Europa Forum: Solide Zwischenbilanz der Schweizer Wirtschaft trotz belastendem Euro-Franken-Kurs

Jan Mischke

Jan Mischke vom McKinsey Global Institute MCI. (Foto: pd)

Luzern – Der Eurokurs belastet die Schweizer Wirtschaft. Geht man aber ins Detail, ergibt sich ein viel differenzierteres Bild. Jan Mischke vom McKinsey Global Institute MCI zieht eine Zwischenbilanz.

Die Meldungen aus der Exportbranche sind wieder viel erfreulicher als noch vor einem Jahr nach der Aufhebung des Mindestkurses Euro/FrankenWas hat die Schweiz so gut gemacht seither – und wie sieht der Vergleich mit Europa aus?

Jan Mischke: Ein Stück weit war das so zu erwarten. Zum einen zeigt sich immer wieder, dass für die Schweizer Exportbranche wirtschaftliches Wachstum in den Absatzmärkten entscheidender ist als der jeweilige Wechselkurs. Die EU hatte entgegen der vielen Negativmeldungen mit 1.9% Wachstum 2015 ein relativ gutes Jahr, und auch die USA und China haben sich mit 2.5 und 6.9% Wachstum solide entwickelt. Zum anderen wurde der Kursanstieg ggü. dem Euro teils kompensiert in anderen Währungsräumen. So steht der Franken ggü. dem US Dollar heute deutlich schwächer da als noch vor zwei Jahren; ähnlich verhält es sich mit dem Renminbi. Insgesamt steht der Franken derzeit inflationsbereinigt effektiv ggü. den wichtigsten Handelspartnern etwa 5% über dem Niveau von Ende 2014.

Daneben hat die Schweizer Exportbranche natürlich auch reagiert, Kosten abgebaut, Aktivitäten ins Ausland verlagert oder auch etwa mit Anpassungen der Arbeitszeiten gearbeitet.

Kann man Branchenunterschiede erkennen?

Jan Mischke: Natürlich. Insbesondere in eher mässig preissensitiven Branchen wie Pharma, die darüber hinaus durch Innovation und Patente über viele Alleinstellungsmerkmale verfügen, sind die Ausfuhren sehr stabil geblieben, und nach China und in die USA sogar 2015 zweistellig gewachsen. Exporte von Präzisionstechnik und Uhren waren 2015 mit -2 und -3% leicht rückläufig, ohne dass die Rückläufe speziell auf den Euroraum konzentriert gewesen wären. Erwartungsgemäss stärker getroffen hat es Maschinenbau und Elektrotechnik mit -7 und -5%.

Erfreulicherweise sind auch in den meisten Dienstleistungsbranchen die Exporte nahezu unverändert geblieben trotz teils starker Abhängigkeit von Weltwährungen. So z.B. im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen oder im – für die Schweizer Exporte mittlerweile noch wichtigeren – Transit- und Rohstoffhandel. Im Bereich Privatbanken, z.B., wo der Anstieg des CHF ggü. dem Euro (in einem Scenario 1.09 ggü. 1.20) die Umsätze um 5%, die Profitabilität um 15% hätte senken sollen, ist das teilweise u.a. durch vermehrte Devisentransaktionen aufgefangen worden. Sogar der Tourismus hat nur 2.5% abgegeben. Stark verloren haben dagegen Transport- und Lizenzeinnahmen. Geschäfts- und IKT-Dienste konnten sogar zweistellig zulegen.

Lässt sich schon erkennen, ob die Auslagerung von Arbeitsplätzen wichtiger geworden ist, um die Kosten im Griff halten zu können?

Jan Mischke: Die Auslagerung von niedriger-wertigen Tätigkeiten war für ein Hochlohnland wie der Schweiz schon vor der jüngsten Aufwertung immens wichtig. Und in der Tat gibt es Anzeichen für weiteren Bedeutungsgewinn, z.B. in der Finanz- und Versicherungsbranche oder auch in den meisten Industriebranchen.

Welche Rolle spielt die Tiefzins- bzw. Negativzinspolitik bei der Exportbranche?

Jan Mischke: Negativzinsen gibt es auch bei den wichtigsten Schweizer Handelspartnern, insbesondere in Deutschland. Kapitalversorgung und -kosten waren in der Schweiz schon immer sehr gut. Insofern gibt es die grössten Auswirkungen vermutlich in der Finanzbranche, wo Umsatzausfälle wegen fehlender Zinsmargen anderweitig kompensiert werden müssen. In der Tat scheint das derzeit u.a. durch Kreditvergabe und gestiegene Hypothekarzinsen teilweise zu gelingen.

Zur Person:
Jan Mischke promovierte an der ETH Zürich und ist seit 2010 Senior Fellow am McKinsey Global Institute MGI, Business and Economics Research mit Sitz in Zürich. Seine Schwerpunkte sind Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und global bedeutende Infrastrukturen. Zuvor war er 10 Jahre Berater und Associate Partner bei McKinsey mit Spezialgebiet europäische Märkte, ins besondere mit Blick auf Industrien wie Telekom, Logistik, High Tech und Finanzdienstleistungen. Er referiert am Europa Forum Luzern am 2. Mai.

30. internationales Europa Forum Luzern
Herausforderung EURO
2. Mai 2016 | KKL Luzern

Wirtschaftssymposium 13.00 bis 17.30 Uhr
CHF 550.00 – inkl. Imbiss und Netzwerk-Apéro
öffentliche Veranstaltung 18.30 bis 20.15 Uhr
Eintritt frei, Anmeldung erforderlich

Information und Anmeldung www.europaforum.ch
Kontakt: info@europaforum.ch

Das Europa Forum Luzern ist die führende nationale Veranstaltung zu Fragen über Europa und die Schweiz. Namhafte Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland tauschen im KKL Luzern ihre Meinungen und Standpunkte aus. Das Europa Forum Luzern informiert unabhängig und neutral über die neusten Entwicklungen in Europa und deren Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft und Politik. Die Veranstaltungen stehen unter dem Motto Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Dialog und finden jährlich zweimal im Frühjahr und Herbst statt. Dem Europa Forum Luzern unter dem Vorsitz des Stadtpräsidenten von Luzern gehören Kanton und Stadt Luzern sowie private Körperschaften an.

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