von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Fischer, nach den Vereinten Arabischen Emiraten und Australien hat Medgate auf den Philippinen ein weiteres Telemedicine Center nach dem Medgate-Konzept in Betrieb genommen. Welches sind die wichtigsten Punkte dieses Konzepts?
Andy Fischer: Das wichtigste Merkmal am Telemedizin-Konzept von Medgate besteht darin, dass die Patienten von Ärzten beraten werden und diese von Telemedizinischen Assistenten (im Ausland werden sie meist Nurse genannt) unterstützt werden. Es ist also ein ärztliches Konzept. Das ärztliche Konzept scheint sich im Ausland ganz klar gegenüber dem umgekehrten Konzept, bei dem Pflegefachpersonen etc. die Patienten beraten und von einigen wenigen Ärzten unterstützt werden, durchzusetzen.
Zum Medgate-Konzept gehört auch unser eigens entwickeltes Patienten Management System, das die Ärzte bei der optimalen Betreuung ihrer Patienten unterstützt ebenso wie die von Medgate erarbeiteten Medical Guidelines, die einen hohen und einheitlichen Qualitätstandard der Beratungen garantieren.
Was versprechen Sie sich vom philippinischen Markt?
In den Philippinen gibt es viele, gut ausgebildete Ärzte, aber dennoch herrschen Versorgungsprobleme, da es viele Inseln und abgelegene Orte gibt. Die Telemedizin eignet sich in diesem Land daher besonders gut, denn sie kann diese Distanzen überwinden. Wir versprechen uns daher, dass die Telemedizin auf den Philippinen für mehr Versorgungssicherheit sorgen wird und auf positive Resonanz seitens der Bevölkerung stösst.
Für die Philippinen sprach ausserdem, dass es keine rechtlichen Hürden gab, da sowohl die Telemedizin grundsätzlich als auch das Ausstellen von Rezepten nach einer telemedizinischen Konsultation in diesem Land erlaubt sind.
«Wir versprechen uns, dass die Telemedizin auf den Philippinen für mehr Versorgungssicherheit sorgen wird und auf positive Resonanz seitens der Bevölkerung stösst.»
Dr. Andy Fischer, CEO und Mitgründer Medgate
Wie schwierig ist die Adaption des Konzepts auf fremde Märkte mit einer unterschiedlichen medizinischen Versorgung, aber auch einer anderen Kultur?
Dies spielt natürlich eine gewisse Rolle. Beispielsweise unterscheiden sich die Kommunikationsgewohnheiten und die Art der Kommunikation generell in den Vereinigten Arabischen Emiraten von derjenigen in der Schweiz. Dem muss bei der Schulung und Ausbildung des Personals natürlich Rechnung getragen werden. Ausserdem braucht es für eine optimale telemedizinische Dienstleistung auch Wissen über das Gesundheitssystem in dem jeweiligen Land.
Auch die Anrufgründe können natürlich von Land zu Land etwas variieren – etwa weil in den verschiedenen Ländern ganz andere Klimaverhältnisse herrschen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten verzeichnen wir beispielsweise viel mehr Anfragen zu Fragen zu Dehydrierung und allgemein in Zusammenhang mit der Hitze als in der Schweiz.
Welche Vorteile versprechen Sie sich durch die Internationalisierung für die Entwicklung der Telemedizin in der Schweiz?
Die Internationalisierung wird uns sicherlich auch neue Inputs für die Telemedizin in der Schweiz liefern. Bedürfnisse, die in anderen Ländern erkannt werden (z.B. im Bereich der Digitalisierung), können auch einem Bedürfnis des Schweizer Marktes entsprechen und insofern dann auch für die Schweiz relevant werden.
«Die Digitalisierung und die Telemedizin ermöglichen es vielen Patienten, länger zu Hause zu leben und dennoch eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu erhalten.»
Die Digitalisierung schreitet auch im Gesundheitswesen mit grossen Schritten voran. Wie wird sich dadurch auch Ihr Geschäft weiterentwickeln? Wo sehen Sie insbesondere weitere Einsatzgebiete der Telemedizin?
Sicherlich werden zukünftig immer mehr Personen ihre Körperfunktionsdaten und Verhaltensdaten messen. Dank dem Einsatz von Sensoren werden Patienten beispielsweise ihre Blutdruck- oder Blutzuckerwerte messen und automatisch übermitteln können. Insbesondere chronisch kranke Patienten können davon profitieren. Die Digitalisierung und die Telemedizin ermöglichen es vielen Patienten, länger zu Hause zu leben und dennoch eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zu erhalten.
Durch die Digitalisierung können längerfristig vermutlich auch gewisse Routineprozesse automatisiert werden, ohne dass die medizinische Qualität darunter leidet, jedoch die Servicequalität an anderen Orten steigen kann.
In der Schweiz führt Medgate das grösste ärztlich betriebene Telemedizinische Zentrum in Europa. Wie viele Ärzte arbeiten für Medgate und wie viele Konsultationen sind zu bewältigen?
Im Medgate Telemedicine Center in der Schweiz arbeiten 70 Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen. Hauptsächlich Allgemeinmediziner, aber auch Spezialisten wie zum Beispiel Kinderärzte, Gynäkologen, Dermatologen, Urologen etc. Im Jahr 2015 verzeichneten wir 725’000 Telekonsultationen, die Tendenz für 2016 ist steigend. An einzelnen Spitzentagen können es schon mal bis zu 5000 Patientenkontakte sein. Eine optimale Planung ist für uns daher ein absolutes Must.
In verschiedenen Fachbereichen und Regionen herrscht ein Ärztemangel. Haben Sie keine Schwierigkeiten, Ärzte zu rekrutieren?
