Fernando Lehner, Unternehmensleiter BVZ Holding
Fernando Lehner, Unternehmensleiter BVZ Holding. (Foto: BVZ Holding)
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Lehner, Sie haben Anfang September die Unternehmensleitung der BVZ Holding übernommen. Mit welcher persönlichen Zielsetzung haben Sie diese neue Herausforderung angetreten?
Eines meiner Ziele ist es, zusammen mit unser motivierten «Frau- und Mannschaft» die BVZ Holding in unserem Marktgebiet zur hoch professionellen, geschätzten und integrierten Nr. 1 für Erlebnis und Mobilität zwischen Zermatt und Disentis weiterzuentwickeln. Zu erreichen versuchen wir dies, indem wir noch aktiver, kreativer und effektiver am Markt auftreten und die Top-Erlebnisprodukte „Glacier Express“ und „Gornergrat“ stärken und Synergien weiter nutzen. Ich will auch die Rahmenbedingungen schaffen, damit die aufgegleisten Projekte, insbesondere das Angebotskonzept 2014 mit den Fahrplan-, Infrastruktur- und Rollmaterialverbesserungen, konsequent umgesetzt werden können.
Als wichtigste persönliche Ziele setze ich mir aber,
- dass ich nahe an den Kunden und der Belegschaft bin und die Wege ebne, damit der Unternehmergeist und die Innovationen weiter gefördert werden,
- wir ein so attraktiver Arbeitgeber werden – resp. bleiben -, damit bei der BVZ Holding qualifizierte Kandidaten bei allen Rekrutierungen «Schlange stehen».
In den ersten zehn Monaten des laufenden Geschäftsjahres konnte die BVZ Holding die Erlöse leicht steigern. Welchen Anteil konnten die verschiedenen operativen Geschäftsfelder dazu leisten?
Erfreulicherweise konnten die Erlöse der BVZ Holding AG gesteigert werden, trotz einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld. Die Frankenstärke und die rückläufige Nachfrage auf den europäischen Kernmärkten machen sich weiterhin bemerkbar.
Die Erlebnisprodukte, bestehend aus dem Glacier Express und der Gornergrat Bahn, nehmen mit 42% einen bedeutenden Anteil an den Erlösen ein. Der Glacier Express und die Gornergrat Bahn sind rein touristische Angebote. Der Glacier Express, ein wichtiges Geschäftsfeld der MGBahn, trägt wesentlich zum hohen Kostendeckungsgrad des Schienenverkehrs der MGBahn bei. Glacier Express und Gornergrat Bahn sind stark vom Marktumfeld abhängig und leiden zurzeit unter der Frankenstärke und dem Nachfragerückgang aus dem europäischen Raum. Erfreulich ist jedoch das bei der Gornergrat Bahn trotzdem eine Ertragssteigerung erreicht wurde, diese ist vor allem auf das Durchführen verschiedener Kundenaktionen und den Anstieg der Binnennachfrage zurückzuführen.
«Glacier Express und Gornergrat Bahn sind stark vom Marktumfeld abhängig und leiden zurzeit unter der Frankenstärke und dem Nachfragerückgang aus dem europäischen Raum.»
Fernando Lehner, Unternehmensleiter BVZ Holding
Wie sieht es im Regionalverkehr aus?
Der Regionalverkehr steuert rund die Hälfte am Personenverkehrserlös der Unternehmensgruppe bei. Diese Erträge konnten als Folge der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels um rund 30% gesteigert werden und bewegen sich auf einem nachhaltig hohen Niveau. Zudem konnte der Regionalverkehr in diesem Jahr von diversen Kundenaktionen profitieren. Beim Autoverlad liegen die Umsätze stabil auf Vorjahresniveau.
Der Güterverkehr liegt aufgrund der abnehmenden Transporte zwischen Brig und Disentis für die AlpTransit Baustellen unter Vorjahresniveau. Der Güterverkehr zwischen Brig und Zermatt wird seit Oktober 2011 in Kooperation mit Alpin Cargo betrieben. Die bisherigen Erfahrungen in diesem Bereich sind sehr zufriedenstellend.
