von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Prader, Ihre Privatbank denkt, dass die heimischen Dividendenpapiere dem US-Aktienmarkt mittelfristig hinterherhinken werden. Aber sind die US-Börsen vor dem Hintergrund eines Wahldebakels der Demokraten nicht in Gefahr?
Duri Prader: Das verwerfliche Attentat auf Trump hat möglicherweise seine Wahlchancen noch verbessert, da er glaubhaft verkünden kann, dass die aktuelle Administration nicht einmal für seine Sicherheit sorgen kann. Wir geben aber generell keine Wahlprognosen ab. Das ist nicht unsere Expertise. Der Einfluss wird aber tendenziell überschätzt. Bekanntlich haben politische Börsen kurze Beine. Wir können auf die Resultate von verschiedenen Analysen über den amerikanischen Präsidentenwahlzyklus und die Performance der Aktienmärkte verweisen. Diese zeigen auf, dass bei der Wahl eines republikanischen Präsidenten das Wahljahr statistisch etwas besser abschneidet und das Inaugurationsjahr etwas schlechter. Bei der Wahl eines demokratischen Präsidenten ist es exakt umgekehrt.
Und wenn es im Endeffekt auf eine politische Pattsituation im Senat und im Repräsentanten hinausläuft?
Dann ist es irrelevant, wer gewählt wird, da die präsidiale Macht beschränkt bleibt. Selbst wenn die Partei des zukünftigen Präsidenten in beiden Häusern über eine knappe Mehrheit verfügen sollte, ändert sich nichts an dieser Feststellung. Es gibt immer einzelne Parlamentarier, die von der offiziellen Parteilinie abweichen. Für die Börsen sind politische Pattsituationen in der Regel positiv, weil keine grossen Gesetzesänderungen realisierbar sind. Das heisst mit anderen Worten: Die Firmen können mit berechenbareren Rahmenbedingungen planen.
An Aktien führt bei Anleiherenditen von einem Prozent gerade in unserem Land kein Weg vorbei. Was sind Ihre Lieblingsaktien?
Bei den Schweizer Aktien Holcim, Kühne und Nagel, Nestlé, Novartis, Roche, SIG und Swisscom. Bei den nichtkotierten Schweizeraktien können wir Bobst Group, Repower sowie Cham Group und Espace Real Estate Holding erwähnen. Bei den amerikanischen Aktien ist es nach wie vor der Technologiesektor mit den «Magnificent Seven» (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla).
«Wir geben generell keine Wahlprognosen ab. Das ist nicht unsere Expertise. Der Einfluss wird aber tendenziell überschätzt.»
Duri Prader, CEO Lienhardt & Partner Privatbank Zürich AG
Nebenwerte in der Schweiz finde ich erstaunlich günstig… Wann kommt die Stunde der kleinen Zykliker? Die Handelsvolumen sind ja bereits angestiegen.
Die Zykliker sind bisher nur punktuell gestiegen. Dies überrascht nicht weiter, befindet sich doch der Schweizer Einkaufsmanagerindex für die Industrie seit Monaten unter der Wachstumsschwelle. Wir erwarten jedoch, dass sich die globale Konjunktur erholen wird und der schwächere Schweizerfranken zu einer Belebung des Exportsektors beitragen wird. Die Maschinenindustrie dürfte davon am meisten profitieren, sodass nicht nur das Handelsvolumen, sondern auch die Kurse mittelfristig wieder steigen werden. Darüber hinaus sollten sinkende Zinsen eine Sektorrotation zu kleineren Werten begünstigen.
«Die sinkenden Zinsen sollten eine Sektorrotation zu kleineren Werten begünstigen.»
Trotz horrender Volatilität sind Lienhardt & Partner für Kryptoassets weiter positiv gestimmt. Wann ist das Ende der Fahnenstange erreicht?
