von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Koch, nimmt man das erste Halbjahr 2024 von Swiss Steel als Konjunkturindikator, muss man sagen: der Welt geht es nicht gut, oder?
Frank Koch: Die Lage ist in der produzierenden Industrie tatsächlich aktuell herausfordernd. Wir sehen eine schwierige Kombination: Europa befindet sich in einer Rezession bei zeitgleich steigenden Preisen für Energie, Rohstoffe und allgemeinen Konsumgütern. Insgesamt hat sich die Stabilität in den Lieferketten in der Zeit nach der Corona-Pandemie immer noch nicht wieder hergestellt. Auch das geopolitische Umfeld ist angespannt und beeinflusst die Investitionsfreude. Das spüren wir.
Augenfällig ist die Schwäche im Hauptmarkt Deutschland. Dort fiel der Umsatz um 18,4 Prozent auf noch 510,4 Millionen Euro. Die Käufer sind verunsichert. Liegt es an der Politik?
Die Gründe, warum die deutsche Wirtschaft darbt, sind vielfältig und komplex. Unsere Hauptmärkte in Deutschland sind die Autoindustrie und der Maschinenbau. Beide Branchen befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in einer tiefgreifenden Transformation, welche nur teilweise von den politischen Rahmenbedingungen begünstigt wird, und sind deshalb aktuell sehr zurückhaltend unterwegs. Die Bestellungseingänge im 1. Halbjahr 2024 in diesen beiden Branchen waren sehr unbefriedigend, das spüren somit auch Zulieferer wie Swiss Steel.
«Unsere Hauptmärkte in Deutschland sind die Autoindustrie und der Maschinenbau. Beide Branchen befinden sich aus unterschiedlichen Gründen in einer tiefgreifenden Transformation.»
Frank Koch, CEO Swiss Steel Group
In Düsseldorf haben Sie Ihre Zentrale verkauft. Gelang das noch rechtzeitig zu einem guten Preis?
Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden.
Auch reine Stahlhändler wie Klöckner beeinflussen die Stahlpreisbildung. Wie geht Swiss Steel in diesem kompetitiven Umfeld vor?
Swiss Steel Group produziert vorwiegend Spezialstähle und keine einfachen Baustähle. Unsere Stähle sind ausgelegt für komplexe Anwendungen, wie Getriebeteile, Fahrwerke von Flugzeugen oder Siebe für Mikrochips. Ausserdem verfügen wir mit nachhaltigem Stahl – wir sagen: grünen Stahl – über ein ausgezeichnetes Produkt, das uns gegenüber herkömmlichem Stahl einen entscheidenden Vorsprung verschafft. Diese Positionierung hilft uns.
«Swiss Steel verfügt mit nachhaltigem Stahl – wir sagen: grünen Stahl – über ein ausgezeichnetes Produkt, das uns gegenüber herkömmlichem Stahl einen entscheidenden Vorsprung verschafft.»
Eine neue Vertriebsorganisation unter der Führung eines Chief Sales Officer besteht seit Ende Juni 2024. Wie ist das weitere Vorgehen?
Die Swiss Steel Group richtet ihre Verkaufsorganisation unter zentraler Führung neu aus, um die sich bietenden Marktchancen bestmöglich zu nutzen. Eine schlagkräftige Vertriebsorganisation legt den Grundstein für künftiges Wachstum. Die neue Organisation wird unsere Entscheidungsprozesse straffen, beschleunigen und für schnellere und besser koordinierte Massnahmen sorgen.
Umgekehrt wurde die Vertriebseinheit in Portugal aber verkauft…
Dieser Schritt ist Bestandteil der neuen Verkaufsorganisation. Im Rahmen unserer Strategie fokussieren wir uns auf die richten Produkte für die relevanten Märkte. Wir entfernen die Komplexität aus unserem Vertriebsnetzwerk und fokussieren auf die Märkte, in denen wir mit gruppeneigenen Produkten agieren können.
Sie haben jetzt auch Erlöse aus Versicherungsansprüchen erzielt. Wie kam es dazu?
Dieser Sondereffekt erklärt sich aus der ausbezahlten Versicherungssumme im Zusammenhang mit dem in 2022 kommunizierten Schaden in einem unserer Werke in Frankreich.
Das EBITDA stieg auf 71,7 Millionen, aber nur durch Einmaleffekte. Wo müsste es zu liegen kommen, damit man sagen kann: Swiss Steel geht es bestens?
Eine Guidance geben wir hierzu nicht ab. Absolut klar ist, dass unsere Ergebnisse noch nicht dort sind, wo sie sein müssen. Die vollständige Realisierung einer ökologisch nachhaltigen, robusten und widerstandsfähigen Gruppe wird aber noch Zeit und erhebliches Engagement erfordern. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir die Gruppe von einem locker verbundenen Stahlhändler der Vergangenheit zu einem fokussierten, schlankeren Stahlproduzenten transformieren. Dabei streben wir auch eine Rückkehr zu einer branchenüblichen Profitabilität an.
«Die vollständige Realisierung einer ökologisch nachhaltigen, robusten und widerstandsfähigen Gruppe wird aber noch Zeit und erhebliches Engagement erfordern.»
Swiss Steel hat seine Warenlager im 1. Halbjahr wieder aufgebaut. Kam dieser Schritt angesichts der schwachen Nachfrage zu früh?
Nein. Um für unsere Kunden zu produzieren, brauchen wir Material. Oder anders gesagt: selbstverständlich gehen wir in Vorleistung, wenn wir Stahl herstellen. Nach dem bekanntlich sehr schwachen 2. Halbjahr 2023 konnten wir ab Anfang dieses Jahres wieder mit Aufträgen an den Markt zurückkehren. Dementsprechend beschaffen wir Vorräte.
Seit Ende 2022 hat Swiss Steel ein Viertel seiner Mitarbeiter verloren. Wie systemrelevant ist Ihr Unternehmen für den Kanton Luzern?
«Verloren» haben wir keinen unserer Mitarbeitenden! Die tiefere Anzahl von Arbeitsplätzen steht in erster Linie im Zusammenhang mit den veräusserten Unternehmensteilen, hier wurde ein neuer Arbeitgeber gefunden, sowie einer Stellenreduktion vorwiegend im administrativen Bereich. Wie der Kanton Luzern die Rolle von Swiss Steel sieht, müssen Sie die Verantwortlichen fragen. Wir haben ein klares Bekenntnis zu unserem Standort in der Luzerner Gemeinde abgegeben.
In der Schweiz wurde kürzlich über die Relevanz der heimischen Stahlindustrie diskutiert. Was sagen Sie dazu?
Wir sind überzeugt, dass der Klimawandel und die damit verbundenen Vorgaben an die produzierende Industrie unserem Unternehmen, das über ein spezialisiertes, nachhaltiges Produkt verfügt, in die Hände spielt. Wir leisten einen wichtigen Beitrag zur lokalen Zirkulärwirtschaft und arbeiten eng mit unseren Kunden vor Ort zusammen, was uns ermöglicht, äusserst flexibel auf deren Bedürfnisse einzugehen. Im Vergleich zu unseren Mitbewerbern sind wir in vielen Bereichen bereits einen Schritt voraus. Es wäre geradezu paradox, wenn Europa in Zukunft hauptsächlich CO2-intensiveren Stahl aus Übersee importieren würde, während wir hier lokal eine nachhaltigere Alternative anbieten können.