Erich Vogt, CEO und Gründer der ErvoCom AG, im Interview

Erich Vogt, CEO und Gründer der ErvoCom AG (Bild: ErvoCom, Moneycab)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: ErvoCom ist Spezialist für die Kommunikation in Schienenfahrzeugen. Wie erfahren Fahrgäste Ihre Kommunikationslösungen zum Beispiel in Zügen der SBB?

Erich Vogt: Wir haben seit 2017 alle Ausschreibungen der SBB für die Audio-Komponenten auf der neuen APFZ 2.0 IP-Plattform gewonnen. Deshalb werden alle Sprachdurchsagen in neuen und Retrofit-Zügen über die ErvoCom Audioverstärker ausgeführt und das in bester Audioqualität und Verständlichkeit.

«Der Geschäftsbereich „Intelligent Transport“ (Öffentlicher Verkehr) ist das am stärksten wachsende Geschäftsfeld, welches über die ganze Firmengruppe verteilt mit Abstand den grössten Gesamtumsatz ausmacht.» Erich Vogt, CEO und Gründer der ErvoCom AG

Zukünftig werden auch die Bildschirmanzeigen (TFT-Screens), erstmals bei den neu zu beschaffenden Doppelstockzügen des ZVV, von ErvoCom geliefert. Dabei werden alle wichtigen Informationen, wie Haltestellen mit Zeitangaben Perlschnur), Umsteige-Perronnummer bis zu regionalen Werbungen auf den ErvoCom Systemen angezeigt. Und im Notfall können die Fahrgäste über unsere Notsprechstellen jederzeit mit der Bahnpolizei kommunizieren.      

Welcher der drei Geschäftsbereiche „Intelligent Transport“, „Critical Communication“ und „Emergency & Security“ ist der umsatz- und gewinnstärkste, wo investieren Sie in den kommenden Jahren am meisten, wo erwarten Sie das grösste Wachstum?

Der Geschäftsbereich „Intelligent Transport“ (Öffentlicher Verkehr) ist das am stärksten wachsende Geschäftsfeld, welches über die ganze Firmengruppe verteilt mit Abstand den grössten Gesamtumsatz ausmacht. Insbesondere im Export sind wir fast ausschliesslich in diesem Segment tätig.

Die anderen beiden Geschäftsbereiche sind etwas mehr von der Anzahl der grösseren Funkprojekte in der Schweiz abhängig.

Wir haben deshalb in den letzten Jahren am meisten in die Entwicklung von Produkten für „Intelligent Transport“ investiert. So sind seit 2017 für diesen Bereich 11 neue Produkte entwickelt worden. Wir haben auch für die Zukunft geplant, in weitere Produkte für den Bahnbereich zu investieren. Eine grosse und fordernde Investition für die nächsten 2 Jahre wird z.B. die Entwicklung in die neue 4G/5G Bahnkommunikation sein, welche in Europa als FRMCS eingeführt wird.

Im letzten Jahr haben Sie den italienischen Zughersteller Hitachi Rail für den Monorail der Panama Metro Line als neuen Kunden gewonnen. Wie gross ist inzwischen der Anteil der internationalen Kunden am Umsatz, wie sieht Ihre Strategie zur weiteren Internationalisierung aus?

Wir sind aktuell in über 17 Ländern von Australien bis Nord- und Südamerika vertreten. Die Umsätze zwischen dem Schweizer und internationalen Markt teilen sich relativ gleichmässig auf. Wir gehen jedoch davon aus, dass sich der Export in den kommenden Jahren nochmals stärker weiterentwickeln wird. Vorausgesetzt, die politische Lage stabilisiert sich und verändert sich positiv.

Züge haben eine lange Lebensdauer, was dazu führt, dass auch bei der Kommunikation ein Mix zwischen analogen und digitalen Lösungen besteht. Wie unterstützen Sie Ihre Kunden bei deren digitalen Transformation?

Genau diese Komplexität zwischen unterschiedlichen Systemen und Technologien ist eine Stärke der ErvoCom.

