François Mollat du Jourdin, Gründer und VRP MJ&Cie, im Interview

François Mollat du Jourdin

François Mollat du Jourdin, Gründer und VRP MJ&Cie. (Foto: zvg)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Die Stimmung unter den Investoren war schon mal besser. Wie erleben Sie die aktuellen Finanzmarktturbulenzen und wie beruhigen Sie Ihre wohlhabenden Kunden?

François Mollat du Jourdin: Nun, zum einen geht es darum, eine langfristige Perspektive einzunehmen und bei den langfristigen Anlageinstrumenten sehr selektiv vorzugehen und auf höchste Qualität zu achten. Zweitens ist die Diversifizierung natürlich sehr wichtig. Es ist wichtig, sowohl geografisch als auch in Bezug auf die Anlageklassen diversifiziert zu sein. Als Family Office haben wir zum Beispiel eine starke Diversifizierung in privaten und illiquiden Vermögenswerten – hauptsächlich Private Equity und Private Debt, aber auch Sachwerte wie Immobilien und Infrastruktur. Infolgedessen können wir auch sagen, dass die Performance in diesem Jahr gar nicht so schlecht war, da die Diversifizierung wirklich die Rolle eines Puffers gegen die rückläufigen liquiden Märkte spielt.

Es droht eine Rezession samt hoher Inflation und die lässt die Vermögen Ihrer Kunden schmelzen. Wie schützen Sie die Vermögen ihrer Kunden, wenn die Inflation noch länger auf einem hohen Niveau verharrt?

Indem man in langfristige, qualitativ hochwertige Anlagen investiert, die bereits bewiesen haben, dass sie in Zeiten erhöhter Inflation Werte schaffen können. Bei Unternehmen zum Beispiel durch die Konzentration auf Aktien, die eine reale Preissetzungsmacht haben, bei festverzinslichen Wertpapieren durch die Konzentration auf variable Zinssätze und kürzere Laufzeiten. Darüber hinaus können Immobilien eine Absicherung gegen die Inflation sein, selbst wenn es eine Vorlaufzeit für Preissteigerungen gibt. Und natürlich die Infrastruktur. Auch hier gilt: Mit der richtigen Allokation kann man solchen Risiken – zumindest teilweise – vorbeugen.

«In Zeiten der Inflation ist Bargeld nicht wirklich König, aber man muss trotzdem die Möglichkeit haben, zu einem günstigen Zeitpunkt wieder in die Märkte einzusteigen – es ist also auch ein taktisches Spiel.»
François Mollat du Jourdin, Gründer und VRP MJ&Cie

Was raten Sie Ihren Kunden derzeit auf der Anlageseite zu unternehmen? Sollten sie sich neu positionieren?

Wichtig ist, dass die Allokation stimmt – auch wenn die hohe Inflation irgendwann wieder abflacht. Wir sehen die Allokation wirklich als Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg. Und man darf auch nicht vergessen, dass es im Jahr 2021, als die Märkte nach oben schossen, einige Gewinne zu verbuchen gab, was bedeutet, dass einige Kunden auch recht liquide sind. In Zeiten der Inflation ist Bargeld nicht wirklich König, aber man muss trotzdem die Möglichkeit haben, zu einem günstigen Zeitpunkt wieder in die Märkte einzusteigen – es ist also auch ein taktisches Spiel.

Welche Anlageklassen favorisieren Sie im aktuellem Marktumfeld?

Im Bereich der liquiden Mittel bevorzugen wir erstklassige Aktien und kurze Anleihen. Im illiquiden Bereich Instrumente, die eine Absicherung gegen Inflation bieten, wie Immobilien und Infrastruktur.

Für vermögende Privatkunden sind Private Equity Investitionen einfacher zugänglich und daher auch verbreiteter. Wie ist die Performance ihrer Privatmarktanlagen?

