Dr. Thomas Bauer, VR-Präsident FINMA, im Interview

Dr. Thomas Bauer, VR-Präsident FINMA, im Interview
Dr. Thomas Bauer, VR-Präsident FINMA. (Foto: zvg)

von Karin Bosshard

Moneycab.com: Herr Bauer, bitte schildern Sie und die Aufsichtsphilosophie der FINMA, so wie sie aus Ihrer Sicht sein sollte.

Dr. Thomas Bauer: Die FINMA verfolgt einen konsequent risikobasierten Aufsichtsansatz. Wir schenken risikobehafteten Aktivitäten bei den Banken und Versicherern mehr Aufmerksamkeit als unproblematischen. Wir beaufsichtigen grosse Institute intensiver und häufiger als kleine Institute. Es gilt also: Je grösser das Risiko für die Kunden und den Finanzplatz oder je problematischer das Verhalten, desto intensiver unsere Aufsicht.

Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen, um Ihren gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag erfüllen resp. Ihre Aufsichtsphilosophie leben zu können?

Wir haben gute Rahmenbedingungen, um unser Mandat, den Schutz der Gläubiger, Anleger und Versicherten sowie der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu erfüllen. Die Kompetenzen, die wir haben, sind unabdingbar, um diese Aufgabe glaubwürdig erfüllen zu können. Eine wichtige Kompetenz der FINMA ist insbesondere, in Rundschreiben ihre Aufsichtspraxis festzulegen. Damit schaffen wir Transparenz und gleich lange Spiesse zu Gunsten der Beaufsichtigten. Zudem: Wer eine schlanke und prinzipienbasierte Regulierung will, sollte konsequenterweise auch einverstanden sein, dass die Aufsichtsbehörde darlegt, wie sie diese Regulierung in der Praxis anwendet. Genau das tun wir mit unseren Rundschreiben. Wenn das nicht gewünscht wird, muss der übergeordnete Gesetzesrahmen entsprechend detailorientierter und dh. natürlich umfangreicher ausgestaltet werden.

«Eine wichtige Kompetenz der FINMA ist insbesondere, in Rundschreiben ihre Aufsichtspraxis festzulegen.»
Dr. Thomas Bauer, Verwaltungsratspräsident FINMA

Wie erleben Sie die aktuelle Stimmung der Finanzakteure gegenüber der FINMA?

Der Aufsichtsdialog mit den Finanzakteuren verläuft professionell. Hier bekomme ich in meinen Gesprächen generell ein gutes Feedback. Der Austausch mit einzelnen Branchenverbänden gestaltet sich da manchmal auch, ich sage jetzt mal, «animierter», aber es liegt ein Stück weit auch in der Natur der Sache, dass Aufsichtsbehörde und Branchenvertreter nicht immer gleicher Meinung sind.

Es wird oft von einem engen Regulierungsnetz gesprochen, wird das Regulierungspendel auch wieder zurückschlagen?

Tatsächlich wurde in der Zeit nach der Finanzkrise international und in der Schweiz viel reguliert. Sehr Vieles davon war wichtig und richtig, um die Stabilität der grossen Institute aber auch des gesamten Finanzsystems zu stärken. Gleichzeitig habe ich natürlich auch ein gewisses Verständnis für den Wunsch, nun inne zu halten und zu fragen: Was haben wir in diesen 10 Jahren erreicht? Wo haben wir insbesondere bei kleinen Finanzmarktakteuren allenfalls zu viel Komplexität? Bei den Eckwerten zur Stabilität, Kapitalisierung und Liquidität, sollten wir das Rad hingegen nicht zurückdrehen.

«Bei den Eckwerten zur Stabilität, Kapitalisierung und Liquidität, sollten wir das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.»

Kleinere Finanzmarktakteure können sich demnach über eine geringere Aufsichtsintensität freuen?

