Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein

Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein (Foto: who’s who Liechtenstein)

Interview: Markus Goop

Markus Gopp: Durchlaucht, die Zuwanderungspolitik Liechtensteins für qualifizierte Arbeitskräfte ist nach wie vor ein stark diskutiertes Thema. Sie selbst haben von einer «gut konzipierten und behutsamen Öffnung» gesprochen, die nötig sei. Wie haben Sie das gemeint?

Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein: Auf absehbare Zeit kann die Zuwanderung nur auf eine Weise erfolgen, die die bestehende EWR-Regelung nicht gefährdet. Eine volle Personenfreizügigkeit mit den EWR-Staaten wäre nicht mehrheitsfähig, die Überfremdungssorgen und die Angst für stark steigende Bodenpreise wären zu gross. Wir sollten uns aber überlegen, ob wir den Verteilungsmechanismus für die Zuwanderungskontingente noch optimieren können.

«Wir sollten ein möglichst gutes Bildungssystem sicherstellen. Eine gute Bildung ist das beste Startkapital für Jungunternehmer.» Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein

In welche Richtung?

Man kann sich vieles überlegen. Ein Beispiel sind Versteigerungen, um bei der Verteilung stärker auf Marktmechanismen zu setzen. Die beste Lösung finden wir, wenn wir die Vor- und Nachteile der Verteilungsmechanismen in anderen Staaten prüfen und dann die Behörden mit den verschiedenen Branchenvertretern zusammensitzen und einen Vorschlag ausarbeiten, wie die Verteilung noch effizienter und transparenter geregelt werden kann.

Was würden Sie einem Start-up empfehlen, das dringend fünf Fachkräfte braucht?

Ich gehe davon aus, dass in einer solchen Situation die Fachkräfte entweder lokal rekrutiert werden oder in der Nachbarschaft ihre neue Heimat finden müssen. Für die Behörden dürfte es zumindest nach dem derzeitigen Verteilungssystem sehr schwer sein, einem Start-up gleich mehrere Aufenthaltsbewilligungen zu geben. Im Unterschied zu einem etablierten Grossunternehmen ist die Gefahr, dass das Unternehmen in einigen Jahren nicht mehr existiert und die Fachkräfte nicht mehr gebraucht werden, viel grösser. Aber vielleicht lässt sich auch eine Regelung finden, die Start-ups in Liechtenstein erleichtert.

Was sind aus Ihrer Sicht heute zentrale Standortvorteile von Liechtenstein?

Liechtenstein hat nach wie vor sehr attraktive Rahmenbedingungen: Hohe politische und wirtschaftliche Stabilität, gut ausgebildete Arbeitskräfte, ein steuerlich attraktives Umfeld, kurze Amtswege und der gleichzeitige Zugang zum Schweizer und EWR-Markt sind nur einige Punkte. Die Frage ist, welche Rahmenbedingungen weiter optimierbar sind.

«Das Liechtensteiner Bahnprojekt «S-Bahn FL.A.CH» mit der Verbindung Feldkirch-Liechtenstein-Buchs wird von Wirtschaftsverbänden immer wieder stark unterstützt.»

Was würden Sie vorschlagen?

Ein Thema ist für mich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und ein zweiter zentraler Punkt ist der Verkehr, da die Liechtensteiner Wirtschaft auch in naher Zukunft sehr stark auf Grenzgänger angewiesen sein wird. Arbeitsplätze in Liechtenstein müssen attraktiv und vor allem auch gut zugänglich bleiben. Das Liechtensteiner Bahnprojekt «S-Bahn FL.A.CH» mit der Verbindung Feldkirch-Liechtenstein-Buchs wird von Wirtschaftsverbänden immer wieder stark unterstützt.

Sehen Sie da eine Realisationschance trotz Staatshaushalt-Defizit?

Wir haben momentan eine schwierige wirtschaftliche Lage. Wenn ich mir allerdings anschaue, welche sonstigen grossen Investitionsprojekte im Raum stehen, ist das Bahnprojekt aus meiner Sicht das Vernünftigste. Einen nicht unwesentlichen Teil der mit dem Bahnprojekt verbundenen Investitionen müssen wir sowieso tätigen und wenn wir die S-Bahn nicht im aktuellen Zeitfenster zusammen mit der ÖBB realisieren, könnten wir dies zu einem späteren Zeitpunkt voraussichtlich nur mit erheblichen Mehrkosten tun.

Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Sollten diese die Unternehmen selber in die Hand nehmen, wenn von staatlicher Seite die Budgets enger werden?

Auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wäre es sinnvoll, dass Politik und Wirtschaft zusammensitzen und sich fragen, ob die bestehenden Mittel künftig zielgerichteter eingesetzt werden könnten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt in der Praxis stark davon ab, wie familienfreundlich die Arbeitsbedingungen sind, was vor allem auch die Unternehmen bestimmen. In Liechtenstein finanzieren die Unternehmen ausserdem durch Kinder- und Geburtszulagen schon rund zwei Drittel der familienpolitischen Massnahmen. Gleichzeitig führt der demographische Wandel zu einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Es wird anspruchsvoller, gute Leute zu finden und zu halten. Laut Studien sieht die jüngere Generation heute eine gute «Work-Life-Balance» als eines der drei wichtigsten Job-Kriterien. Daher sollten nicht nur der Staat, sondern auch die Unternehmen ein Interesse an diesem Thema haben.

Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass eine aktivere Wirtschaftspolitik öfters verlangt wird ist als in früheren Jahren.

Wenn unter aktiver Wirtschaftspolitik verstanden wird, dass die Regierung oder von ihr beauftragte Experten versuchen, potentielle Wachstumsbranchen zu definieren und gezielt zu fördern, bin ich sehr skeptisch. Erstens geht eine solche Förderung immer zu Lasten anderer Branchen – irgendwo muss der Staat die Fördermittel ja holen. Zweitens ist es schwierig, die nächsten Wachstumsbranchen zu identifizieren sowie zu definieren und drittens werden meist aufgrund von starkem Lobbying und politischen Überlegungen dann Branchen gefördert, die gar nicht die besten Wachstumsbranchen sind.

Und eine Strategie, um gezielt Firmen mit hoher Produktivität oder Jungunternehmer zu fördern?

Auch diesbezüglich bin ich skeptisch. Am Ende dürfte die Menge der Firmen, die durch solche Massnahmen aktiv nach Liechtenstein kommen würden, nicht sehr gross sein, selbst bei gut durchdachten Clusterstrategien. Es gibt aufgrund der vorhandenen Rahmenbedingungen, gerade mit knappen Bodenressourcen und hohen Lohnkosten, ohnehin einen automatischen Drang zu Branchen mit hoher Produktivität. Deshalb sollten wir unsere Mittel zielgerichteter einsetzen.

Wie?

Wir sollten ein möglichst gutes Bildungssystem sicherstellen. Eine gute Bildung ist das beste Startkapital für Jungunternehmer.

«Unethisches Verhalten kann zwar für Unternehmer wie Manager kurzfristig einmal einen Vorteil bringen, längerfristig kann man aber mit solchen Verhaltensmustern nicht erfolgreich sein.»

Wenn Sie plötzlich den Wunsch verspürten, ein eigenes neues Unternehmen zu gründen – in welcher Branche wäre dies?

Für den Erfolg als Unternehmer ist meist eine gute Kenntnis der Branche von Bedeutung. Ich würde daher wahrscheinlich für mich persönlich eine Branche wählen, die ich einigermassen kenne. Aus Sicht des Fürstenhauses würde ich hingegen aus Diversifikationsüberlegungen neue Aktivitäten in den Bereichen Industrie und nicht-finanzbezogene Dienstleistungen suchen, weil unsere Unternehmen in den Bereichen Finanzwirtschaft, Immobilien sowie Land- und Forstwirtschaft tätig sind.

Wie ist eigentlich die Firmenführung des Fürstenhauses aufgestellt?

Die Unternehmen des Fürstenhauses werden von vier Familienstiftungen gehalten und haben alle einen Geschäftsführer bzw. eine Geschäftsleitung. Die grösseren Unternehmen wie die LGT Group haben dann neben der Geschäftsleitung noch einen eigenen Stiftungs- bzw. Verwaltungsrat.