Das ist eine gute Frage. Private Equity ist ein wichtiger Bestandteil einer Allokation. Wir stellen jedoch fest, dass sich die Investitionsdynamik im Jahr 2022 verlangsamt hat. Die Anleger halten sich zurück – nicht ganz, aber sie denken über den nächsten Schritt nach, darüber, wie sich die Welt entwickeln wird. Die Performance von Private Equity war im Jahr 2021 und auch in der ersten Hälfte des Jahres 22 sehr gut. Im Laufe des Jahres 23 werden wir wahrscheinlich einige Kurskorrekturen erleben.

Die Anleger warten also ab, wie sich die Krise und die Situation auswirken werden. Im Moment fliesst das Geld also nicht so sehr in Private-Equity-Anlagen. Ich würde sagen, es fliesst in die Instrumente, die eine Absicherung gegen die Inflation bieten, also wiederum in Immobilien, Infrastruktur und variabel verzinsliche Privatanleihen. Dies sind sicherlich die Anlagen, die von den Anlegern im Moment vorsichtig bevorzugt werden. Und es ist immer noch eine Menge Bargeld vorhanden.

Wird die Ausfallquote steigen, da die Zeit des billigen Geldes vorüber ist?

Die Ausfallquote war in den letzten Jahren extrem niedrig, weil das Geld kostenlos war. Jedes Unternehmen, unabhängig von seinem Zustand und seinem Geschäftsmodell, konnte fast unbegrenzt Geld erhalten. Deshalb halten sich die Anleger im Moment etwas zurück, denn die Zeit der Wahrheit naht. Da die Zentralbanken kostenlose Liquidität abziehen, werden wir sehen, wer die Soliden sind und wer nicht. Die Ausfallquote dürfte in den nächsten 18 Monaten drastisch ansteigen. Das heisst aber nicht, dass wir nicht investieren sollten! Im Chinesischen ist das Wort Krise eine Mischung aus Chance und Risiko. Genau so sehe ich die Situation. Wir haben viele Risiken vor uns – aber auch viele Chancen.

«Die Ausfallquote dürfte in den nächsten 18 Monaten drastisch ansteigen.»

Welche Renditen erwarten Sie im Bereich Private Equity?

Für illiquide Vermögenswerte – Private Equity – gehen wir von einer Rendite von 10 % aus. Denn die Situation auf dem Private-Equity-Markt ist in gewisser Weise vergleichbar mit der Situation der Hedge-Fonds vor 20 Jahren, als man zweistellige Renditen erzielen konnte. Dann wurden die Märkte effizienter und die Renditen der Hedge-Fonds gingen zurück. Heute liegen sie in der Regel zwischen 5 % und 7 %, wenn nicht sogar bei 4 % bis 6 %. Eine meiner Fragen lautet daher: Wird dies nicht auch in der Welt des Private Equity geschehen?

Da sie sich so stark entwickelt hat, wird die Effizienz steigen, und wir müssen zugeben, dass gute Renditen auch aus Ineffizienzen resultieren, weil man in ein Unternehmen zu einem niedrigeren Preis einsteigen kann, als es eigentlich bewertet ist, oder weil es «seltene Perlen» gibt, die die Märkte nicht sehen. Wenn die Märkte effizienter werden, investieren mehr Menschen in die «seltenen Perlen» und der Preis steigt. Ich bin also lieber vorsichtig und rechne mit einer niedrigen zweistelligen Renditeerwartung im Bereich Private Equity. Der Anlagehorizont ist länger geworden, wir investieren mit dem Gedanken an einen Zeitraum von 8-12 Jahren.

Was versprechen Sie sich von Kryptos und NFT? Welche Token bevorzugen Sie und warum?

Ehrlich gesagt, kann ich die Frage nach meinem bevorzugten Token nicht beantworten, weil ich es einfach nicht weiss. Die Leute, für die ich arbeite, haben wenig Appetit und sind sehr vorsichtig mit dieser Anlageklasse. Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Was sind Krypto-Assets? Was sind die Kryptowährungen? Bitcoin zum Beispiel stagniert seit Monaten, einige Plattformen stehen kurz vor dem Konkurs, das Volumen ist drastisch zurückgegangen. Es ist die erste ernsthafte Krise, die er durchmacht.