Unsere Lösungen sind modular aufgebaut und können über die Software ganz spezifisch auf die Bedürfnisse angepasst werden. Dadurch bieten wir unseren Kunden über die gesamte Lebensdauer einen hohen Investitionsschutz. Wir können die Produkte über Software Upgrade, entweder im Parallelbetrieb in der Migrationsphase (Dual-Mode analog und digital) oder durch Austausch von Modulen laufend den neuesten Technologien anpassen.

Während im privaten Mobiltelefonverkehr 5G immer mehr der gängige Standard ist, ist bei Zugfunksystemen 4G die Spitze der Entwicklung. Welche technischen Neuerungen stehen als nächstes an, an welchen Innovationsprojekten ist ErvoCom beteiligt?

Die neue, kommende Ablösung der 2G GSM-R Technologie wird künftig durch FRMCS „Future Railway Mobile Communication System“ ersetzt. Dieser neue Bahn-Kommunikationsstandard erlaubt es in Zukunft nicht nur 4G, sondern mit dem Fortschritt der Technik, eine Erweiterung auf 5G und 6G vorzunehmen. Dabei setzt die ErvoCom auf eine Applikationslösung, bei welcher die Übertragungstechnologie (4G, 5G, …) jederzeit ausgebaut werden kann.

«Wir können die Produkte über Software-Upgrade, entweder im Parallelbetrieb in der Migrationsphase (Dual-Mode analog und digital) oder durch Austausch von Modulen laufend den neuesten Technologien anpassen.»

ErvoCom war bereits ein Pionier in der Entwicklung der 4G MCx Lösung und hat die Entwicklung der Zugfunklösung der neusten FRMCS Generation bereits gestartet.  Des Weiteren sind wir auch in den europäischen Normen-Gremien (ETSI/ UIC-TOBA, Unitel) gut vertreten, bei denen die Industrie ihre Ideen und Lösungen mit einbringen kann. Wir haben mit unseren Produkten auch schon bei Pilotprojekten für selbstfahrende Züge (ATO) mitgemacht.

Gerade in Ihrem Bereich, der Telekommunikation und Informatik, herrscht ein signifikanter Fachkräftemangel, der sich in Zukunft noch verstärken dürfte. Wie finden Sie neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, welche Ausbildungsmöglichkeiten bieten Sie für Lehrlinge und Fachkräfte an?

Die besten Fachkräfte erhält man aus meiner Erfahrung durch das eigene Netzwerk, bei dem man die Leute persönlich kennt. Das ist nicht immer so einfach. Deshalb unterstützen wir auch Elektroniker Lehrabgänge, welche berufsbegleitend ein Bachelor-Studium absolvieren, z.B. 50% Studium / 50% Praxis in der Firma. Diese Mitarbeiter entwickeln mit dem Fortschritt ihres Studiums unsere internen Testsysteme und kommen so immer stärker in die komplexere Hard- und Software-Entwicklung hinein. In den meisten Fällen können wir diese Mitarbeiter auch nach dem Studium für uns gewinnen. Des Weiteren haben wir eine ausgezeichnete Zusammenarbeit mit der Fachhochschule in Rapperswil. Auch bilden wir Lehrlinge als Elektroniker aus, um so einen kleinen Beitrag gegen den Fachkräftemangel zu leisten.

Wichtig ist für uns, dass wir für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Betrieb die besten Voraussetzungen schaffen, damit sie mit Freude und Identifikation mit der Firma und den Produkten ihren Job erfüllen. Wir legen auch grossen Wert auf unternehmerisches Denken und grosse Eigenverantwortung, was erfahrungsgemäss von den Mitarbeitenden sehr positiv aufgenommen wird.

Die Schweiz als Hochpreis- und Hochlohnland ist für produzierende Unternehmer im internationalen Wettbewerb als Produktionsstandort herausfordernd. In welchen Ländern werden die Komponenten für ErvoCom entwickelt und wo werden sie produziert?