Und die Rolle des Erbprinzen?

Fürst und Erbprinz haben per Statuten jeweils die Aufgabe des Vorsitzenden bzw. Stellvertretenden Vorsitzenden der vier Familienstiftungen. Diese Rolle lässt sich am ehesten mit der eines Verwaltungsrats vergleichen.

Wie oft gibt es Rapportsitzungen?

Das ist unterschiedlich. Je nach Situation und Governance-Struktur werden unsere Unternehmen intensiver oder weniger intensiv durch den Stiftungsrat der Familienstiftung begleitet.

In einem NZZ-Interview haben Sie unlängst gesagt, dass die neue Regierung daran gemessen werde, ob sie den Staatshaushalt ausgleichen könne und dass Sie Handlungsbedarf auf der Ausgabenseite sehen – aber auch eine Korrektur der jüngsten Steuerreform, die starke Einnahmeausfälle gebracht hat. Was erwarten Sie in den kommenden Monaten und welche Resultate sind realistisch? Und wie beurteilen Sie die aktuelle Diskussion um die Erhöhung der Liegenschaftsbewertungen?

Die jüngste Steuerreform ist leider nicht aufkommensneutral ausgefallen. Daher sind moderate Anpassungen des Steuergesetzes angebracht. Die Anpassungen sollten möglichst so erfolgen, dass das Steuergesetz gemäss seinen Leitprinzipien weiter verbessert wird. In diesem Kontext ist auch die Frage der richtigen Liegenschaftsbewertung berechtigt. Den Grossteil des Staatshaushaltes müssen wir aber auf der Ausgabenseite ausgleichen. Hier sollten wir in einer nächsten Phase vor allem auch Strukturreformen erzielen, nachdem bis jetzt eher allgemeine, schnell umsetzbare Sparmassnahmen erfolgten.

«Wir müssen davon ausgehen, dass angesichts der zunehmend koordinierten Zusammenarbeit der G-20, der EU und der OECD der automatische Informationsaustausch bald ein internationaler Standard sein wird»

Das Who’s-who-Magazin zeigt einen Querschnitt der Liechtensteiner Wirtschaft. Was sind aus Ihrer Sicht zentrale Erfolgsrezepte für Unternehmer und Manager?

Meiner Ansicht nach sind Kommunikationsfähigkeit, Einsatzwillen, analytische Fähigkeiten und die Begabung, Leute begeistern sowie harte Entscheidungen treffen zu können, sehr wichtig.

Und bei Unternehmern?

Bei Unternehmern sind zusätzlich Risikobereitschaft und Durchhaltewillen entscheidend, da es immer wieder kritische Zeiträume geben kann, die es zu überstehen gilt. Ausserdem ist vielfach ein innovativer Geist nötig, der auch einmal «out of the box» denkt und an seine Idee glaubt.

Welche Eigenschaften würden Sie als Anti-Erfolgsrezepte bezeichnen?

Als Unternehmer versagen oft Leute, die zwar eine gute Idee haben, denen aber das wirtschaftliche Verständnis fehlt, um ein Produkt marktfähig zu machen. Unethisches Verhalten kann zwar für Unternehmer wie Manager kurzfristig einmal einen Vorteil bringen, längerfristig kann man aber mit solchen Verhaltensmustern nicht erfolgreich sein.

Zum Finanzplatz: Hier gibt es aktuell sehr viele Veränderungen. Sehen Sie in der Treuhandbranche eine starke Strukturbereinigung?

Diese Branche ist sicher am stärksten vom Transformationsprozess des Finanzplatzes betroffen. Ich kann mir daher vorstellen, dass einige Treuhänder Bereiche abbauen, sich zusammenschliessen oder ihr Geschäft ganz aufgeben. Es gibt aber verschiedene Arten von Treuhandgeschäftsmodellen. Für jene, die stark von Zulieferern abhängig sind, also wenig direkten Kundenkontakt haben, ist es aktuell sehr schwierig. Andere Treuhänder, die ihre Kunden direkt und relativ umfassend wie eine Art Family Office betreuen, haben weniger Probleme.