Digitale Vermögenswerte werden bleiben, das ist sicher. Aber wir müssen uns bewusst sein, dass es einen grossen Kampf zwischen offiziellen Akteuren, Zentralbanken, Regulierungsbehörden und Krypto-Akteuren gibt. Natürlich wollen die Regierungen nicht die Kontrolle über die Währung verlieren. Es wird sich im Laufe der Jahre weiterentwickeln, aber wir bleiben vorsichtig, während wir denken, dass ein kleiner Anteil an Krypto-Assets im Portfolio sinnvoll ist.

Welche aktuellen Entwicklungen prägen die internationale Family Office Branche derzeit? Sie sind ja in verschiedenen internationalen Verbänden tätig.

Es gibt eine sehr starke Entwicklungsdynamik. Nehmen wir das Beispiel Singapur, wo die Regierung ihr Bestes tut, um ein günstiges Umfeld für Family Offices zu schaffen und sie anzuziehen. Die Entwicklungen im Bereich der Single Family Offices sind die dynamischsten, weil dort viel Vermögen geschaffen wird. Das Problem bei den Family Offices ist die Zusammenführung all dieser sehr vertraulichen und kleinen Netzwerke. Das ist übrigens einer der Punkte, an denen ich derzeit arbeite. Wir haben die IFFO – International Federation of Family Offices – vor drei Jahren ins Leben gerufen, da wir der festen Überzeugung sind, dass die Schaffung eines echten Netzwerks von Family Office-Profis auf der ganzen Welt eine Notwendigkeit ist, da der Bedarf und das Konzept von Family Offices voll und ganz anerkannt sind.

Aber die Geschäftsmodelle sind immer noch sehr unterschiedlich. Letztendlich sind die Ziele für alle Family Offices gleich: Sie arbeiten mit wohlhabenden Familien zusammen, um den Wohlstand zu erhalten und weiterzuentwickeln, und streben mehr und mehr auch eine positive Wirkung an. Es gibt also eine starke Dynamik, aber noch immer einen Mangel an internationalem Austausch und Diskussionen.

«Das soziale Risiko beängstigt mich. Ich denke, das ist eines der grössten Risiken, die wir im Moment haben.»

Auch wenn in diesem Jahr viel Vermögen an den Finanzmärkten verbrannt wurde: Der weltweite Reichtum hat Rekordhöhen erreicht – nur, dass er immer ungleicher verteilt ist. Soziologen warnen vor der sozialen Spaltung der Gesellschaft. Sehen Sie Lösungsansätze, um dieses drohende Szenario zu verhindern?

Das ist in der Tat ein Problem, und ich muss sagen, dass mich dieses soziale Risiko beängstigt. Ich denke, das ist eines der grössten Risiken, die wir im Moment haben. Wenn wir sehen, wie die Welt polarisiert ist, wenn wir die Wahlen sehen, in Italien, den USA oder anderswo, dann kann man sich vor diesem Risiko nur fürchten. Eine der Lösungen liegt in der Besteuerung. Ich sage nicht mehr Steuern, sondern andere Steuerstrukturen. Regelungen zur Vermeidung von Steuerschlupflöchern in der ganzen Welt sind sicherlich notwendig. Ausserdem müssen in mehr oder weniger allen Ländern die Löhne erhöht werden. Die Aufteilung der Wertschöpfung zwischen Arbeitnehmern und Aktionären sollte sich ändern. Vor 30-40 Jahren war es mehr zu Gunsten der Arbeitnehmer und weniger zu Gunsten der Aktionäre. Heute ist es genau umgekehrt.

All das geht übrigens Hand in Hand mit den Klimarisiken. Ein Teil der Lösung besteht auch darin, an neuen Projekten zu arbeiten, um diese Welt für mehr Menschen lebenswerter zu machen, und dazu gehören auch Lösungen für das Klima. Daher ist die laufende COP27 für mich ein wichtiger Schritt, aber ich mache mir natürlich wenig Illusionen über das Ergebnis. Der UN-Generalsekretär sagte bei der Eröffnung der COP27, dass wir die Wahl haben, entweder zusammenzuarbeiten oder zu verschwinden. Das bringt es für mich ziemlich klar auf den Punkt.

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