Franco Quinter, VR-Präsident der Bergbahnen Splügen-Tambo AG, im Interview

Franco Quinter

Franco Quinter, VR-Präsident der Bergbahnen Splügen-Tambo AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Quinter, punkto Kreativität bei den Skitickets ist Splügen-Tambo Spitze. Wer kommt bei Ihnen denn auf solch ausgefeilte Ideen wie die Schlechtwetter-Karte?

Franco Quinter: Ja wahrlich, wir sind sehr kreativ in Sachen Ticketing und entwickeln auch darüber hinaus kreative Angebote und Produkte. Aber selbstverständlich gelingt uns nicht alles. Nicht jeden Ballon, den wir starten, können wir frei fliegen lassen. Diejenigen, die funktionieren pflegen und entwickeln wir weiter, andere holen wir wieder hinunter. Unser kreativster Kopf ist Verwaltungsrat Ivo FiFi Frei. Eine weitherum bekannte Persönlichkeit. Mit seinem Kommunikationsunternehmen skipp communications entwickelt er im Auftrag der Bergbahnen Splügen-Tambo unsere Stories.

Muss man sich jetzt bei Schlechtwetter eher freuen oder ärgern?

Bei uns scheint auch bei schlechtem Wetter die Sonne. Denn wenn das Wetter nicht gut ist, können die Kunden unsere Schlechtwetterkarte buchen, und dadurch bezahlen sie nur 30 statt 50 Franken für eine Tageskarte, ein deutlich günstigeres Schnee-Erlebnis als in der Vergangenheit. Davon haben unsere Kunden gerade aufgrund der unstabilen Wetterlage in den Monaten Februar und März profitieren können.

«Wenn das Wetter nicht gut ist, können die Kunden unsere Schlechtwetterkarte buchen, und dadurch bezahlen sie nur 30 statt 50 Franken.»
Franco Quinter, VR-Präsident der Bergbahnen Splügen-Tambo AG

Als Wetterscheide hat der Hinterrhein halt schon ein paar Nachteile…

Die Wetterscheide am Hinterrhein ist ein besonderes Phänomen. Wir liegen damit jeweils zwischen dem Wetter im Norden und Süden. Aber nicht immer konsequent. Ein typisches Naturphänomen. Für uns und unsere Kunden immer wieder für eine Überraschung gut. Und genau das macht es für uns alle spannend. Denn wenn es im Süden schlechtes Wetter hat, haben wir auch die nördlichen Schönwetterverhältnisse oder umgekehrt. In der Folge haben wir auf unserer Website immer eine topaktuelle Wetterprognose und die damit verbundene Schlechtwetterkarte publiziert. Ein besonderes Angebot. Ein spannendes Game. Für alle, mit klaren Regeln und Bedingungen.

Vorteil Ihres Skigebiets ist die durchmischte Landschaft. Es hat freie Flächen aber auch Bäume. Der Schnee ist dadurch zusätzlich lange bis in Frühjahr geschützt. Dennoch: Um wieviel fällt die Besucherfrequenz an den letzten „warmen Wintertagen“ ab?

Es ist schon so, dass die Besucherfrequenzen an den frühlingshaften Tagen abnehmen. Dies ist aber nicht nur in unserem Gebiet feststellbar. Denn wenn der Frühling in den Tälern eingekehrt, nimmt das Interesse am Wintersport ab. Aufgrund unseres starken italienisch-sprechenden Gästesegments sind die Auswirkungen der frühlingshaften Temperaturen noch stärker als andernorts spürbar. Daher ist es wichtig, die Entwicklung der Frequenzen laufend zu beobachten und die Öffnungszeiten der Nachfrage anzupassen.

Was Ihre Destination sympathisch macht, ist Ehrlichkeit. Offenbar haben Sie Ihre Pistenkilometer, 30 an der Zahl, korrekt gezählt. Was halten Sie dagegen von Bündner Destinationen, die Ihre Abfahrtspistenkilometer gleich mehr als doppelt zählen, wenn Sie nur breit genug sind, wie etwa die Corvatsch AG?

Wow, das freut mich, wenn Sie unsere Ehrlichkeit auch so spüren, denn es liegt uns wirklich viel daran, dass wir ganz transparent und ehrlich mit unseren Kunden kommunizieren. Über andere Destinationen möchte ich mich nicht äussern, vielmehr sind wir überzeugt, dass der Fokus auf diese technische Methode falsch ist. Der Kunde interessiert sich sehr wohl auch für die Grösse, die Disposition und Struktur des eigentlichen Berges. Der Fokus muss auf neuartige, Pisten-unabhängige Angebote und Produkte gelegt werden. Unser Kunde interessiert das Gesamterlebnis am Berg. Mit ersten Angeboten und Produkten durften wir in der für uns ersten Saison auch ein erstes diesbezügliches Ausrufezeichen setzen. Mitunter haben wir mit unserem E-Kids-Land schweizweite Medienpräsenz erlangt. Die Weiterentwicklung neuer Angebote und Produkte, wie zum Beispiel mit unseren Nachbarn im Süden, mit Montespluga und Madesimo, haben wir bereits initiiert. Dank der Nähe zu unserem Partner, der InnoQube Swiss AG, kann die Entwicklung von Innovationen am Berg auch in Zukunft sichergestellt werden.

