzeugt, dass eine externe Zusammenarbeit für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation darstellt. Bei Belimed sind wir in der «Co-Creation» noch einen Schritt weiter gegangen, um in kurzer Zeit konkreten Nutzen zu erzielen und dabei ganz gezielt Problemstellungen des Kunden lösen. Wenn wir die Kunden vom Tag 1 in den Innovationsprozess einbeziehen und Pilotprojekte starten, können die Kunden im Rahmen der «Co-Creation» innovative digitale Lösungen bereits im frühen Prototyp-Stadium testen und uns ein zeitnahes und marktorientiertes Feedback geben. Dies erschliesst neue Entwicklungsmöglichkeiten und weist den Weg zu mehr Leistung und Effizienz – gemäss unserem Unternehmenswert «Customer Insight».
Welche Vision hat Belimed für das Spital der Zukunft, welchen Beitrag kann Belimed dazu leisten?
Das Krankenhaus der Zukunft ist intelligent und digital. Dabei kommunizieren Medizinische Geräte mit dem Endnutzer und tragen mit ihrem Datenaustausch mit anderen Systemen zu einer übergeordneten Intelligenz bei. Die digitale Transformation ist heutzutage für jedes Unternehmen von grundlegender Bedeutung. Prognosen zufolge werden im Jahr 2030 mehr als 8,5 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Das Gesundheitssystem wird daher immer mehr gefordert und es werden digitale Lösungen zum Einsatz kommen. Die Digitalisierung hat die Arbeit und das Lebensumfeld drastisch verändert und wird das Gesundheitswesen auch in Zukunft nachhaltig beeinflussen.
Belimed ist weltweit tätig (9 Niederlassungen, in 80 Ländern Vertriebsgesellschaften). Wo sehen Sie die größten Entwicklungschancen, wo setzen Sie Schwerpunkte bei den Investitionen?
Ganz klar – die Digitalisierung. Der innovative SmartHub von Belimed ermöglicht den Weg zur ersten intelligenten AEMP. Intelligente Gesundheitsversorgung und intelligente Krankenhäuser sind für die Zukunft unverzichtbar. Sie sind immer nur so intelligent wie die Summe ihrer einzelnen Subsysteme.
Wenn man sich die Probleme rund um das Elektronische Patientendossier, das immer noch nicht existiert, anschaut, kommen Zweifel an der Digitalisierungsfähigkeit des Gesundheitswesens auf. Was müsste getan werden, damit die Digitalisierung dieses fundamentalen Bereiches schneller vorankommt, wo gibt es Beispiele, die Leuchtturmcharakter im Gesundheitswesen haben?
Wir haben uns bewusst auf die Digitalisierung ausserhalb der Patientendaten entschieden. Das sind Daten, die aus regulatorischer Sicht weniger streng kontrolliert werden, aber auch aus gesellschaftlicher Sicht unproblematisch sind. Wir glauben, dass wir mit maschinellen Daten Lösungen und Vorteile im Gesundheitswesen noch schneller umsetzen und einen Fortschritt erzielen können. Mit diesem Ansatz legen wir den Grundstein für Lösungen mit sensiblen Daten.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Dass wir unsere innovativen Ideen von Produkten und Dienstleistungsangeboten schon morgen auf den Markt bringen können und – dass unsere Kunden bereit sind, Daten zu nutzen, um ihren Aufbereitungsprozess sicherer, billiger und zuverlässiger zu machen.
Das Interview entstand in Zusammenarbeit mit dem Swiss Digital Economy Award