Kryptoassets sind keine homogene Anlageklasse. Viele dürften mit der Zeit wieder verschwinden. Wir setzen auf die beiden höchstkapitalisierten Kryptowährungen, welche durch die Zulassung von Spot-ETFs einem grösseren Anlegerkreis zugänglich gemacht wurden. Anleger können nun ohne grösseren Aufwand über einen regulierten ETF in Bitcoin und ab Herbst auch in Ethereum investieren. Das hat viel regulatorische Unsicherheit aus dem Markt genommen und hilft, Kryptos als neue Anlageklasse zu etablieren. Das Ende der Fahnenstange liegt als Erwartungswert deutlich höher als die heutige Bewertung. Ob diese Niveaus allerdings erreicht werden, wissen wir nicht. Wir können einzig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, dass die Bewertungen über die nächsten zehn Jahre nicht auf dem heutigen Niveau verharren werden. Entweder gehen sie gegen null oder werden sich bei hoher Volatilität vervielfachen. Es ist im Grunde eine Wette auf eine technologische Entwicklung, deren Erfolg wie immer ungewiss ist.
«Wir setzen auf die beiden höchstkapitalisierten Kryptowährungen, welche durch die Zulassung von Spot-ETFs einem grösseren Anlegerkreis zugänglich gemacht wurden.»
Der Schweizer Chip-Sektor hat an der SIX mit ams-OSRAM und Cicor zwei Flaggschiffe, die sich sehr unterschiedlich entwickelt haben. Sind Sie dort investiert?
Nein, wir decken beide Aktien nicht ab. Wir bevorzugen VAT und Comet, welche wir in Spezialmandaten einsetzen.
In Ihren Vermögensverwaltungsstrategien planen Sie, die Gewichtung von Bitcoin und Ether von gesamthaft zwei auf vier Prozent zu verdoppeln. Krypto for ever?
Wir denken, dass mit der Zulassung durch die amerikanische Wertschriftenbehörde (SEC) von Spot-ETFs auf Bitcoin und Ether die Nachfrage nachhaltig ansteigen wird. Etwas überspitzt könnte man sagen, dass die Zulassung einem Börsengang gleichkommt. Der Hintergrund der beiden Anlagen ist jedoch völlig unterschiedlich: Bitcoin dient hauptsächlich der langfristigen Wertaufbewahrung. Das Angebot ist auf 21 Millionen begrenzt, was der entscheidende Unterschied im Vergleich zu USD, EURO oder CHF ist. Klassische Währungen sind immer inflationär und verlieren über lange Zeitperioden an Kaufkraft. Bei 2% Inflation halbiert sich diese über rund eine Generation, bei 4% dauert es nur knapp 20 Jahre. Bitcoin wird daher auch als digitales Gold bezeichnet. Die Zukunft wird zeigen, ob er dieser Qualifikation gerecht wird. Ether ist ein dezentrales Netzwerk, welches mit Hilfe unterschiedlichster Applikationen geschäftliche Transaktionen ermöglicht. Der Erfolg von Ether ist daher massgeblich davon abhängig, ob in Zukunft kommerziell erfolgreiche Anwendungen über dieses Netzwerk abgewickelt werden. Auch hier gilt, dass die konkrete Erfolgsgeschichte erst noch geschrieben werden muss.
«Die Zeiten, in denen sich Immobilien-Investoren gegenseitig scheinbar ohne Limiten überboten haben, sind seit Corona, Ukrainekrieg und Zinsanstieg vorbei.»
Selbst im Aargau kosten mittlerweile freistehende Einfamilienhäuser über zwei Millionen. Was raten Sie augenblicklich sowohl Bauherren als auch Investoren?