«Wir sind überzeugt, dass es falsch ist, Pistenkilometer gleich doppelt zu zählen.»

Das sehr schöne Skigebiet im italienischen Madesimo ist im Winter nur sehr umständlich zugängig. Neu können Wintersportler mit dem 70 Franken-Tagespass ein Pistenbullishuttle benutzen, um gleich in beiden Ländern Ski zu fahren. Wie stark wird dieses originelle Verbindungsangebot genutzt?

Dieses Verbindungsangebot haben wir als Pilot und für die erste Saison entwickelt. Die Frequenzen waren eher bescheiden. Aber die Reaktionen haben uns gezeigt, dass es ein Bedürfnis sein kann. Für uns war der Test auch interessant wegen der der Zusammenarbeit zwischen Norden und Süden. Bislang wurde so etwas immer ins Visier genommen, aber nie realisiert. Wir haben diese nun auf eine eher abenteuerliche Art und Weise umgesetzt. Auch dank der Unterstützung der Region. Die abschliessende Analyse des Angebotes steht noch aus. Wir werden in den kommenden Wochen mit unseren italienischen Partnern eine Auslegeordnung vornehmen. Mit Freude stellen wir heute fest, dass potenziellen Investoren grosses Interesse an einer entsprechenden Verbindung haben.

Mit Ihrem Nachbarskigebiet San Bernardino verbindet Sie ein guter Draht. Wäre da auch ein gegenseitiger Shuttleservice denkbar?

Wir pflegen einen guten Kontakt zu unseren Nachbarn in San Bernardino. Selbstverständlich bedauern wir, dass auch diese Wintersaison die Anlagen in San Bernardino nicht oder nur ganz ausgewählt in Betrieb genommen wurden. Aufgrund des ganzen Turnarounds, welcher zur Rettung unseres Unternehmens bislang viel Aufwand verursacht hat, haben wir bis heute nur eingeschränkt ein Ergänzungsangebot nach San Bernardino anbieten können. Für die kommende Wintersaison werden wir die konkreten Möglichkeiten eines Shuttleservices prüfen und ihn nach Möglichkeit zusammen mit San Bernardino weiter entwickeln.

Mit Saisonkarten aus Bündner Skigebieten kriegt man in Splügen die Tageskarte zum halben Preis. Wie rechnet sich dieses kantonsweite Rabattsystem?

Mit unserem Gesamtangebot «Grenzenlos einheimisch» bieten wir als eines der ersten Skigebiete überhaupt den Einheimisch-Tarif für alle Gäste an. Und damit unsere Bündner Kunden sich noch heimischer bei uns fühlen, haben wir dieses ergänzende Angebot kreiert. In den letzten Jahren haben die Frequenzen aufgrund des schwächelnden Bekanntheitsgrades unseres Gebietes stark abgenommen. Darum haben wir diese Angebote entwickelt. Wir laden dadurch alle zu uns ein. Die Zahlen sprechen für sich. Es ist uns bereits im ersten Jahr nach dem Turnaround gelungen, die Frequenzen wesentlich zu steigern.

Der Nachtbus nach Chur zielt auf die einheimische Klientel. Wie fällt Ihre Analyse dieser Zusatzdienstleistung aus?

Der Nachtbus wurde auf diese Saison hin initialisiert. Dieses Angebot hat noch nicht die gewünschten Frequenzen bewirkt. Es ist aber ein tolles Angebot, das von den bisherigen Nutzern sehr begrüsst wurde. In wie weit wir dieses Angebot weiterentwickeln, wird die Analyse der abschliessenden Zahlenbasis darlegen.

«Leider entdecken wir bis heute immer noch alte, beziehungsweise bislang unbekannte Probleme, die früher nicht aufgearbeitet wurden. Das führt dazu, dass wir laufend Investitionen tätigen müssen, welche nicht budgetiert sind.»

Nach dem letztjährigen Schuldenschnitt und der Kapitalerhöhung steht die Splügen-Tambo AG wieder auf gesunden finanziellen Beinen, oder?