An der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Europa dürfte sich hinsichtlich der Wintersaison 2012/13 wenig ändern. Werden Sie sich entsprechend auf den Schweizer Markt und Touristen aus Asien konzentrieren?
Richtig, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden sich voraussichtlich auch 2013 kaum verbessern. Die Frankenstärke wird sich weiterhin negativ auf die Tourismusnachfrage auswirken. Um die Erträge aus den Erlebnisprodukten Glacier Express und Gornergrat zu steigern und neue Kunden zu werben, wird die Marktbearbeitung weiter ausgebaut und auf neue Märkte fokussiert.
Im Regionalverkehr konnte die BVZ Holding die Erträge bis Ende Oktober um 3,5 % steigern. Was hat dieses Geschäftsfeld geprägt?
Die Erträge im Geschäftsfeld Regionalverkehr bewegen sich auf einem nachhaltig hohen Niveau. In diesem Jahr profitierte der Regionalverkehr zusätzlich von den diversen Kundenaktionen.
Sie haben in den letzten Jahren bereits sehr viel investiert. Im April hat die BVZ Holding eine Obligationenanleihe von 100 Mio Franken erfolgreich emittiert. Welche Investitionen werden damit getätigt?
Im Dezember 2011 hat die Matterhorn Gotthard Bahn eine Rollmaterialbestellung im Betrag von 106 Mio Franken. ausgelöst. Hauptgrund für die Bestellung sind die Kapazitätsengpässe, mit denen die Bahn seit der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels kämpft. Mit der Emittierung der Anleihe verändert sich das Schuldenprofil der BVZ Gruppe innerhalb ihrer Private Public Partnership Strukturen: Die Anleihe, welche bei der Matterhorn Gotthard Verkehrs AG im öffentlichen Geschäftsbereich alloziiert ist, ist vollumfänglich durch die Solidarbürgschaft des Bundes abgesichert. Dadurch behält die BVZ Gruppe in ihren privaten Unternehmensteilen eine gute Bonität und eine unverändert starke Finanzkraft für ihre zukünftige Weiterentwicklung
Die BVZ Holding verfolgt verschiedene Projekte an verschiedenen Bahnhöfen Projekte. Wie ist zum Beispiel der Stand der Planung hinsichtlich der MGB-Perronanlage in Brig und der Neugestaltung des Bahnhofquartiers?
Unter der Führung der Region- und Wirtschaftszentrum Oberwallis AG wurde in diesem Jahr eine Testplanung zum Bahnhof Brig durch alle beteiligten Akteure (SBB, MGBahn, Postauto, Kanton Wallis und die Gemeinden Brig, Naters und Visp) durchgeführt. Am 25. Juni 2012 wurden erste Vorschläge den Medien präsentiert.
Aus dieser Testplanung wurden gewisse Stossrichtungen beschlossen und diese werden nun optimiert. Um dies zu erreichen, werden zurzeit verschiedene Pendenzen überprüft. Für die MGBahn steht fest, dass sie an ihrem jetzigen Standort bleiben wird, jedoch wird voraussichtlich die Anzahl Gleise reduziert. Bevor dies jedoch entschieden wird, muss betrieblich abgeklärt werden, ob zwei Gleise mit einem Doppelspurausbau Richtung Glisergrund und Richtung Rhonesand für den Bahnbetrieb ausreichen. Die Planungsgruppe, die sich um die Klärung der Pendenzen kümmert, trifft sich regelmässig zu Abstimmungssitzungen. Nachdem alle Pendenzen geklärt sind wird voraussichtlich ab 2014 ein Gestaltungsplanwettbewerb durchgeführt um das gesamte Bahnhofsquartier neu zu gestalten.
