von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Frau Egeli, hat Ihnen der Corona-Virus einen Kundenzulauf beschert von all den Firmen, die das Thema Digitalisierung noch nicht ganz oben auf der Agenda hatten?
Eliane Egeli: Kurzfristig hatten wir einige Anfragen für die Umstellung auf Home-Office. Diese konnten auch in kurzer Zeit umgesetzt werden. Mittelfristig wird es sicher vermehrt Anfragen zu den Themen Informationssicherheit und Datenschutz geben. Diese Aspekte sind wesentlich komplexer zu lösen, wenn im Homeoffice gearbeitet wird.
Denken Sie, dass die Pandemie einen spürbaren Digitalisierungsschub in der Schweiz / weltweit auslöst?
Die Digitalisierung wird sicher verstärkt, vor allem auch bei KMU-Betrieben: Sobald betroffene Personen an verschiedenen Orten sitzen, ist die elektronische Kommunikation sehr wichtig. Dies betrifft die elektronische Post, das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten, das Unterschreiben und Visieren von Rechnungen, aber auch die Freigabe von Dokumenten. Und natürlich generell alle Geschäftsprozesse.
«Der Spagat zwischen effizientem Arbeiten im Home-Office und dem Gewährleisten des verlangten Datenschutzes und der Informationssicherheit muss gewährleistet sein.»
Eliane Egeli, CEO Egeli Informatik
Wo haben Ihrer Erfahrung nach die Schweizer Unternehmen den grössten Nachholbedarf in Sachen IT?
Obwohl es bereits viele gute Werkzeuge für das Arbeiten mit verteilten Teams gibt, muss die Organisation ebenfalls angepasst werden: Wo werden Dokumente bearbeitet, wer hat Zugriff, wie werden Inhalte ausgetauscht, wer erteilt eine Freigabe, wie bin ich sicher, dass ich das richtige Dokument habe? Wie erfolgt die Kommunikation? Der Spagat zwischen effizientem Arbeiten im Home-Office und dem Gewährleisten des verlangten Datenschutzes und der Informationssicherheit muss für diese Art von Zusammenarbeit zuerst definiert und umgesetzt werden. Die Mitarbeitenden müssen sensibilisiert und geschult sowie neue Lösungen eingeführt werden.
Wie hat Egeli Informatik selbst die Corona-Zeit überstanden?
Wir hatten bereits vor dem Lock-Down Massnahmen für vermehrtes Home-Office ergriffen. Ab Start des Lock-Downs arbeiteten die Mitarbeitenden von zu Hause aus. Für Videokonferenzen wurde dann ein Projekt vorgezogen, so dass für alle das Werkzeug vorhanden war, das sicher im Einsatz ist. Unsere Kunden haben alle ihre geplanten Projekte weitergezogen und wir erhielten in dieser Zeit noch neue Anfragen und Kunden. Während des Lock-Downs haben drei neue Mitarbeitende bei uns angefangen zu arbeiten und wir haben dies mit gutem Erfolg digital durchgeführt.
Wichtige Erkenntnisse aus dieser Zeit: Die Mitarbeitenden sind motiviert und der Einsatz ist gut. Aber kreative Zusammenarbeit für das Lösen von Anforderungen ist nur in einem kleinen Kreis möglich. Grössere virtuelle Runden fühlen sich mehr wie Informationsveranstaltungen an. Die nonverbale Kommunikation fehlt. Unsere Mitarbeitenden werden sicher Home-Office nun vermehrt nutzen, aber die meisten sind auch gerne ins Büro zurückgekehrt.
«Grössere virtuelle Runden fühlen sich mehr wie Informationsveranstaltungen an.»
Laut aktuellen Risk-Reports fürchten sich Firmen immer mehr vor potentiellen Cyberrisks. Ist das eine begründete Angst und wie können Sie Ihren Kunden diese nehmen?
Leider sind Cyberrisiken sehr begründet. Wir haben bereits einige Kunden gesehen, welche durch einen Erpressungs-Virus befallen wurden und nicht mehr arbeiten konnten. Nebst den Viren / Trojanern, welche durch Emails, Links oder verseuchte Dokumenten verteilt werden, gibt es aber immer mehr auch Attacken über Social Engineering, also der Versuch unbefugten Zugriff zu erhalten durch Manipulation von Mitarbeitenden: Geschickt werden menschliche Eigenschaften wie Neugierde, Vertrauen oder Obrigkeitsgläubigkeit ausgenutzt. Hier helfen Sicherheitstechnologien nicht mehr, die Mitarbeitenden müssen sensibilisiert werden.