Dank des Schulden- und Kapitalschnittes konnte im letzten Herbst der drohende Konkurs überhaupt abgewendet werden. Das war ein wichtiger Schritt, unseren Berg zu retten. Leider entdecken wir bis heute aber immer noch alte beziehungsweise bislang unbekannte Probleme, die früher nicht aufgearbeitet wurden. Das führt dazu, dass wir laufend Investitionen tätigen müssen, welche nicht budgetiert sind – und dies notabene mit einer sehr bescheidenen Finanzbasis. Kreativität wird auch diesbezüglich bei uns gezwungenermassen gross geschrieben. Die ganze Situation braucht viel Substanz, bei allen Beteiligten.

Braucht es für weitere Investitionen also noch mehr frisches Geld?

Die letzte abgeschlossene Kapitalerhöhung hat nicht das erhoffte Ziel erreicht. Bei Weitem nicht. Das alles und die Tatsache, dass die Entwicklung neuer Angebote und Produkte zusätzliche Finanzmittel benötigt, zeigt, dass wir das Unternehmen unbedingt konsequent weiterentwickeln und dadurch auch in eine andere Finanzierungsstruktur bewegen müssen. Der Verwaltungsrat kennt das grosse Potenzial in Splügen und entwickelt daher zurzeit ein Investorenmodell. Erste Kontakte sind vielversprechend. Die Zukunft wird zeigen, was diesbezüglich möglich sein wird. Wir sind zuversichtlich.

Sie wollen neu sehr stark die italienischen Wintersportler ansprechen. Allerdings ist Splügen nicht wirklich zweisprachig. Ist das ein Nachteil?

Die sehr deutliche Steigerung in der ersten Saison nach dem Turnaround zeigt, dass dies in Splügen möglich ist. Wir dürfen mit Freude feststellen, dass es uns gelungen ist, mit einem grossen Effort im Tessin und in Norditalien wiederum viele italienisch-sprechende Gäste für Splügen zu gewinnen. Auf diesem Erfolg können wir nun weiter aufbauen und die Aktivitäten gezielt mit den gemachten Erfahrungen forcieren.

Ein zentrales Problem ist weniger das Marketing und die Reanimation dieses Marktgebietes. Dafür haben wir unsere Spezialisten an Bord. Vielmehr stellt uns die Zweisprachigkeit unserer Mitarbeitenden immer wieder vor Herausforderungen. Wir verfügen aber auch diesbezüglich über eine gute Basis, die es weiter zu entwickeln gilt.

Die Hotelinfrastruktur in Ihrem Skigebiet ist eher bescheiden. Sind da Initiativen geplant? Da das italienische Madesimo gerade bei den Übernachtungen sehr teuer ist, könnte der Hinterrhein hier doch punkten.

Sie sprechen ein sehr zentrales Problem an. Splügen verfügt über viel zu wenige warme Betten in gewünschter Qualität. Das führt dazu, dass uns das Segment der Mehrtages- und Wochengäste grösstenteils fehlt. Und es zeigt auch, dass mit dem Tagestourismus eine nachhaltige Entwicklung des Berges kaum möglich ist. Daher arbeiten wir ganz intensiv an einem Gesamtkonzept, das im Rahmen des bereits erwähnten Investorenmodells realisiert werden soll.

Selbstkritisch möchte ich an dieser Stelle festhalten, dass wir noch über namhafte Baustellen und Probleme verfügen, die wir noch nicht beziehungsweise bislang zu wenig gut lösen konnten. Eine derartige Rettung eines Unternehmens benötigt viel Zeit, Kraft und Geduld. Erfahrungsgemäss braucht es mindestens drei Jahre, um einen vollständigen Turnaround realisieren zu können. Wir sind noch im ersten Jahr.

Zum Gesprächspartner:
Franco Quinter, dipl. Ingenieur ETH/SIA und eidg. pat. Ingenieur-Geometer, ist Inhaber von verschiedenen Unternehmen. Ein Bündner durch und durch. Im strategischen Bereich ist er als Verwaltungsrat, Stiftungsrat und Beirat sowie im operativen Bereich als Geschäftsführer diverser national und international tätigen Unternehmen und Institutionen engagiert: HMQ Gruppe, HMQ AG, HMQ Gebäude AG, HMQ Geomatik AG, HMQ Planung AG, HMQ Projekt AG, Savera Treuhand AG, Akila AG, InnoQube Swiss AG, Investimo AG, StarKids Foundation, SvS Stiftung u.a. sowie Verwaltungsrat der Bergbahnen Splügen-Tambo AG. Bei letztere ist er seit 1. Mai 2017 Präsident. Mitunter war Franco Quinter auch für die Graubündner Kantonalbank GKB als Bankrat tätig. Während seiner politischen Laufbahn hat er verschiedene kommunale, regionale und kantonale Ämter bekleidet. Er war auch Mitglied des Grossen Rates des Kantons Graubünden, in dieser Funktion zudem als Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben.

Splügen-Tambo AG
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