Einfamilienhäusern im Aargau kosten schon seit einiger Zeit teilweise über zwei Millionen, je nach Standort und Ausbau. Hotspots im Kanton Aargau sind beispielsweise Baden, Wettingen oder Bellikon. Umgekehrt gibt es aber auch im Kanton Zürich nach wie vor Ortschaften, an denen Einfamilienhäuser unter diesem Schwellenwert gekauft werden können. Wir raten Bauherren oder Investoren, wenn sie Bauland kaufen, vorgängig eine detaillierte Studie zu erstellen, um die Machbarkeit ihres Wunschprojektes zu verifizieren. Die Zeiten, in denen sich die Investoren gegenseitig scheinbar ohne Limiten überboten haben, sind seit Corona, Ukrainekrieg und Zinsanstieg vorbei. Es wird nicht mehr jeder Preis bezahlt. Einzelne Projekte, für die das Bauland vor Corona erworben wurde, können heute nicht mehr realisiert werden, weil die Baukosten schneller gestiegen sind, als die erzielbaren Verkaufspreise.
Buy low, sell high – das ist so eine banale Börsenweisheit. Ist das heute überhaupt noch möglich?
Buy low, sell high ist theoretisch immer möglich. Allerdings funktionieren wir Anleger im Grundsatz anders, weil uns bekanntlich die Verluste mehr Schmerzen bereiten, als die Gewinne Freude machen. Wir kaufen in guten Börsenphasen schnell entschlossen, um nicht zu sagen leichtfertig, und tun uns in schlechten Zeiten mit Käufen schwer. Als einfache Strategie, um sich selber zu überlisten, dient folgender Grundsatz: Kaufe nur Aktien, wenn der Entscheid ein emotional schmerzhafter Prozess ist. «Gier frisst Hirn» kann damit häufig verhindert werden. Viel wesentlicher für eine gute Anlageperformance ist jedoch die Feststellung, dass nicht «Market Timing» relevant ist, sondern «Time in the Market». Wer glaubt, dass er regelmässig korrekt Rückschläge an den Börsen umgehen kann, unterliegt dem grössten Irrtum. Es ist vielmehr so, dass der Preis für den erwarteten höheren Anlageerfolg im Aushalten der grösseren Marktschwankungen liegt. Das müssen sich Aktienanleger -und in einem noch viel grösseren Ausmass auch Kryptoinvestoren – bewusst sein. Anlegen braucht Geduld.
Im vergangenen Geschäftsjahr konnten Sie den Zinserfolg markant um 71,4% auf 13,23 Millionen Franken steigern. Nun rechnen Sie mit einem gleichbleibendem hypothekarischen Referenzzinssatz. Was bedeutet das für Ihre Bottom Line?
Wir müssen für die Beantwortung Ihrer Frage zwischen der Entwicklung des Referenzzinssatzes und des Leitzinses unterscheiden. Der Referenzzinssatz stützt sich auf den hypothekarischen Durchschnittszinssatz der Banken in der Schweiz. Der aktuelle Stand wird quartalsweise durch das Bundesamt für Wohnungswesen mitgeteilt und ist massgebend für die Mietzinsanpassungen. Wir rechnen vorläufig mit einem gleichbleibenden Referenzzinssatz, was dazu führt, dass aufgrund der Zinsen sich unsere Mieterträge nicht erhöhen werden. Der Leitzins wird hingegen unter Berücksichtigung von Inflation und Konjunktur von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur Umsetzung ihrer Geldpolitik festgelegt. Er wirkt sich grundsätzlich auf alle Zinsgeschäfte aus. Wir erwarten bis Ende Jahr eine weitere Senkung des Leitzinses. Das wird zu geringeren Zinserträgen führen. Allerdings nehmen wir die Zinsanpassungen für Saron Hypotheken ein Quartal versetzt vor. Daher prognostizieren wir für das laufende Jahr keine tieferen Zinserträge. Im Folgejahr gehen wir aber von tieferen Erträgen aus. Die gute Diversifikation unseres Geschäftsmodells gibt uns allerdings viel Stabilität. Wir erwirtschaften rund 50% der Erträge im Anlagegeschäft, 25% mit Zinserträgen, 15% mit Liegenschaften und 10% im Handel.