Ambros Scope, Future Workforce Engineering AXA Schweiz, im Interview

Ambros Scope, Future Workforce Engineering AXA Schweiz, im Interview
Ambros Scope, Future Workforce Engineering AXA Schweiz

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Scope, Sie sind bei der AXA Schweiz zuständig dafür, dass die Mitarbeitenden fit für die Zukunft bleiben oder gemacht werden können, unter anderem mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und modernen Technologien. Wie sehen die Mitarbeitenden den Umbruch der Digitalisierung, die ja auch im Versicherungsbereich einiges an Disruptionspotential hat?

Ambros Scope: Bei der AXA Schweiz arbeiten rund 4’000 Personen und da gibt es natürlich sehr unterschiedliche Wahrnehmungen zur Digitalisierung. Grundsätzlich besteht unser Ziel darin, den Fokus von bedrohlichen Szenarien auf neue Chancen zu richten. Wir orientieren uns dabei etwa an einer Studie des World Economic Forum (WEF). Diese besagt, dass in den nächsten fünf Jahren weltweit 133 Millionen neue Jobs in bisher noch nicht existierenden Berufsgruppen entstehen werden. Wir gehen also davon aus, dass es ein riesiges Feld von neuen Möglichkeiten gibt und wollen die AXA-Mitarbeitenden dazu befähigen, dieses Feld zu bearbeiten.

«Ich persönlich gelange zum Schluss, dass es auch in Zukunft genügend Arbeitsplätze und Arbeitskräfte geben wird.» Ambros Scope, Future Workforce Engineering AXA Schweiz

Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Robo Advisors etc. können ja nicht nur zur Befähigung von Mitarbeitenden, sondern auch zu deren Ersatz führen. Welche Zukunftsszenarien sind für Sie am wahrscheinlichsten?

Die verschiedenen Zukunftsszenarien unterscheiden sich teilweise diametral. Wenn man diese verschiedenen Szenarien übereinander legt, so gelange ich persönlich zum Schluss, dass es auch in Zukunft genügend Arbeitsplätze und Arbeitskräfte geben wird; allerdings nicht die gleichen wie heute. Daher ist lebenslanges Lernen und Weiterentwicklung ein Muss.

Welche dieser Szenarien lassen sich schon mit heute vorhandenen Technologien umsetzen, was wird bei AXA schon eingesetzt oder getestet?

Grundsätzlich wollen wir unsere Mitarbeitenden dazu befähigen, sich – in einer sich verändernden Welt – zu orientieren und ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Dafür nutzen wir bei der AXA auch künstliche Intelligenz. Konkret setzen wir seit Herbst 2017 die «Virtual Career Assistants» ein. Dabei handelt es sich um eine Plattform mit verschiedenen interaktiven und immer klüger werdenden Tools, die helfen, die eigenen Fähigkeiten und Vorlieben zu erkennen sowie passende Weiterbildungs- und Stellenangebote zu finden. Sollte sich für die Mitarbeitenden ein Lernbedarf abzeichnen, dann können wir damit auch die richtige Ausbildung oder Praxiserfahrung aufzeigen.

Neue Ideen und Pilotprojekte kämpfen in Unternehmen nebst den personellen Ressourcen immer auch um die Finanzierung. Wie haben Sie das die «Virtual Career Assistants» finanziert?

Die Entwicklung der «Virtual Career Assistants» starteten wir als kleines Projekt ohne zusätzliche finanzielle Mittel. Dank der zahlreichen positiven Rückmeldungen von Mitarbeitenden und Vorgesetzten konnten wir schrittweise die Finanzierung sichern. Für die Entwicklung von zwei «Virtual Career Assistants» haben wir zudem mit zwei Schweizer Startups zusammengearbeitet.

Bei den Produkten hat AXA mit “Upto” gerade eine Kombination von Carsharing und umfassendem Sorglos-Autofahren lanciert, als günstige Alternative zum Autoleasing. Welchen Einfluss haben solche Produkte, die einen signifikanten Wechsel vom ursprünglichen Versicherungs-Geschäft darstellen und eigentlich eher von einem Startup erwartete würden, auf die Ausbildung und Kultur der Mitarbeitenden?

Die Versicherungsbranche steht derzeit vor einem radikalen Umbruch: Zum einen drängen sich Insurtechs und branchenfremde Konzerne mit neuen Technologien und Geschäftsmodellen in unseren Markt. Zum anderen stärkt die Digitalisierung die Position der Konsumenten, was dazu führt, dass das Preisbewusstsein steigt und die die Loyalität zur Marke sinkt.