Auch wir spüren den Fachkräftemangel. Mit innovativen und attraktiven Arbeitsmodellen können wir aber Ärzte für eine Tätigkeit bei Medgate begeistern. So können die Ärzte des Telemedicine Center beispielsweise im Home-Office arbeiten – etwas, dass es im Bereich der Medizin sonst kaum gibt. Ausserdem bieten wir all unseren Ärzten (Telemedicine Center und Health Center) auch tiefe Teilzeitpensen. Mit beiden Möglichkeiten sprechen wir auch Ärztinnen und Ärzte an, die ohne diese Möglichkeiten aus dem Beruf ausscheiden würden, zumindest vorübergehend. Zum Beispiel, weil sie Familie und einen anspruchsvollen Beruf nicht unter einen Hut bringen könnten.
Was macht Medgate für die bei Ihnen arbeitenden Ärzte als Arbeitgeber darüber hinaus attraktiv?
Einerseits sind dies sicher die genannten flexiblen Arbeitsmodelle. Nebst dem Home-Office und den Teilzeitpensen bieten wir unseren Ärzten auch die Möglichkeit, eine telemedizinische Tätigkeit mit einer Praxistätigkeit in einem unserer Health Center zu kombinieren. Andererseits schätzen die Ärzte auch die Interdisziplinarität, auf die sie in ihren Teams bei Medgate treffen und die Tatsache, dass sie sehr selbstständig arbeiten können und trotzdem von den Vorteilen einer Anstellung und eines grossen Teams profitieren.
Im Bereich der Telemedizin sehen ausserdem viele Ärzte eine neue, vielseitige Herausforderung, bei der sie sich voll und ganz auf die Medizin konzentrieren können, denn administrative Aufgaben sind auf ein absolutes Minimum reduziert.
«Medgate ist und bleibt auch weiterhin ein neutraler Player im Schweizer Gesundheitswesen.»
Seit Jahresbeginn ist Aevis Victoria mit 40% als Minderheitsaktionärin an Medgate beteiligt. Über die Auslandsexpansion hinaus – wo liegen die Schwerpunkte dieser Partnerschaft?
Aevis Victoria teilt die strategische Ausrichtung von Medgate hinsichtlich einer nachhaltigen Integrierten Versorgung. Das Investment von Aevis Victoria ermöglicht Medgate eine stabile und nachhaltige Wachstumsfinanzierung in allen Geschäftsbereichen.
Gehen die Pläne soweit, dass ein Patient Ihr Telemedizinisches Zentrum konsultiert, sich in einem Medgate-Ärztezentrum erstbehandeln lässt und dann in eine Swiss Medical Network-Klinik von Aevis eintritt?
Nein. Medgate ist und bleibt auch weiterhin ein neutraler Player im Schweizer Gesundheitswesen. Wir überweisen unsere Patienten bei Bedarf an den für sie und ihr medizinisches Anliegen optimalen Leistungserbringer. In gewissen Fällen kann es durchaus sein, dass Patienten in eine Klinik des Swiss Medical Network verwiesen werden, bei der Entscheidung richten wir uns jedoch immer nach unseren medizinischen Standards, der medizinischen Notwendigkeit, sowie den Bedürfnissen des Patienten.
Neben dem Telemedizinischen Zentrum und einem Partner-Netzwerk sind Ihre Ärztezentren in Zürich und Solothurn ein wichtiger Teil des integrierten Versorgungsmodells. Sind weitere Ärztezentren geplant?
Ja, Medgate plant, in den kommenden fünf Jahren zwischen acht und zehn weitere Ärztezentren in der ganzen Schweiz aufzubauen. Die Medgate Health Centers erlauben es uns auch, exemplarisch aufzuzeigen, wie die Integrierte Versorgung als Zusammenarbeit zwischen Telemedizin und niedergelassenen Ärzten aussehen kann.
Herr Fischer, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Andy Fischer studierte Humanmedizin und absolvierte anschliessend eine chirurgische und notfallmedizinische Fachausbildung. Bis 2006 war er Helikopternotarzt bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega. 1999 gründete Andy Fischer das Unternehmen Medgate, das er seither als Geschäftsführer leitet und in dessen Verwaltungsrat er Mitglied ist. Zudem hält er einen Sitz im Verwaltungsrat des Abu Dhabi Telemedicine Center, Vereinigte Arabische Emirate sowie bei Telstra ReadyCare, Australien und ist Mitglied des Stiftungsrats des Medgate Partner Network.
Andy Fischer ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Telemedizin und eHealth (SGTMeH) sowie Präsident der Internationalen Gesellschaft für Telemedizin und eHealth (ISfTeH). Seit 2008 hat er einen Lehrauftrag für Telemedizin an der Universität Zürich. Ferner amtet Andy Fischer als Vizepräsident des im 2013 gegründeten Vereins «Bündnis freiheitliches Gesundheitswesen Schweiz (BFG)». Seit 2014 ist Andy Fischer zudem Mitglied des Stiftungsrats der Merian Iselin Stiftung sowie Mitglied des Verwaltungsrats des Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB).
Zum Unternehmen:
Medgate ist einer der führenden Anbieter für integrierte ambulante Gesundheitsversorgung in der Schweiz. Das Medgate Telemedicine Center, die Medgate Health Centers und das Medgate Partner Network arbeiten integrativ zusammen. Dank dieser Vernetzung von Telemedizin und Ärztezentren sowie externen Spezialisten und Grundversorgern ist eine umfassende, effiziente und qualitativ hochstehende Betreuung unserer Patienten garantiert. Mittels des jüngsten Geschäftsbereichs, Medgate International, wird das erfolgreiche Konzept auch ins Ausland exportiert.