Der Bahnhof Andermatt ist Teil des Tourismusresorts der Andermatt Swiss Alps AG. Wie ist da der Stand der Dinge?
Das Tourismus-Resort in Andermatt ist in sechs Zonen unterteilt. Für jede Zone gibt es je einen Quartiergestaltungsplan (QGP) mit entsprechenden Planungsvorschriften. Der QGP 2 betrifft den Teil «Bahnhof». In Zusammenarbeit mit der Andermatt Swiss Alps AG (ASA) und der MGBahn wurde der QPG 2 zu geeigneten 13 Teilprojekten verfeinert. Eines dieser Teilprojekte, das Teilprojekt Vorbahnhof Göschenen wurde bereits in diesem Jahr realisiert. Es beinhaltet einen Ausbau auf Doppelspur vom Bahnhof Andermatt bis zur Galerie. Dieser Ausbau ist notwendig, um die erforderlichen Kapazitäten für Manöver und Abstellmöglichkeiten während des Gesamtbahnhofneubaus zu gewährleisten (3 bis 5 Jahre) sowie die Betriebssicherheit während der Bauarbeiten am neuen Bahnhof sicherzustellen. Auch nach dem Gesamtausbau des Bahnhofs soll die Fahrplanstabilität mit den erhöhten Frequenzen zwischen Göschenen und Andermatt garantiert werden. Als nächster Schritt ist im Jahr 2013 die Realisierung der Personenunterführung des Teilprojektes 3 geplant. Parallel dazu wird die weitere Planung der Bahnanlage vorangetrieben.
«Der Bahnhof Zermatt stösst mit seinen über 3 Mio. Frequenzen pro Jahr, dem Shuttlebetrieb Täsch-Zermatt, dem Regionalverkehr, den Glacier Express-Zügen und dem Güterverkehr an seine Grenzen.»
Welche Pläne verfolgen Sie am Bahnhof Zermatt?
Der Bahnhof Zermatt stösst mit seinen über 3 Mio. Frequenzen pro Jahr, dem Shuttlebetrieb Täsch-Zermatt, dem Regionalverkehr, den Glacier Express-Zügen und dem Güterverkehr an seine Grenzen. Die Frequenzen der Matterhorn Gotthard Bahn auf der Strecke Visp-Zermatt sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Eine Konsequenz daraus wird der geplante 30 Minuten Takt zwischen Visp und Zermatt sein. Und dies ist mit ein Grund, wieso der Bahnhof in Zermatt erneuert und den heutigen Anforderungen angepasst werden muss. Ziele sind, den Bahnhof zum Top-Dienstleistungszentrum weiterzuentwickeln, ein behindertengerechter Ausbau, die Verkehrsströme und den betrieblichen Ablauf zu optimieren und Synergien zwischen der MGBahn und der GGB zu realisieren
In Visp das Immobilienprojekt Brückenweg kurz vor dem Abschluss. Welche Bedeutung hat das Immobiliengeschäft generell für die BVZ Holding?
Das Wohn- und Geschäftshaus Brückenweg in Visp ist Teil der Strategie der BVZ Holding. Ziel ist es das Immobiliengeschäft als zweites Standbein aufzubauen, um die Abhängigkeit vom Tourismusgeschäft zu mindern.
«Das Projekt Furkatunnel ist eines der grössten Projekte der Geschichte unseres Unternehmens und ist somit eine grosse Herausforderung für uns.»
Der Furkatunnel muss saniert werden. Wie wird diese Sanierung ablaufen, muss der Tunnel gar zeitweise gesperrt werden?
Der Furkatunnel, das Herzstück der Ost-West-Verbindung durch die Alpen, wurde in diesem Jahr 30-jährig. Der stark frequentierte Tunnel (Autoverlad, Glacier Express und Regionalverkehr) benötigt eine grundlegende Erneuerung und eine Anpassung an einige in der Zwischenzeit veränderte gesetzliche Bestimmungen und Normen. Das Projekt Furkatunnel ist eines der grössten Projekte der Geschichte unseres Unternehmens und ist somit eine grosse Herausforderung für uns.
