Dominique Locher, CEO LeShop.ch, im Interview

Dominique Locher, CEO LeShop.ch, im Interview
Der ehemalige LeShop.ch-CEO Dominique Locher investiert in Farmy.ch.

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Locher, 2016 hat LeShop.ch das vierte Jahr in Folge zugelegt. Das Wachstum betrug 3,5% auf einen Rekordumsatz von 182,1 Mio Franken. Ist das Glas in Anbetracht des Rekordwerts halbvoll, oder angesichts des rückläufigen Umsatzwachstums (2015: 6,6% / H1 2016: 4,6%) halbleer?

Dominique Locher: Umsatzwachstum ist wichtig – aber immer nur ein Teil der Erfolgsgeschichte. Noch mehr interessiert uns aber eine nachhaltige und ganzheitliche Entwicklung der Resultate – und nicht eine einseitige Wachstums-Bolzerei. Richtig ist: Angesichts des riesigen Potenzials des Online-Lebensmittelhandels ist weder halbleer noch halbvoll treffend. Eher sehen wir für die kommenden Jahre noch viele offene Chancen.

Dem stolzen Wachstum der letzten Jahre zum Trotz: Die Möglichkeit, Lebensmittel online zu bestellen, kennen fast alle, genutzt hat es bisher aber nur etwas mehr als die Hälfte. Worin sehen Sie die Zurückhaltung begründet?

Das Online-Geschäft mit Lebensmitteln sehen wir als Königsdisziplin im Online-Detailhandel. Der Einkauf von Frischprodukten ist emotional, sinnlich, wenig standardisiert – verglichen mit einem Buch oder einem Elektrogerät – und dadurch eine Vertrauenssache. Der Kunde möchte die Produkte wie im Laden gewohnt anfassen, riechen, fühlen – online ist dies noch schwierig. Das bedeutet, dass sich der Markt nicht ganz so rasant entwickeln kann wie in anderen Warengruppen. Aber von einer Zurückhaltung kann man – gerade bei den jüngeren Familien – natürlich nicht reden. Andere Märkte zeigen uns bereits vor, in welche Richtung es gehen kann. Während wir in der Schweiz bei ca. 1.7% Online-Anteil des gesamten Lebensmittelmarktes sind, bewegen sich UK bei 6% und Frankreich bei knapp 5%. In Süd-Korea ist man bereits bei über 13%. Es gibt kein Grund, wieso der Anteil in der online-affinen Schweiz nicht auch über fünf Prozent steigen kann.

«Der Kunde möchte die Produkte wie im Laden gewohnt anfassen, riechen, fühlen – online ist dies noch schwierig. Das bedeutet, dass sich der Markt nicht ganz so rasant entwickeln kann wie in anderen Warengruppen.»
Dominique Locher, CEO LeShop.ch

Sie haben im Herbst einen komplett neu entwickelten Webshop lanciert. Was zeichnet diesen aus?

Tatsächlich haben wir den ganzen Shop von hinten bis vorne – also von Backend bis Frontend – völlig neu aufgesetzt. Dabei stand für uns die Kombination von Effizienz mit Anreiz und Inspiration im Zentrum. Das heisst: Der Online-Kunde will mit Tempo bestellen aber auf einer angenehmen, freundlichen Oberfläche. Speziell zu erwähnen ist die kundenzentrierte Ansprache im E-Mag: Hier holen sich die Konsumenten themenspezifische Informationen und Spezialangebote. Passerellen, bzw. Übergänge verbinden beiden Welten, jene der Inspiration des E-Mag‘s, und jene der Einkaufswelt.

Wie waren die Reaktionen?

Die Website hat kurz vor Weihnachten 2016 in einer absoluten Rekordwoche den Kundenansturm souverän bewältigt. Das war für uns schon technisch und bezüglich Performance eine riesige Genugtuung. Auch sonst bekamen wir in Nutzertests und von Konsumenten schon sehr wertvolle Echos – positive wie auch einige kritische. So eine Entwicklung ist ja auch nie ganz fertig, sondern vielmehr ein dynamischer und agiler Prozess. Wir werten diese Inputs laufend aus und passen unsere „Laden“ kontinuierlich an – dieser soll leben. „User Experience“ ist das A und O unseres Geschäfts.

«Auch bei der Präzisierung tagsüber und am Abend gibt es noch Ausbaumöglichkeiten. Es ist diese Liefergenauigkeit, die von den Kunden enorm geschätzt wird.»

In der Westschweiz, im Wallis und im Grossraum Bern liefern Sie die Einkäufe bereits ab 06.30 Uhr aus. An wen richtet sich dieses Angebot hauptsächlich und wie wurde es aufgenommen?

Es sind jene Kunden – Privatpersonen aber durchaus auch Geschäfte oder Organisationen – die den Einkauf sehr früh und zwar vor dem Beginn ihres Alltages erledigt haben wollen: Der Kühlschrank soll voll sein bevor man aus dem Hause geht. Sie bestellen in einer ruhigen Minute und nehmen die Waren auch dann entgegen, wenn sie nicht gleichzeitig die Kinder betreuen, arbeiten oder sonst eingespannt sind.

Wie sehen die weiteren Ausbaupläne der Servicedienstleistungen aus?

Wir werden diese Frühmorgen-Lieferungen noch weiter ausbauen. Aber auch bei der Präzisierung tagsüber und am Abend gibt es noch Ausbaumöglichkeiten. Es ist diese Liefergenauigkeit, die von den Kunden enorm geschätzt wird. Und dann gibt es noch einige Überraschungen.