Kleinere Akteure werden wie gesagt bereits heute aufgrund unseres Aufsichtsansatzes weit geringer beaufsichtigt. Wir wollen auch das Prüfwesen noch effizienter und fokussierter ausgestalten. Zusätzlich haben wir gerade ein spezielles Kleinbankenregime für kleine, gut kapitalisiert und geführte Banken entwickelt. Diese können dann von noch weiteren Erleichterungen profitieren.

Als unabhängige Behörde soll sich die FINMA für den Schutz der Gläubiger, Anleger und Versicherten sowie für den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte einsetzen. Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit Ihrer Behörde?

Wir erfüllen das anspruchsvolle Mandat, das uns der Gesetzgeber gegeben hat. Unsere Mitarbeitenden arbeiten jeden Tag engagiert daran, den Schutzauftrag in diesem wirtschaftlichen und politischen Umfeld zu erfüllen. Das ist eine Herausforderung. Wichtig ist, dass die FINMA unabhängig ist und ein wirkungsvolles Instrumentarium einsetzen kann. Diese Rahmenbedingungen sind zentral, damit die FINMA durch ihre Aufsicht glaubwürdig die Reputation des Schweizer Finanzplatzes schützen und fördern kann.

«Wichtig ist, dass die FINMA unabhängig ist und ein wirkungsvolles Instrumentarium einsetzen kann.»

Wie steht die FINMA punkto Wirksamkeit im internationalen Vergleich da?

Es gibt regelmässig und in allen Aufsichtsbereichen internationale Überprüfungen der Wirksamkeit der Aufsichtsbehörden. Vor wenigen Wochen waren gerade die Prüfer des IWF bei uns im Haus. Bei solchen Überprüfungen schneidet die FINMA mit ihrer Aufsichtstätigkeit in der Regel gut ab. Das ist nicht nur wichtig für uns, sondern für die Reputation des ganzen Finanzplatzes. Denn: ein starker Finanzplatz, braucht eine anerkannte und starke Aufsicht.

Welche Aufsichtsinstrumente benötigen Sie, um noch wirksamer gegen einzelne Finanzmarktakteure und einzelne Banker vorgehen zu können?

Die Leute sind immer überrascht, wenn wir sagen, dass wir mit unseren Instrumenten zufrieden sind. Wir können grundsätzlich griffige und sehr zielgerichtete Massnahmen aussprechen. Der Punkt ist, dass die Erwartungen an uns manchmal weiter gehen als unsere rechtlichen Möglichkeiten dies vorsehen. Wenn wir keine Bussenkompetenz haben, können wir natürlich auch keine Bussen aussprechen. Und wenn die juristischen Hürden für Verfahren gegen Einzelpersonen hoch sind, dann sind Sanktionen wegen schwerer Verletzung von Aufsichtsrecht eben auch entsprechend seltener. Insgesamt aber sind wir zufrieden mit unseren Werkzeugen, die gezielt Wirkung entfalten.

Die Digitalisierung des Finanzsektors verläuft in horrendem Tempo. Können die Strukturen der Finanzmarktaufsicht mithalten und sind sie noch zeitgemäss? Wo müssten die Strukturen allenfalls angepasst werden?

Die Finanzakteure sind hier sicher stärker gefordert als die Aufsichtsbehörde. Sie müssen sich im Markt behaupten. Aber klar: Auch wir müssen das Tempo mitgehen und verstehen können, wie sich die Digitalisierung auswirkt und welche Risiken die Beaufsichtigten fahren. Denn wir müssen letztlich beurteilen, ob die Beaufsichtigten mit den neuen Risiken adäquat umgehen.

Wann ist die Regulierung der Finanzmärkte Ihrer Ansicht nach kontraproduktiv oder unverhältnismässig?

Wenn es keine schützenswerten Interessen oder wenn es einfachere, weniger aufwändige Wege gibt, um die Schutzziele zu erreichen. Unser Motto ist: So viel Regulierung wie nötig, so wenig wie möglich.

«Unser Motto ist: So viel Regulierung wie nötig, so wenig wie möglich.»