Sie haben sich auch schon früh mit künstlicher Intelligenz auseinander gesetzt. Glauben Sie an die selbstlernende Intelligenz von Maschinen? Und wenn ja: Könnte – rein theoretisch – je einer der Science Fiction Filme wahr werden, in denen intelligente Maschinen dann über die Menschen herrschen?
Lernen ist ein spannendes, auch philosophisches Thema: Menschen werden beim Lernen stark geführt über Eltern, Kollegen und die Gesellschaft. Nicht alles darf gelernt werden und der Weg dahin wird abhängig von der Kultur und der Werte verboten. Heutige Maschinen sind in einzelnen Funktionen bereits besser/ schneller als ein Mensch z.B. bei Bilderkennung, Spracherkennung, Schach. Zurzeit wird man sich erst bewusst, dass auch bei Maschinen beim Lernen ein Rahmen definiert werden muss: Bestehende machine-learning Algorithmen können Resultate nicht erklären, können in der Praxis aber sehr gut funktionieren und nur in Teilbereichen fehlerhaft sein. Ein intensiv diskutiertes Beispiel ist die Gesichtserkennung, welche bei weissen Menschen weniger Fehler macht als bei dunkelhäutigen Menschen. In Zukunft werden wir sicher immer mehr Funktionen von lernenden Maschinen (Adaption an neue Voraussetzungen) durchführen lassen, dies bedingt aber Vertrauen, dass Maschinen wie vorgesehen funktionieren. Vermutlich ist die grösste Gefahr heute, dass einzelne Menschen diese neuen Technologien für sich einsetzen wollen, um mehr Macht oder Geld zu erhalten.
«Vermutlich ist die grösste Gefahr heute, dass einzelne Menschen diese neuen Technologien für sich einsetzen wollen, um mehr Macht oder Geld zu erhalten.»
Im Betrieb bilden Sie auch selber junge Informatiker aus. Ist es schwierig, motivierte und gute Lehrlinge zu finden und wie halten Sie die jungen Menschen anschliessend im Betrieb?
Informatik ist bei den jungen Menschen sehr beliebt, die möglichen Ausübungen sind vielfältig und es gibt immer wieder Neues zu lernen. In St.Gallen haben wir ein Netzwerk der IT-Firmen, welche zusammen die interessierten Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern informieren und zusammen werden dann auch die Kandidaten beurteilt. Im Moment sind noch genügend fähige Interessenten vorhanden, so dass die bestehenden Ausbildungsplätze gut besetzt werden können. Interessante Arbeit bereits während der Lehre, aber auch frühzeitige Übernahme von Verantwortung zeigen den Lernenden, dass sie sinnvolle und gute Arbeit leisten. Die Lernenden sind im 3. und 4. Lehrjahr bereits gut integriert in den jeweiligen Teams. Unsere Berufsanfänger wissen, wie die EGELI Informatik funktioniert und dass wir viele interessante Projekte haben, bei denen sie ihre gelernten Fähigkeiten einsetzen und weiterlernen können.
Sie leiten das Unternehmen gemeinsam mit Ihrem Sohn und Ihrem Mann. Wie schwer fällt da die Trennung von Beruflichem und Privatem?
Nach so vielen Berufsjahren pendelt sich dies gut ein. Manchmal gibt es eine nicht geplante Diskussion zu einem Thema, aber mehrheitlich sind ausserhalb des Büros private Themen angesagt. Wir wissen alle, dass wir auch unseren Freundeskreis und unsere Hobbies pflegen müssen und ermuntern uns gegenseitig auch dazu.
Sie und Ihr Mann haben die 60 überschritten, Ihr Sohn ist bereits in der Geschäftsleitung eingearbeitet. Freuen Sie sich auf den Ruhestand oder ist das eher eine Art Alptraum für Sie, den Sie gerne noch möglichst viele Jahre hinausschieben?
Nach wie vor macht mir die Arbeit Freude. Neue Arbeitstechniken, neue Technologien, neue Produkte haben ihre Faszination nicht verloren. In unserer Firma versuchen wir für alle Mitarbeitenden einen geplanten Übergang zum Ruhestand zu finden, der nicht auf das exakte Pensionsalter fixiert ist. Dies bedeutet, dass einerseits geplant Tätigkeiten übergeben werden und damit auch die Arbeitszeit verkürzt werden kann, andererseits sind wir froh, wenn die vielen Erfahrungen noch im Betrieb vorhanden sind. Mein Mann arbeitet nun mit 67 noch zu 30% und will nächstes Jahr dann alle operativen Tätigkeiten abgeben und nur noch das Verwaltungsratsmandat ausüben. Ich selbst werde ebenfalls in ein bis zwei Jahren die operative Geschäftsführung vollständig an meinen Sohn abgegeben.