«Die Digitalisierung stärkt die Position der Konsumenten, was dazu führt, dass das Preisbewusstsein steigt und die die Loyalität zur Marke sinkt.»

Wir sind überzeugt, dass Kundennähe, die genauen Kenntnisse der Kundenbedürfnisse und insbesondere das schnelle Reagieren auf Veränderungen künftig die entscheidenden Wettbewerbsvorteile sein werden. Nur so können wir Services und Produkte entwickeln, die auf die Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden zugeschnitten sind – wie etwa «Upto». Produktentwicklungen wie «Upto» haben einen grossartigen Einfluss auf unsere Unternehmenskultur, da sie Mut, Innovation sowie «Trial-and-Error» auf vorbildliche Weise verkörpern.

Gerade bei der jüngeren Generation steht der Besitz, zum Beispiel von einem Auto, weniger im Vordergrund. Es zählt mehr die Möglichkeit, etwas nutzen zu können bei Bedarf. Ebenso scheint Karriere weniger bedeutend als die Erfüllung (von sich ändernden) Idealen. Auf Produkteseite hat AXA, wie zuvor gesehen, schon reagiert. Wie flexibel sind die Angebote für die Mitarbeitenden, wo ist hier Innovation und Digitalisierung sichtbar?

Für die Mitarbeitenden der AXA gibt es zahlreiche Angebote und Möglichkeiten, die Innovation und Digitalisierung verkörpern. Die «Virtual Career Assistants» sind da nur ein Element von vielen. So nutzen etwa zahlreiche Mitarbeitende unsere Flexwork-Modelle. Darunter verstehen wir sämtliche Formen des zeitlich und/ oder örtlich flexiblen Arbeitens, wie beispielsweise gelegentliches oder regelmässiges Arbeiten von zu Hause aus, Teilzeitarbeit, Jobsharing oder ein befristeter interner Stellenwechsel.

«In der neuen Arbeitswelt müssen die Grenzen zwischen arbeits- und werkvertraglich, zwischen Mensch und Maschine immer nahtloser gestaltet werden.»

Während Versicherungen bei den Kunden gerne vom Life Time Value sprechen und die Bedürfnisse über die ganze Lebensphase abzudecken versuchen, gibt es für Mitarbeitende kaum Modelle, wie diese ihre gesamte Karriere in einem Unternehmen oder einem Netzwerk verbundener Firmen planen können. Wäre das überhaupt wünschenswert und welche neuen Modelle wären dazu notwendig?

Dies ist ein wichtiger Punkt: In klassischer Aufgabenteilung kümmert sich etwa Human Resources um die eigenen Mitarbeiter oder die IT um die Computer. In der neuen Arbeitswelt müssen die Grenzen zwischen arbeits- und werkvertraglich, zwischen Mensch und Maschine immer nahtloser gestaltet werden. Durch die gewonnene Flexibilität erhalten die Mitarbeitenden die Möglichkeit, sich je nach Lebensphase das optimale Beschäftigungsmodell zusammenzustellen.

Unternehmen planen mit unterschiedlichsten Strategien traditionellerweise um die fünf Jahre voraus. Mitarbeitende haben meist sehr unterschiedliche Vorstellungen bezüglich ihrer persönlichen Entwicklung. Was würde es bedeuten, wenn diese beiden Zukunftsplanungen miteinander in Einklang gebracht würden und wie können hier neue Technologien Unterstützung bieten?

Damit wir noch schneller und flexibler auf Neues reagieren können, wurde vor rund vier Jahren bei der AXA die «agile Transformation» ins Leben gerufen. In sämtlichen Ressorts und Bereichen arbeiten Teams nach agilen Arbeitsmethoden; insgesamt sind es derzeit fast 700 Mitarbeitende oder 18 Prozent der Belegschaft. Unter Agilität verstehen wir jedoch nicht nur agile Arbeitsmethoden, sondern auch eine «Agilität im Kopf». Darunter fassen wir die Fähigkeit, sich schnell und flexibel auf Neues einzustellen. Diese «Agilität im Kopf» ist bei sämtlichen Mitarbeitenden der AXA sehr gut verwurzelt und führt auch zu veränderten Sichtweisen in Bezug auf persönliche Entwicklung. Für viele AXA-Mitarbeitenden sind lebenslanges Lernen und stetige berufliche Weiterentwicklung zentrale Aspekte.