Das Projekt umfasst drei Bereiche:
- Rettungsdienst RFT: Bezüglich Tunnelrettung wurde bereits in diesem Jahr Einiges umgesetzt. Das Einsatzkonzept des Rettungsdienstes wurde überarbeitet und das Einsatzmaterial wurde auf den neusten Stand gebracht. Am 7. August 2012 wurden die neuen Lösch- und Rettungsfahrzeuge des Rettungsdienstes Furkatunnel feierlich eingeweiht. Zusätzlich werden zurzeit in Oberwald und Realp je eine Remise zum Einstellen der Rettungs- und Sanitätsfahrzeuge gebaut. Die Remisen bestehen aus einer Halle mit zwei Gleisen à 40 Metern. In den Hallen werden zusätzlich die Gerätschaften, die Garderobe für das Einsatzteam, ein Retablierungsraum, Kompressoren und eine Füllstation untergebracht.
- Selbstrettung: Das Projekt umfasst auch Komponenten (Randweg, Notbeleuchtung und Lüftung) bezüglich der Selbstrettung, die an die BAV-Richtlinie angepasst werden.
- Substanzerhaltung Tunnel: Das Projekt beinhaltet die Instandsetzung des Tunnelgewölbes und die Erneuerung der Entwässerung. Auch die Bahntechnik wird erneuert, so wird im Tunnel eine feste Fahrbahn und eine Deckenstromschiene eingebaut.
Bei der Tunnelrettung wurde also bereits in diesem Jahr mit der Umsetzung begonnen. Der Rest des Projektes befindet sich zurzeit in der Planungsphase, das heisst, das Auflageprojekt für die Eingabe an das BAV wird erarbeitet. Die Phase der Realisierung wird voraussichtlich 2014 beginnen und ca. bis ins Jahr 2022 dauern. Eine grosse Herausforderung wird dabei das Aufrechterhalten des Betriebes sein, den man nur so wenig wie möglich unterbrechen will, geplant sind zurzeit zwei Unterbrüche von je zwei Monaten.
Herr Lehner, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Fernando Lehner (1960), Eidg. Dipl. Maschineningenieur HTL, steht der BVZ Holding AG und der Matterhorn Gotthard Bahn seit 2012 vor. Davor leitete er während rund neun Jahren den Bereich Rollmaterial und Traktion und schloss berufsbegleitend am Malik Management Zentrum St. Gallen das Zusatzstudium zum „Malik MZSG Master of Management“ ab. Vor seiner Tätigkeit bei der Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding AG hatte er während 17 Jahren diverse Funktionen bei der Lonza AG inne, zuletzt führte er die Abteilung Instandhaltung und Engineering Services im Geschäftsbereich Organic Fine Chemicals.
Zum Unternehmen:
Der BVZ Konzern ist ein touristisches Unternehmen, das in den Kantonen Wallis, Uri und Graubünden tätig ist und ganze Dienstleistungspakete anbietet. Mit rund 600 Mitarbeitenden erbringt die Unternehmensgruppe sowohl öffentliche Verkehrs- als auch Tourismus-Dienstleistungen. Während die Matterhorn Gotthard Bahn als konzessioniertes Transportunternehmen Anspruch auf öffentliche Abgeltungen hat, finanzieren sich die übrigen sechs Tochterunternehmen und Beteiligungen ausschliesslich über private und am Kapitalmarkt beschaffte Mittel. Das Herzstück der Geschäftstätigkeit bilden der Regionalverkehr mit den Reiseangeboten von Disentis bis Zermatt und die Erlebnisreisen rund um die Top Brands «Glacier Express» und «Gornergrat». Hinzu kommen der Matterhorn Terminal Täsch mit dem Shuttle Täsch – Zermatt, der Furka-Autoverlad, die Gütertransporte sowie der Immobilienbereich.