Die Entwicklung der ErvoCom Produkte findet ausschliesslich in der Schweiz am Standort Feusisberg statt. Jedoch werden die Produkte nicht bei ErvoCom direkt produziert, sondern bei einem spezialisierten Unternehmen im Vorarlberg. Die Qualität eines Produktes kann nicht besser sein, als das schwächste Glied in der Wertschöpfungskette. Eine Produktion auf dem Level, wie das unser Partner im Vorarlberg bietet, könnten wir in unserer Firmengrösse aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfolgreich umsetzen. Zudem können wir mit dem Produktionsstandort Vorarlberg einen gewissen Währungsausgleich Euro/CHF im internationalen Geschäft schaffen.   

Für Kunden und Investoren gewinnt das Thema ESG (Environment, Social, Governance) immer mehr an Bedeutung. Wie beeinflusst das Thema Ihre Geschäftsführung, welche konkreten Massnahmen treffen Sie bei der Umsetzung?

In der Tat wird das Thema ESG immer komplexer und beansprucht auch immer mehr Zeit. Dabei steigen auch die Ansprüche und Erwartungen der Stakeholder immer weiter an. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass auch dieses Thema mit gesundem Menschenverstand angegangen werden sollte. Aus diesem Grund haben wir schon 2016 beim Bau des neuen Firmengebäudes darauf geachtet, nachhaltig und für die Mitarbeiter zu bauen. Dies sieht man beispielsweise beim Bau des Gebäudes nach Minergie-Standard, den offenen Räumen mit viel natürlichem Licht oder den Arbeitsplätzen, die gegen Lärmemissionen geschützt sind.

Heute sind wir soweit, dass wir unsere Ziele und Nachhaltigkeit mittels externer Firma EcoVadis bewerten (Rating) und teilweise zertifizieren lassen. Des Weiteren sind wir Mitglied von UN Global Compact (UNGC).

«Das Mobilitätsbedürfnis wird aufgrund des Bevölkerungswachstums und Platzmangels immer mehr steigen. Aus diesem Grund wird es vermutlich immer mehr zur Automatisierung des gesamten Verkehrs kommen.»

Aber natürlich versuchen wir uns auch ausserhalb des Unternehmens positiv einzubringen. Deshalb engagieren wir uns beispielsweise mit unterschiedlichen Sponsorings für das Programm Electronics4u, bei welchem den Jugendlichen der Beruf des Elektronikers nähergebracht wird oder bei PluSport (Behindertensport Schweiz).

Künstliche Intelligenz, selbst lernende Maschinen und Roboter sind in aller Munde. Wo sehen Sie den Einfluss und die konkreten Einsatz-Möglichkeiten dieser Themen in Ihrem Unternehmen?

Wir versuchen hier am Puls der Technologie zu sein. Dabei nehmen wir an Vorträgen und Veranstaltungen unterschiedlicher Partner wie Schwyz Next oder der Fachhochschule Ost teil, bei welchen dieses Thema schon fast das tägliche Brot sind. Weiter werden in unserem Unternehmen für die Softwareentwicklung bereits unterstützende KI-Programme von CoPilot eingesetzt, um die Programmierung effizienter zu gestalten. Ich denke, dass man sich vor solchen Erneuerung auf keinen Fall verschliessen darf, jedoch auch auf keinen Fall blind vertrauen und mit einer gesunden Skepsis herangehen sollte.

Mobilität ist eines der zentralen Zukunftsthemen. Wie wird der öffentliche Verkehr in 20 Jahren aussehen, welche Rolle wird die ErvoCom dabei einnehmen?

Hoffentlich eine Grosse… 😉, nein, Spass bei Seite.

Das Mobilitätsbedürfnis wird aufgrund des Bevölkerungswachstums und Platzmangels immer mehr steigen. Aus diesem Grund wird es vermutlich immer mehr zur Automatisierung des gesamten Verkehrs kommen. Nur so kann der Mobilitätsbedarf speziell in der Schweiz abgedeckt werden. Es wird aus Kapazitätsgründen ein Mix aus öffentlichem und privatem Verkehr geben müssen, um diesen Herausforderungen vor allem kurz- und mittelfristig gerecht zu werden.

