von Patrick Gunti
Moneycab.com: Rast Kaffee beliefert Grosskunden wie McDonald’s oder Emmi mit röstfrischen Kaffees, ebenso viele Restaurants, Kaffee-Bars, Hotels oder Kantinen. Wie gross waren die Einbussen aufgrund der monatelangen Schliessungen?
Adrian Gisler: Der Gastrobereich hat in den Monaten der Schliessungen gelitten, die Restaurants waren komplett und die Hotellerie weitgehend geschlossen. Dank unserer Diversifikation waren wir aber immer gut ausgelastet, konnten wir immer rösten – vor allem auch für Privatkunden.
Inwieweit konnten die Privatkunden die Einbussen ausgleichen?
Evelyne Rast: Home Office hatte für uns den positiven Effekt, dass mehr Kaffee zu Hause getrunken wurde. Wir konnten eine substanzielle Zunahme der Bestellungen in unserem Online-Shop feststellen, der schon zuvor ein wichtiger Absatzkanal war und jetzt zu einem zentralen Verkaufsportal geworden ist.
Sie haben die Geschäftsführung des Familienunternehmens vor fünf Jahren in vierter Generation übernommen. Waren die letzten Monate die schwierigste Zeit seither?
Beatrice Rast: Natürlich sind wir in der Geschäftsleitung sehr wachsam. Doch unser Familienunternehmen mit über 100jähriger Geschichte hat schon die verschiedensten Phasen und Weltwirtschaftskrisen nicht nur überstanden, sondern erfolgreich gemeistert.
Evelyne Rast: Es stecken also ein grosser unternehmerischer Erfahrungsschatz, ein unternehmerisches Selbstvertrauen und eine unternehmerische Zuversicht in unsere DNA.
«Unser Familienunternehmen mit über 100jähriger Geschichte hat schon die verschiedensten Phasen und Weltwirtschaftskrisen nicht nur überstanden, sondern erfolgreich gemeistert.»
Was hat Sie damals dazu bewogen, die mittlerweile über 100-jährige Familientradition weiterzuführen?
Evelyne Rast: Rast Kaffee wurde schon immer gemeinsam im Team geführt – bereits unsere Eltern, unsere Grosseltern und unsere Urgrosseltern habe es so gemacht. Die Möglichkeit, unser Unternehmen zusammen mit meiner Schwester und ihrem Ehemann und damit weiterhin als Familie zu führen, war für mich die entscheidende Motivation. Die Führung des Familienbetriebs in fremde Hände zu geben, kam für mich nie in Frage.
Beatrice Rast: Die Lust, ein Unternehmen zu führen, hat bei uns Familientradition. Wir haben schon als Kinder und Jugendliche die Selbstverständlichkeit des Unternehmertums unserer Eltern mitbekommen.
Viele KMU scheitern bei der Nachfolgeplanung. Welche Prozesse sind Ihrem Entscheid damals vorausgegangen?
Evelyne Rast: Der Nachfolgeprozess zur Übernahme unseres Unternehmens hat fünf entscheidende Faktoren beinhaltet. 1. Einen Vorlauf von fünf Jahren für die saubere Geschäftsübergabe. 2. Den Emotionen bei beiden Generationen Raum und Zeit einräumen. 3. Klare finanzielle Besitzverhältnisse schaffen. 4. Absolute Offenheit in allen Gesprächen. 5. Die Option „Nein zur Geschäftsübernahme“ immer offen halten.
Eine Unternehmensführung zu dritt ist in der Unternehmenslandschaft selten. Wo sehen Sie die grössten Vorteile?
Adrian Gisler: Wir führen das Unternehmen gleichberechtigt zu dritt. Wir führen zu dritt, wir entscheiden zu dritt. Weil wir überzeugt sind, dass sich im Team bessere Lösungen erarbeiten lassen. Wir vereinen verschiedene Hintergründe und decken gemeinsam ein viel grösseres Kompetenzfeld ab. Und betten so unsere Entscheidungsgrundlagen auch in ein grösseres Gesamtbild ein.
«Wir führen das Unternehmen gleichberechtigt zu dritt. Wir führen zu dritt, wir entscheiden zu dritt. Weil wir überzeugt sind, dass sich im Team bessere Lösungen erarbeiten lassen.»
Bestimmt gibt es aber auch besondere Herausforderungen…
Beatrice Rast: Wir führen unser Unternehmen hierarchisch-partizipativ. Hierarchisch, weil ein Unternehmen Führung braucht, weil Verantwortung nicht delegiert werden kann. Gleichzeitig aber partizipativ, weil wir das grosse Wissen und die umfassenden Kompetenzen unserer Mitarbeitenden einbinden wollen.
Adrian Gisler: Als lernende Organisation wollen wir Rast Kaffee zusammen mit unseren Mitarbeitenden laufend noch besser machen. Dabei erkennen wir immer wieder neue Möglichkeiten und interessante Optionen. Doch gilt es, die Balance zu halten zwischen Ambition und Realitätssinn, um den Fokus konsequent zu halten und mit Effizienz Perfektion zu erreichen.