«Ich bin überzeugt, dass die Finanzwirtschaft weiterhin einen hohen Anteil am Bruttoinlandprodukt von Liechtenstein haben wird.»

Welchen konkreten Nutzen sehen Sie im automatischen Informationsaustausch, den Liechtenstein nun einführt? Sind übertriebene Erwartungen falsch am Platz oder wird der automatische Informationsaustausch Liechtenstein ein deutliches Stück voranbringen?

Wir müssen davon ausgehen, dass angesichts der zunehmend koordinierten Zusammenarbeit der G-20, der EU und der OECD der automatische Informationsaustausch bald ein internationaler Standard sein wird, den auch Liechtenstein übernehmen muss. Wir können diesen Prozess nicht aufhalten, selbst wenn wir dies wollten. Daher ist es besser, pro-aktiv zu sein, Klarheit für unsere Kunden zu schaffen und uns vor allem auch im Interesse unserer Kunden in den Prozess konstruktiv einzubringen. Welchen zusätzlichen Nutzen wir im Einzelnen erzielen werden, kann schwer vorhergesagt werden. Erste Reaktionen von G-20-Staaten zeigen aber, dass wir durch unsere Positionierung betreffend den automatischen Informationsaustausch jedenfalls mehr Handlungsspielraum erhalten haben.

Welche nächsten Schritte sind aus Ihrer Sicht zu unternehmen? Haben Sie bereits konkrete Feedbacks von Entscheidungsträgern anderer Finanzplätze oder generell von Politikern aus anderen Ländern erhalten, gerade aus der Schweiz? Setzt das Vorgehen die Schweiz aus Ihrer Sicht unter Druck?

Als nächster Schritt stehen Gespräche mit den G-5-Staaten an. Insgesamt ist unsere Positionierung betreffend den automatischen Informationsaustausch gut angekommen. Sie wird auch nicht die Schweiz zusätzlich unter Druck setzen. Offizielle Vertreter der Schweiz haben nämlich schon vor einiger Zeit in Interviews erklärt, dass sie sich mit dem automatischen Informationsaustausch beschäftigen und sich diesem nicht verschliessen werden, wenn er einmal internationaler Standard wird.

Glauben Sie, dass unser Finanzplatz in zehn Jahren noch dieselbe Bedeutung hat wie heute?

Ja, ich bin überzeugt, dass die Finanzwirtschaft weiterhin einen hohen Anteil am Bruttoinlandprodukt von Liechtenstein haben wird. Wie stark, ist heute schwierig zu sagen. Aber die Rahmenbedingungen, auch der Zugang zum Schweizer und zum EWR-Markt, sind sehr gut.

Was gibt Ihnen diese Zuversicht?

Es gibt immer Möglichkeiten, neue Geschäftsfelder zu entdecken und zu realisieren, gerade in Liechtenstein, wo die Wege so kurz sind. Auf diese Stärken müssen wir uns konzentrieren. Es gibt zum Beispiel aktuell Treuhänder, die überlegen, wie die IT-Branche und der Finanzdienstleistungsbereich stärker zusammenwachsen könnten.

Der Gesprächspartner:
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein, 11. Juni 1968
Wohnort:
Schloss Vaduz, Familie: Verheiratet mit Sophie Herzogin in Bayern, vier Kinder (ein Mädchen, drei Buben)

Ausbildung:
Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg

Karriere:
1993 bis 1996 für ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen in London tätig, 1996 bis 2004 für verschiedene Bereiche der fürstlichen Betriebe tätig, u. a. für die LGT Group.
Am 15. August 2004 hat Fürst Hans-Adam II. Erbprinz Alois zur Vorbereitung für die Thronfolge als seinen Stellvertreter mit der Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsrechte betraut. Der Erbprinz nimmt damit seither sowohl national als auch international die Aufgaben des Staatsoberhauptes von Liechtenstein wahr. Im Gegensatz zu anderen Adelshäusern hat das Haus Liechtenstein nicht nur repräsentative Aufgaben, sondern wirkt in der Gesetzgebung direkt mit.

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