«In sämtlichen Ressorts und Bereichen arbeiten Teams nach agilen Arbeitsmethoden; insgesamt sind es derzeit fast 700 Mitarbeitende oder 18 Prozent der Belegschaft.»

Die Globalisierung und der damit verbundene freie Personenverkehr haben dazu geführt, dass Unternehmen benötigte Skills vermehrt bei Bedarf weltweit eingekauft haben statt diese im Unternehmen selbst aufzubauen. Wie können Technologien wie Künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um vorhandene Fähigkeiten besser zu nutzen und gezielt für künftige Anforderungen zu erweitern und ist das überhaupt ein Ziel von Unternehmen?

Die künstliche Intelligenz unserer «Virtual Career Assistants» ermöglicht es uns, die Fähigkeiten der Mitarbeitenden der AXA Schweiz und auf einfache Art und Weise zu erfassen. Wir erwarten eine grosse Datenmenge, die wir unseren aktuellen Aufgaben und strategischen Herausforderungen gegenüberstellen können. Damit stellen wir sicher, dass wir das vorhandene Potential optimal nutzen, unserer Belegschaft attraktive Entwicklungsmöglichkeiten bieten und uns so als Unternehmen weiter entwickeln werden.

Das Vorgehen bei der Neubesetzung von Stellen ist bei vielen Unternehmen noch sehr traditionell: Ausschreibung, Sichtung der Bewerbungen, Bewerbungsgespräch, Entscheidung. Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf diesen Prozess, wo sind Verbesserungen möglich, wo gibt es grundlegend neue Modelle?

Durch die Transparenz über die vorhandenen Fähigkeiten im Unternehmen können wir natürlich auch im Recruiting neue Wege gehen. Wir möchten künftig auf eine «Internal Active Sourcing»-Funktion setzen: Für jede offene Stelle finden wir – quasi per Knopfdruck – den geeigneten Kandidaten. Diese Person erhält dann das Angebot und die Möglichkeit, innerhalb der AXA eine neue Herausforderung anzunehmen. Dieser Mechanismus lässt sich natürlich auch bei der Nachfolgeplanung oder bei Projekten einsetzen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Das ist einfach: Ich wünsche mir mehr Mut und Offenheit. Offenheit gegenüber neuen Ideen, Ansätzen und Methoden. Mut für neue Aufgaben und Herausforderungen. Angst und Verschlossenheit sind keine guten Ratgeber, mit Ihnen kann man die Zukunft nur abwarten. Mit Mut und Offenheit können wir die Zukunft gestalten, die wir uns und unseren Kindern wünschen.

Der Gesprächspartner:
Ambros Scope leitet bei der AXA Schweiz den Bereich Future Workforce Engineering, der neben einer internen Unternehmensberatung die Vorbereitung der Belegschaft auf zukünftige Herausforderungen zum Ziel hat. Nach der Ausbildung zum Maschinenbauingenieur HTL in Salzburg studierte er Psychologie und verfasste seine Doktorarbeit für eine Schweizer Klinik. Der Berufseinstieg als Unternehmensberater führte ihn 2005 zur heutigen AXA, in der er bis zu seiner aktuellen Rolle verschiedene Bereiche des HR verantwortet hat. Der gebürtige Österreicher lebt mit seiner Frau und zwei Töchtern in Uster.

Das Unternehmen:
Rund zwei Millionen Kunden vertrauen der AXA in der Schweiz. Sie setzen auf ihre Erfahrung und Beratung in der Personen-, Sach-, Haftpflicht- und Lebensversicherung sowie der Gesundheits- und beruflichen Vorsorge. Der führende Schweizer Versicherer ist ein dynamisches Unternehmen mit einer ambitionierten Vision: den Kunden Freiräume über die finanzielle Sicherheit hinaus schaffen und so ein unbeschwertes Leben ermöglichen – mit einfachen, digitalen Prozessen und innovativen Produkten und Dienstleistungen rund um wichtige Lebensbereiche wie Mobilität, Wohnen oder Unternehmertum. Dafür setzen sich die rund 4000 Mitarbeitenden sowie die 2500 Kolleginnen und Kollegen in den 276 Generalagenturen und Agenturen Tag für Tag ein. Die AXA Schweiz gehört zur AXA Gruppe und erzielte 2017 ein Geschäftsvolumen von CHF 10,9 Mia. AXA Schweiz

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