Erich Geisser, Changemaker AG, im Interview
von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Herr Geisser, wie hat Changemaker die Corona-Krise bislang gemeistert?
Erich Geisser: Wir haben den Vorteil, dass wir bereits vor der Krise einen funktionierenden Webshop hatten. Verstärkte und zum Teil neue, kreative Online-Massnahmen haben uns während des Lockdowns stark geholfen. So konnten wir unseren Webshop-Umsatz in dieser Zeit vervierfachen. Dennoch hinterlässt die Zeit des Lockdown bei uns aufgrund geschlossener Shops eine grosse Lücke, die wir dieses Jahr sicherlich nicht aufholen können. Seit „Wiedereröffnung“ liegen unsere Shops stark im Plus im Vergleich zum Vorjahr. Wir sind somit verhalten positiv für die nächste Zeit. Verhalten aus dem Grund, weil Corona sicher noch nicht überstanden ist und uns die nächsten Monate weiter sicherlich beschäftigen wird.
Der Name ist bei Ihnen Programm. Wo hat ihr Geschäft schon einen wirklichen Wandel herbeigeführt? Haben Sie ein oder zwei, drei Beispiele?
Oh, da hätten wir zahlreiche. Es ist unbestritten, dass wir ganz viele positive Signale setzen können. Dies auch auf Seiten der Produzenten wie beispielsweise Womenepal, einer Frauenrechtsorganisation in Nepal, mit welcher wir seit unseren Anfängen zusammenarbeiten. In den 10 Jahren, seit es Changemaker gibt, haben wir für über 1 Mio Franken Schals gemeinsam mit ihnen gestaltet und produzieren lassen. Mit dem Einkommen können sie ihre Projekte finanzieren. Die Hilfsorganisation Womenepal mit Kinderhorts und Frauenhäusern wäre ohne diese Zusammenarbeit womöglich nicht dort, wo sie heute ist. Diese Unterstützung können wir dank unserem Konzept ermöglichen. Wir sind sehr stolz auf diese Zusammenarbeit. Solche Projekte sind wichtig und können auch in der Schweiz einen Wandel auslösen. Täglich erzählen wir schöne Geschichten über schöne Produkte. Ich glaube, dass wir mit dieser Kommunikation Menschen auch dazu bewegen können, ihren Konsum zu reflektieren.
«Wir können Menschen dazu bewegen, ihren Konsum zu reflektieren.»
Erich Geisser, Changemaker AG, im Interview
Wie wählen Sie Produkte aus, die Sie in den Verkauf nehmen?
Unser Slogan ist „Ethik küsst Ästhetik“. Oberste Priorität ist, dass das Produkt in seiner Formsprache und Qualität zweifelsfrei überzeugt, um der Ästhetik gerecht zu werden. Der aber wesentliche Teil für uns ist die Ethik hinter dem Produkt. Dabei legen wir unser Augenmerk auf die Aussage des Produktes sowie auf Produktionsbedingungen. Natürlich können wir nicht alle Produkte bis ins kleinste Detail kontrollieren. Zu einem gewissen Grad müssen wir uns da auch auf unser Bauchgefühl verlassen.
Glauben Sie, dass sich der bewusste Konsum auf breiter Ebene durchsetzen wird und mehr ist als der Trend einer Generation?
Ich bin überzeugt davon, dass die Reflektion beim Kauf oder sogar beim Nicht-Kauf eines Produktes keine Modeerscheinung ist, sondern dass sich das Konsumverhalten grundlegend verändern wird. Ich vergleiche es mit einem Pendel. Dieses Pendel wird weiterhin schwingen. In die eine Richtung für nachhaltigen und respektvollen Konsum und in die andere Richtung der Ignoranz. Aber, nicht zuletzt auch dank Corona, schwingt dieses Pendel auf höherem Niveau.
Sie bieten auch „sinnvolle Firmengeschenke“ an. Wie entwickelt sich die Nachfrage?
Vor einigen Jahren kam die Entwicklung auf, dass viele Firmen aus Compliance-Gründen Geschenke reduzierten und stattdessen einen finanziellen Betrag spendeten. Wir sehen nun vermehrt, dass die Geschenke wieder eine Art Renaissance erleben. Und ja, es wird viel stärker auf Nachhaltigkeit geachtet. Die grossen Firmen können sich etwas anderes gar nicht mehr erlauben.
«Es wird viel stärker auf Nachhaltigkeit geachtet. Die grossen Firmen können sich etwas anderes gar nicht mehr erlauben.»
Was halten Sie von der Idee der UN, möglichst viele Produkte mit den von der UN definierten Social Development Goals zu kennzeichnen? Wäre das für die Nische Ihres Geschäfts nicht kontraproduktiv?
Wir begrüssen dies natürlich sehr. Wir möchten mit unserem Beitrag die Welt ja zu einem schöneren Ort wandeln. Und dies erreichen wir nur, wenn Fair Trade und Nachhaltigkeit aus der Nische herauskommen.
Sind weitere Shops in der Schweiz geplant?
Wir sind stolz auf unseren zehnten Shop (neun Shops und einen Webshop) an der Europaallee in Zürich, den wir im Herbst 2020 eröffnen. Wir glauben an unser Konzept und sehen in der Schweiz ganz klar noch weiteres Potential für Changemaker.
Ist die internationale Expansion ein Thema, beispielsweise nach Deutschland, wo es mit Manufactum ja bereits eine zumindest etwas ähnliche Einzelhandelskette gibt?
Das Naheliegende wäre natürlich, unseren Webshop auch für Deutschland und Österreich zu öffnen. Leider sind wir da politisch immer noch benachteiligt mit bürokratischen Gegebenheiten, die uns diesen Schritt stark erschweren. Eigene Shops im Ausland zu betreiben ist zumindest die nächsten zwei, drei Jahre nicht geplant.
«Bei Dyson hatte ich einen Job, aber kein Beruf bzw. keine Berufung.»
Bevor Sie CEO von Changemaker wurden, waren Sie Europa CEO der Firma Dyson. Warum haben Sie diesen Schritt gemacht?
Bei Dyson hatte ich einen Job. Dieser Job sowie die Firma waren sensationell und haben mir sehr viele Türen geöffnet, für die ich heute noch sehr dankbar bin. Es war ein sehr spannender Job, aber kein Beruf bzw. keine Berufung. Bei Changemaker aber spüre ich, dass wir mit unserem Konzept wirklich für viele Menschen den kleinen Unterschied machen können, der ihr Leben lebenswert macht. Ein ganz kleiner Unterschied, aber ein wesentlicher.