Neue Geschmacksrichtungen, neue Zubereitungsarten, neue Maschinen. Wie schaffen Sie Innovation und gleichzeitig die Verbundenheit mit der Tradition des Unternehmens?
Evelyne Rast: Als Gourmetrösterei muss es uns laufend gelingen, die Balance zu halten zwischen Zukunft und Herkunft. Für uns ist es wichtig, etablierte Kaffeetraditionen auf höchstem Qualitätsniveau kontinuierlich und konsequent zu pflegen. Gleichzeitig aber beobachten wir Trends sehr genau, entdecken laufend Neues und schätzen dessen Bedeutung und das Potenzial ein.
Adrian Gisler: Wir müssen blosse Hypes von effektiven, ernstzunehmenden Entwicklungen unterscheiden und diese Entwicklungen antizipieren. Falscher Aktivismus ist dabei genauso gefährlich wie Lethargie. Uns ist es wichtig, dass wir uns auf unsere Stärken konzentrieren.
«Für uns ist es wichtig, etablierte Kaffeetraditionen auf höchstem Qualitätsniveau kontinuierlich und konsequent zu pflegen.»
Braucht es selbst sensorische Fähigkeiten, um eine Kaffee-Rösterei erfolgreich zu führen?
Beatrice Rast: Wahrscheinlich keine Regel ohne Ausnahme. Aber Sensorik ist eine Grundlagenkompetenz bei der gesamten Verarbeitung von Rohkaffee – und damit auch unabdingbar für das erfolgreiche Führen einer Gourmetrösterei wie Rast Kaffee. Denn mit unserer sensorischen Grundlagenkompetenz schaffen wir Vertrauen, weil wir so höchste Qualität erkennen, verbindlich bewerten und garantieren können.
Wie das Beste aus Kaffeebohnen herausgeholt werden kann, lehren Sie in der Akademie. Sind diese Kurse eher auf Profis oder auch auf Private, die Kaffees eine besondere Note verleihen wollen, ausgerichtet?
Evelyne Rast: Die Kurse in unserer hauseigenen Akademie richten sich an professionelle Barista und engagierte Gastronomen, aber auch an Private, die ihre Leidenschaft für Kaffee stärken und ihre Kompetenz erweitern wollen – also an alle, die Verantwortung für die Qualität des Kaffees übernehmen wollen, der in ihrem Hause zubereitet wird. Denn der Schlüsselfaktor für den perfekten Kaffee ist: der Mensch. Darum darf bei der Kaffeezubereitung nichts dem Zufall überlassen werden. Ich bin überzeugt: Das Kaffeezubereiten muss gelehrt und gelernt werden.
Gibt es so etwas wie ein Röstgeheimnis?
Adrian Gisler: Mit dem Röstprofil, das für jeden Kaffee anders ist, bestimme ich als Röstmeister, welche Aromen und Charaktereigenschaften der Kaffee in der Tasse entwickeln wird. Röstgeheimnis? Nein, Rösten ist kein Geheimnis, aber ein äusserst sensibles Handwerk. Der Anspruch muss immer sein, das Beste aus der Kaffeebohne herauszuholen. Kaffee ist eines der aromatischsten Lebensmittel – und enthält bis zu 1000 unterschiedlichen Aromen und damit deutlich mehr f als beispielsweise Wein.
Sie legen besonderen Wert auf ökologische und soziale Verantwortung. In Ihrem Betrieb können Sie diese sicherstellen, wie sieht es beim Ursprung des Kaffees aus?
Beatrice Rast: Persönliche Beziehungen zu den Kaffeeproduzenten garantieren diese Nachhaltigkeit. Um Spitzenqualität in der Kaffeeproduktion zu erreichen und zu erhalten, gehen ökologische und soziale Verantwortung Hand in Hand. Nachhaltigkeit kann dann sichergestellt werden, wenn in der Kaffeeproduktion volle Transparenz von A bis Z herrscht. Wichtig ist, genau zu wissen, woher der Kaffee stammt, rückverfolgbar bis zur Parzelle: Aufbereitung, Varietät, Ernte, Anbauhöhe, Bodenbeschaffenheit. Wir wollen exakt wissen, wie und wann der eingekaufte Kaffee angebaut und geerntet wurde, von welcher Fazenda oder gar von welchem Feld der Kaffee stammt, wann er verschifft wurde. So können wir höchste Qualität beim Rösten und zuletzt in der Tasse ermöglichen.
Besten Dank für das Interview.
Evelyne Rast (41), Beatrice Rast (38) und Adrian Gisler (43) führen gemeinsam in vierter Generation die Gourmetrösterei Rast Kaffee mit Sitz in Ebikon bei Luzern. Evelyne Rast verantwortet den Kundenbereich mit dem Verkauf und der Kaffee-Akademie. Beatrice Rast leitet den Bereich Einkauf, Qualität und Ausbildung. Und Röstmeister Adrian Gisler (43) steht der gesamten Produktion vor.