Sie bauen ein Netz mit 300 Abholpunkten auf. Wann wird dieser Aufbau abgeschlossen sein und nach welchen Kriterien werden die Abholpunkte ausgewählt?

Es sind insgesamt rund 300 Abholpunkte im PickMup-Netz der Migros-Gruppe drin. LeShop.ch ist heute an 17 Standorten mit eingeschlossen. Das heisst wir können hier noch weiter ausbauen. Es werden aber vor allem Standorte in Frage kommen, die sich für die doch spezifischen Bedürfnisse der LeShop.ch-Kunden eignen. Unsere Lieferungen sind – anders als andere Online-Bestellungen – meist gross und schwer (durchschnittlicher Bestellgewicht von ca. 60 kg). Das heisst, es braucht einfache Zufahrtsmöglichkeiten für das Auto und kurze Wege vom Abholort bis zum Parkplatz.

Ihre direkte Konkurrenz testet seit einem Jahr Sonntagslieferungen aus. Auch ein Thema für LeShop.ch?

Heute sehen wir dieses Bedürfnis nicht. Im Gegenteil: Unsere Kunden erledigen ihren Einkauf ja eben unter der Woche, allenfalls mit Lieferung am Samstag, damit sie am Sonntag einmal völlig unbehelligt sind von Alltagsarbeiten und Zeit für sich haben. Ausserdem bietet die Migros-Gruppe viele Migrolino-Standorte, auf die für diese Bedürfnisse zurückgegriffen wird.

Studien zeigen, dass die Bereitschaft, online zu bestellen, mit der Haltbarkeit der Produkte steigt. Ist das auch bei LeShop.ch der Fall?

Mitnichten. Wir machen ganz andere Erfahrungen: Acht der zehn meistbestellten Produkte sind Frischwaren. Mehr als 90 Prozent aller Bestellungen enthalten Frischprodukte. Und es ergeben sich ganz spezielle und auch umfangreiche Warenkörbe: Die meisten sind über 200 Franken gross und enthalten über 50 verschiedene Produkte in verschiedenen Kühlbereichen inklusive Gefrorenes.

Haben Sie Erfahrungswerte über die Treue Ihrer Kunden? Wie gut gelingt es Ihnen, diese nicht nur zu akquirieren, sondern auch zu halten?

Als Online-Shop haben wir sehr genaue Zahlen dazu. Diese geben wir aber nicht detailliert preis. Ein wenig spannend soll es auch für die Mitbewerber bleiben. Nur soviel: Natürlich gibt es einige, die nach einem Ersteinkauf aus verschiedenen Gründen nicht Stammkunden werden. Zur Stammkundschaft gehören aber rund Dreiviertel der Kunden. Viele davon kaufen mehrmals monatlich bei uns ein.

«Beim grossen Marktpotenzial gibt es durchaus auch noch Platz für weitere Akteure, die mithelfen den Markt zu entwickeln.»

LeShop.ch und Coop@home erwirtschaften etwa 2/3 des Umsatzes im Schweizer Lebensmittel-Onlinehandel. Andere Grossverteiler verzichten ganz auf Online-Shops. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung? Bleibt es bei den grossen 2 und vielen Nischenanbietern?

Wir sind bereits nicht mehr allein. Volg hat mit einem kleineren Sortiment gestartet und beim Blick ins Ausland sehen wir, dass andere Player mit Verkaufspunkten in der Schweiz auch bereits aktiv sind, beispielsweise Lidl, der als erster Discounter noch vor Weihnachten in Deutschland mit einem Vollsortiment ins Netz ging oder Aldi, der den chinesischen Markt schon gar nicht mit herkömmlichen Läden anvisiert, sondern direkt Online.

Letzte Frage: In England ist letztes Jahr AmazonFresh gestartet, dieses Jahr könnte Deutschland folgen. Wie beurteilen Sie die Chancen von AmazonFresh in Europa – eines Tages vielleicht auch hierzulande?

Ich sehe keinen Grund, warum die erwähnten Player oder auch Amazon früher oder später nicht in der Schweiz Fuss fassen sollen. Und beim grossen Marktpotenzial gibt es durchaus auch noch Platz für weitere Akteure, die mithelfen den Markt zu entwickeln. Wir denken, wir sind mit unserem einzigartigen Sortimentsmix aus Frischprodukten, Markenartikeln und den Migros-Produkten sowie unseren Serviceleistungen sehr gut positioniert, und wir schlafen nicht und entwickeln uns weiter… (lacht).

Herr Locher, herzlichen Dank für das Interview.

Zur Person:
Seit Oktober 2013 ist Dominique Locher (1969) CEO von LeShop.ch. Vorher war er als Marketing- und Verkaufsdirektor für die Kundengewinnung und –bindung, die PR und Kundenkommunikation, die Sortiments- und Preisgestaltung sowie die Kontakte zu den Herstellern von Markenartikeln verantwortlich. Vorübergehend zeichnete er in Doppelfunktion für die gesamte Logistik verantwortlich, wobei er den Aufbau des Logistikzentrums Bremgarten organisierte und leitete.

Bevor er im August 2000 zu LeShop.ch kam war Dominique Locher als Nestlé Group Brand Manager für die Marken Nescafé, Milo, Perrier und Vittel in Sri Lanka tätig. Als National Key Account Manager bei Nestlé Schweiz betreute er Grosskunden wie Coop, Spar usw. Locher verfügt über einen Master in BWL (Lic. Oec. HSG) der Universität St. Gallen. Er spricht Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und hat Grundkenntnisse in Spanisch. Er ist verheiratet und stolzer Vater zweier Kinder.

LeShop.ch

Schreibe einen Kommentar