ErvoCom wird überall da, wo es um Kommunikations- und Informationsthemen geht, mit guten und innovativen Lösungen den Markt unterstützen. Als Beispiel dient das Pilotprojekt mit autonomen, elektrischen Bussen der Firma Holon, bei welchem ErvoCom für dieses prestigeträchtige Pilotprojekt das Audiokommunikationssystem liefert.

Die ErvoCom hat ihren Sitz 2016 von Wangen nach Feusisberg verlegt. Was, ausser den tiefen Steuern, hat für den Standort im Kanton Schwyz gesprochen, welche Rahmenbedingungen sprechen für den Kanton, wo gibt es Verbesserungspotential?

Wir haben immer versucht, lokale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen. Aus diesem Grund haben wir auch im näheren Umfeld gesucht, damit wir unser Personal weiterhin beschäftigen können. Der Standard Feusisberg ist verkehrstechnisch sehr gut erschlossen, da einerseits Rapperswil mit der Fachhochschule, Zürich, die Innerschweiz, wie auch die gesamte Ausserschwyz sehr schnell mit dem Auto erreichbar sind.

Der Wunsch jedes Familienunternehmens ist es, die Nachfolge innerhalb der Familie regeln zu können. Wie sieht das beim von Ihnen 2001 gegründeten Unternehmen aus?

Meine Frau und ich haben das Glück, dass beide Söhne Patrick und Fabian ihre Berufe mit Lehre und anschliessendem Studium Bachelor/Master im Bereich Elektrotechnik und Wirtschaft absolviert haben und schon früh das Interesse zeigten, die Firma zu übernehmen. Das war auch eine weitere Motivation für eine Vorwärtsstrategie und den weiteren Ausbau ins internationale Geschäft, sowie den Bau eines eigenen Firmengebäudes.

Für die Nachfolgeregelung hatten wir externe Unterstützung durch einen Unternehmensberater. Aufgrund der beiden Söhne im Unternehmen empfahl uns der Consultant, aus der ErvoCom eine Holding-Struktur aufzubauen und die Söhne frühzeitig in die Leitung der neuen Firmen zu integrieren. Seit 2 Jahren habe ich die operative Geschäftsführung den beiden Söhnen abgegeben und arbeite noch 50% beratend und unterstützend. Wichtig dabei ist, dass man selbst bei einer Herzensangelegenheit loslassen kann. Dieses Vertrauen wird in unserem Fall durch unsere beiden Söhne Patrick und Fabian hervorragend erfüllt!    

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Für die Firma wünsche ich mir, dass sich die vielen tollen Ideen, Innovationen und Bemühungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder in Erfolgs-Stories umsetzen. Dass dabei das ErvoCom-Team ihre Aufgaben immer mit viel Freude und Spass ausführen kann und der überdurchschnittlich gute Zusammenhalt weiter bestehen bleibt.

Wirtschaftlich, dass sich die politische und wirtschaftliche Lage weltweit positiv entwickelt, dass die Politik die richtigen Entscheidungen trifft und sich damit ein friedliches, wirtschaftlich starkes Europa aufbauen lässt.  

Persönlich, dass unsere Familie den beispielhaften Zusammenhalt weiterlebt, gesund bleibt und meine Frau und ich noch ein paar Jahre das, was wir erreicht haben, gemeinsam geniessen können. 


Erich Vogt bei Linkedin

ErvoCom
ist ein Marktführer in den Bereichen der Bahnkommunikation und Critical Communication und überzeugt durch höchste Innovation und Qualität, was 2015 zur Auszeichnung mit dem High Potential KMU Labels durch das Swiss Economic Forum SEF führte. Dank hoher Innovationskraft, Kompetenz, Nachhaltigkeit und Einsatzbereitschaft gelingt es dem Unternehmen im Bereich der Kommunikation für Railway und Public Safety immer wieder Akzente zu setzen und dadurch eine führende Rolle einzunehmen. www.ervocom.ch

Dieses Interview wurde mit der freundlichen Unterstützung des Amts für Wirtschaft des Kantons Schwyz ermöglicht

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