Andreas Gerber, KMU Schweiz-Chef bei der Credit Suisse. (Foto: zvg)
Luzern – Die Schweizer Exportwirtschaft hat die Währungsherausforderung vorerst überraschend gut gemeistert. Von einer breit abgestützten Exporterholung zu sprechen, wäre allerdings verfrüht, meint Andreas Gerber, KMU Schweiz-Chef bei der Credit Suisse. Der Schweizer Exportsektor bleibt für wirtschaftliche Schocks anfällig.
Herr Gerber, ein Schuldenerlass für Griechenland scheint nicht denkbar. Was heisst das für den Euro und letztlich für unsere Exportindustrie?
Andreas Gerber: Bezüglich Griechenland finden derzeit noch Verhandlungen zwischen dem IWF, den europäischen Geldgebern und Griechenland statt. Zurzeit ist der IWF nicht an der Finanzierung des Rettungspakets vom letzten Jahr beteiligt. Die Europäer möchten den IWF jedoch an Bord haben, vor allem Deutschland. Aus diesem Grund denke ich – wie auch Credit Suisse Economic Research -, dass nach der laufenden ersten Programm-Review Gespräche zu einer erneuten Umschuldung beginnen werden. Es wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keinen Schuldenschnitt selbst geben, sondern eher eine erneute Verlängerung der Laufzeiten bzw. eine Absenkung der Zinsbelastung. Das wäre ein Kompromiss, dem sowohl Deutschland als auch der IWF zustimmen könnten. Insgesamt erwarte ich aber kein erneutes Aufflackern der Eurokrise. Aus diesem Grund erwarte ich auch, dass die SNB in der Lage sein wird, allfälligen Aufwertungsdruck auf den Franken gegenüber dem Euro mit Interventionen abfedern zu können. Ich erwarte aber auch keine signifikante Abwertung des Frankens gegenüber dem Euro.
Die Abfederung eines allfälligen Aufwertungsdrucks ist für den Schweizer Exportsektor wichtig, denn eine erneute markante Aufwertung des Schweizer Frankens würde er nur schwer verkraften. Zwar dürfte der Schweizer Exportsektor die Talsohle mittlerweile durchschritten haben. Von einer breit abgestützten Exporterholung zu sprechen, wäre allerdings verfrüht. Erstens zieht die Nachfrage angesichts der schleppenden Konjunkturentwicklung in den Abnehmerländern und der anhaltenden Überbewertung des Frankens nur langsam an. Zweitens sind die Unterschiede nach Branchen, Abnehmerländern und selbst nach Unternehmen enorm. Drittens fällt auf, dass diejenigen Exportbranchen, die in der Schweiz viele Arbeitsplätze bereitstellen, noch kaum an Fahrt gewonnen haben; entsprechend begrenzt dürfte der Wachstumsimpuls der schwachen Exporterholung auf die Binnennachfrage ausfallen. Deshalb bleibt der Schweizer Exportsektor für wirtschaftliche Schocks äusserst anfällig.
Sollte der Euro gegenüber dem Franken wieder vermehrt Boden verlieren, muss die SNB dann aktiver werden und quasi eine Art stille Wechselkurs-Untergrenze einführen?
Ja, die SNB würde aktiv werden. Die SNB reagiert auf Aufwertungsdruck in erster Linie mit Devisenmarktinterventionen, sprich Euro-Käufen. Sollte der Druck zu gross werden, wird sie die Zinsen weiter senken.
Importe werden mit dem billigen Euro attraktiver und konkurrieren Schweizer Produkte. Wie gehen unser KMU mit dieser harten Konkurrenzsituation um?
Die Umfrage von Cedit Suisse Economic Research unter knapp 1000 Schweizer KMU im Jahr 2015 hat ergeben, dass die Frankenaufwertung 2015 bei rund 40% der befragten KMU zu Umsatz- und Margeneinbussen geführt haben dürfte. Rund 30% der KMU dürften an Wettbewerbsfähigkeit eingebüsst haben. Besonders stark betroffen waren dabei die Industrie-KMU. Die Analysen haben gezeigt, dass jene KMU die Frankenstärke etwas besser verkraften konnten, welche im Vorfeld der Aufwertung Auslandinvestitionen oder strategische Beteiligungen tätigten. Auf die Herausforderung «Frankenstärke» haben die Schweizer KMU mehrheitlich mit Tatendrang reagiert. 72% der KMU gaben an, dass sie trotz Frankenstärke an ihren Investitionsplänen 2015 festhielten.
Der Dollar gewinnt wieder an Stärke. Was bedeutet das für den Franken und die Schweizer Wirtschaft?
Der Dollarraum wird für den Schweizer Export immer wichtiger, seine Bedeutung ist derzeit aber überschaubar. Seit der Wirtschaftskrise 2009 tragen die USA jährlich im Durchschnitt 0.8 Prozentpunkte zum allgemeinen Schweizer Exportwachstum bei. Da die Ausfuhren in die Eurozone gleichzeitig rückläufig sind, hat sich der Anteil der Exporte in die USA an den Gesamtausfuhren der Schweiz von 10% im Jahr 2010 auf 13.5% in 2015 erhöht. Das Wachstum ist zu einem Grossteil die Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten zu verdanken. Diese reagieren in der Regel weniger stark auf Wechselkursschwankungen.
Zur Person:
Andreas Gerber trat 1989 in die Credit Suisse ein und leitet seit April 2015 das KMU-Geschäft Schweiz. Zuvor betreute er u.a. börsenkotierte Grosskunden und leitete das Firmenkundengeschäft der Region Zürich & Schaffhausen. Andreas Gerber ist Betriebsökonom FH und absolvierte das Executive Program am Swiss Finance Institute in Zürich sowie an der Tuck School of Business, Hanover (USA). 2009 wurde Andreas Gerber zum Managing Director befördert.
30. internationales Europa Forum Luzern
Herausforderung EURO
2. Mai 2016 | KKL Luzern
Wirtschaftssymposium 13.00 bis 17.30 Uhr
CHF 550.00 – inkl. Imbiss und Netzwerk-Apéro
öffentliche Veranstaltung 18.30 bis 20.15 Uhr
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich
Information und Anmeldung
Kontakt: info@europaforum.ch
Das Europa Forum Luzern ist die führende nationale Veranstaltung zu Fragen über Europa und die Schweiz. Namhafte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland tauschen im KKL Luzern ihre Meinungen und Standpunkte aus. Das Europa Forum Luzern informiert unabhängig und neutral über die neusten Entwicklungen in Europa und deren Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und Politik. Die Veranstaltungen stehen unter dem Motto Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Dialog und finden jährlich zweimal im Frühjahr und Herbst statt. Dem Europa Forum Luzern unter dem Vorsitz des Stadtpräsidenten von Luzern gehören Kanton und Stadt Luzern sowie private Körperschaften an.
2016 feiert das Europa Forum Luzern sein 20-jähriges Bestehen. Als Jubiläumsgäste werden Mitwirkende früherer Veranstaltungen aus dem In- und Ausland erwartet.