Die FINMA steht oft im Fokus der öffentlichen Kritik. Wie gehen Sie persönlich mit diesen Ansprüchen und Vorwürfen um?

In meinen Gesprächen mit den Beaufsichtigten, den Verbandsvertretern und Politikern höre ich nicht nur Kritik, sondern werde auch bestärkt darin, dass wir richtig unterwegs sind. Natürlich höre ich auch kritische Bemerkungen. Hier höre ich genau hin und frage auch nach, was konkret gemeint ist. Für mich als Präsident der FINMA ist es sehr wichtig, mit der Kritik richtig umzugehen. Die Herausforderung ist hier, den Spreu vom Weizen zu trennen: Was ist sachliche, was ist berechtigte Kritik und was ist pures Deregulierungs-Lobbying? Die FINMA macht es sich hier nicht einfach. Als Behörde müssen wir uns dem konstruktiven Dialog stellen. Es gibt hier auch zahlreiche Beispiele dafür, dass dieser funktioniert. Mit pauschaler Kritik aber, die letztlich nur auf die Schwächung der Institution abzielt, kann ich hingegen nichts anfangen. Wichtig ist, dass uns als Behörde von solcher Kritik nicht einschüchtern lassen. Wir müssen unseren gesetzlichen Auftrag weiterhin und unaufgeregt unabhängig und glaubwürdig erfüllen. Denn: Kritiker und Deregulierungsrufe kommen und gehen. Eine konsequente Aufsicht muss bleiben.

Welche drei Wünsche haben Sie an die Finanzmarktakteure?

Ich handle eigentlich lieber, als dass ich Wünsche formuliere. Aber weil wir kurz vor Weihnachten stehen, nehme ich Ihr Angebot an und äussere zumindest einen Wunsch: Ich wünsche mir, dass die Finanzakteure den konstruktiven Dialog mit uns weiterpflegen. Ein ehemaliger Bankchef hat kürzlich gesagt, der Schweizer Finanzplatz befinde sich in einem «perfekten Sturm», der sich aus Ende des Bankgeheimnisses, den Folgen der Finanzkrise und der Digitalisierung aufgebaut hat. Um diesen Sturm zu bewältigen und die Zukunft zu gestalten, ist ein kreativer Diskurs wichtig. Wenn die Finma glaubwürdig und unabhängig bleibt, ist dies im Interesse des ganzen Finanzplatzes.

Herr Dr. Bauer, wir bedanken uns für das Interview.

Zum Gesprächspartner
Dr. Thomas Bauer (63) präsidiert seit Januar 2016 den Verwaltungsrat der Finanzmarktaufsicht (Finma). Seit 2015 ist er Mitglied des Finma-Verwaltungsrates. Davor war Bauer seit 1990 Richter am Kantonsgericht Baselland in Liestal und seit 1998 Abteilungspräsident im Teilamt. Der Jurist und Anwalt blickt zudem auf eine 20-jährige Tätigkeit bei Ernst & Young in den Legal Services sowie als Partner und als Head Insolvency and Restructuring Law zurück. Nach dem Erwerb des Dr.iur. an der Universität Basel und einigen Jahren anwaltlicher Tätigkeit arbeitete Bauer für die Schweizerische Bankgesellschaft im Steuerdienst (damalige UBS) und danach für die BfG Bank (Schweiz) AG als General Counsel.

Zur FINMA
Die Ziele der öffentlich-rechtlichen Anstalt FINMA sind im Finanzmarktaufsichtsgesetz festgeschrieben. Demnach bezweckt die FINMA den Schutz der Finanzmarktkunden (Individualschutz) und den Schutz der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte (Funktionsschutz). Beide Ziele sind voneinander abhängig: In einem stabilen Umfeld sind Anleger, Gläubiger und Versicherte besser geschützt. Umgekehrt benötigen die Finanzinstitute das Vertrauen der Kundschaft, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

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